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Protektorat

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Französisches Protektorat

Bewegte Kolonialgeschichte

Die Franzosen hatten schon immer gedacht, Tunesien sei eigentlich die natürliche Verlängerung Algeriens. Andererseits interessierten sich auch die anderen Nationen zusehends für die Reichtümer des Landes. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 wollte sich Bey Mohammed VI., dem die französische Niederlage höchst ungelegen kam, in die Obhut der Engländer begeben, was um so naheliegender erschien, als die Insel Malta gleich vor der Haustür lag und den Briten als strategische Marinebasis für das gesamte Mittelmeer diente. Anfangs wurden auch tatsächlich Eisenbahnen, Gas- und Wasserwerke englischen Händen anvertraut. Doch wie man auch beim Monopoly seine Besitztümer an die Bank zurückgeben kann, so gab England 1878 auf dem Berliner Kongreß Tunesien zurück; wofür Frankreich die englische Militärpräsenz auf Zypern schluckte – und unser eiserner Kanzler (nein, die Rede ist nicht von Dr. Hohl) machte bei diesem Kuhhandel den »ehrlichen Makler«.

Nach diesem Punktsieg brauchte Frankreich den Ball nur noch im Tor zu plazieren, was dann 1881 gelang: die französischen Kolonialtruppen überschritten unter dem fadenscheinigen Vorwand die Grenze, die aufrührerischen Angehörigen des Kroumir-Stamms verfolgen zu müssen. Doch bald ließen sie die Maske fallen und marschierten stracks auf Tunis zu. Dem Bey blieb nichts anderes übrig, als das französische Protektorat anstelle des englischen zu akzeptieren und unterschrieb noch im selben Jahr die entsprechenden Verträge. Doch zwischen dem »Ja« des Bey und der Anerkennung des Vertrags durch das Volk lagen Welten: das Land mußte erst noch in blutigen Kämpfen erobert wurden, die vor allem in Sfax wüteten. In der Zwischenzeit verstarb Mohammed VI., und mit seinem Nachfolger Ali IV. mußte 1883 ein neues Übereinkommen abgeschlossen werden. Die armen Türken, die mal wieder niemand um ihre Meinung gefragt hatte, verzichteten erst 1923 auf dem Kongreß von Lausanne offiziell auf ihre Rechte.

Italien und Tunesien

Die Italiener zeigten ebenfalls lebhaftes Interesse an Tunesien. Die italienische Kolonie war die wichtigste vor Ort. Aus Wut darüber, dass die Franzosen sie hereingelegt hatten, warteten sie fünfzehn Jahre, bevor sie das französische Protektorat anerkannten. 1896 wurde ein Abkommen unterzeichnet, dass es den Italienern in Tunesien wie den Briten gestattete, ihre angestammte Nationalität zu behalten. Ihr Nationalbewußtsein war für die französischen Kolonialisten, die Tunesien wie Algerien an das Mutterland anschließen wollten, ein ständiger Dorn im Auge. 1921 wurde völlig willkürlich verordnet, dass die in zweiter Generation in Tunesien geborenen Engländer und Italiener von nun an als Franzosen betrachtet würden. Wie zu erwarten, kam es zu einem allgemeinen patriotischen Säbelrasseln.

1923 suchten die Franzosen den Kompromiß und gewährten den britischen Staatsangehörigen das Recht, das Angebot der neuen Nationalität abzulehnen, aber nicht den Italienern, die weiterhin als Zwangsfranzosen leben mußten. Als Tunesien unabhängig wurde, wurden die Italiener mit Gewalt nach Frankreich »rückgesiedelt«. Wen wundert´s, dass Mussolini im Juni 1940 in seiner Kriegserklärung an Frankreich die Erwerbung Tunesiens als Kriegsgrund nannte.