Messina
Messina (Vorwahl: 090)
Warten auf Godot pardon, auf die Brücke
Gegen Erdbeben abgesichert
Niemand verübele es dieser Industriemetropole von rund 270.000 Einwohnern, wenn sie nicht den von Sizilien erhofften Zauber aufweist. Messina wurde immer und immer wieder von Erdbeben heimgesucht, wobei häufig kein Stein auf dem anderen blieb: zuerst 1783, als die meisten Gebäude einstürzten, zwölftausend Einwohner umkamen und 30.000 obdachlos waren, und dann 1908, als ein Erd- und Seebeben mit einer drei Meter hohen Flutwelle 60.000 Einwohner forderte. Als ob das nicht genügte, gaben ihm die Bomben im Zweiten Weltkrieg den Rest. Wiedererrichtet wurde die Hafenstadt nach antiseismischen Gesichtspunkten rund um große Alleen, deren wichtigste die Via Garibaldi ist.
Das unglückselige Messina, heute nurmehr Durchgangshalt für Sizilientouristen, die von Reggio di Calabria an der »Stiefelspitze« aus übersetzen, ist Geburtsort des größten aller sizilianischen Maler, Antonello da Messina.
Die Meerenge von Messina (ital. Stretto di Messina), drei Kilometer vor den Toren der Stadt, ist bekanntlich Schauplatz der griechischen Mythologie. Genau: in Gestalt des Odysseus, der im Hafen von Messina festsaß und zunächst davor zurückschreckte, sein Schiff zwischen der Charybdis vor der sizilianischen und Scylla vor der kalabrischen Küste, zwei erschröcklichen Ungeheuern, die in der Meerenge im Wasser lauerten, hindurchzusteuern. »Incidit in Scyllam qui vult vitare Charybdim« - »Es verfällt der Skylla, wer die Charybdis meiden will«, hieß es. Die Charybdis saugte nach Homer dreimal täglich die Fluten mit ungeheurer Gewalt ein und spie sie dann wieder aus, während die auf dem gegenüberliegenden Felsen hausende Skylla mit ihren sechs grausigen Häuptern an langen Hälsen ganze Schiffe verschlang. Über dieses an die Medusa erinnernde Bild ergehen wir uns vielleicht mal in einer späteren Ausgabe. Verständlich ... Dass die italienischen Verkehrsbehörden aus demselben Grund seit 1955 mit dem geplanten Brückenschlag zwischen der Apenninhalbinsel und Sizilien zaudern, entbehrt jeder Grundlage. Derlei Pläne haben eine lange Vorgeschichte: schon die alten Römer und Hannibal träumten angeblich von einem Brückenschlag von Kalabrien nach Sizilien. Seit dem 19. Jahrhundert tauchten dann immer wieder Entwürfe auf, die jedoch stets als zu fantastisch und als unrealisierbar fallengelassen wurden. Erst in den siebziger Jahren unseres Jahrhundert nahmen die Planungen einer Straßen- und Eisenbahnverbindung über den Stretto di Messina konkretere Formen an, als der Fährverkehr unter dem stark angestiegenen Waren- und Kraftfahrzeugtransport zusammenzubrechen drohte. Was darf´s also sein: eine Hängebrücke, ein schlauchförmiger, schwimmender Tunnel oder eine Röhre à la Eurotunnel? Die Sache hat freilich mehrere Schönheitsfehler: die Erdbebengefahr, die starken Strömungen in der Meeresenge, die hohen Windgeschwindigkeiten (bis zu 110 km/h!) sowie Gezeitenunterschiede von zwanzig Zentimetern. Zuletzt hofften die Sizilianer auf die finanzkräftigen Japaner, denen man das »achte Weltwunder« mit gewinnträchtigen Mautgebühren schmackhaft machen wollte. Aber das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen, zumal den Norditalienern der Abstand zu Sizilien ganz recht zu sein scheint: damit die Mafiosi nicht noch schneller aufs Festland gelangen können. Es regen sich aber auch ernsthafte Bedenken gegen den gewaltigsten Brückenbau der Welt, der in einem ökologischen und wirtschaftlichen Desaster enden könnte.