Memphis und Elvis
Memphis und Elvis
Graceland: 3765 Elvis Presley Bd. Täglich geöffnet: und zwar von Juni bis August, 8-19h; zwischen dem 15. Juni und 11. August bis 20h, im Mai von 8-18h. Leser berichten, es sei jetzt auch im September geöffnet. Richtig? Letzte Führung jeweils eine Stunde vor Schließung. Graceland, so nennt sich das Haus, welches Elvis Presley mit zweiundzwanzig Jahren einer gewissen Mrs. Grace abkaufte. Es handelt sich also nicht um das »Land der Gnade«, wie manche meinen. Graceland stellt vor allem ein riesiges kommerzielles Unternehmen, eine Art »Presley World« dar, an der Onkel Dagobert sein Vergnügen hätte. Am Ausgang eines jeden Museums wird man an einem Laden vorbeigeschleust, wo einem alles nur Erdenkliche, aber nur wenig Schönes, angedreht wird: riesige Überdecken mit dem Bildnis von â na, von wem schon? â Tischsets, Tassen, Gläser, Schlüsselanhänger, Kulis, Autozubehör ... Wer hier widerstehen kann, beweist soliden Charakter.
Ein Besuch von Graceland lohnt sich nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch weil sich interessante Beobachtungen über die Amerikaner anstellen lassen, die man an diesem Ort antrifft. Ein Ort für soziologische Studien, ferner von Belang für alle Werbefritzen zum Studium der Vermarktung einer Person, aber auch ein einschneidendes Erlebnis für die Reisekasse.
Am 16. August, dem Todestag von Elvis, und an den vorhergehenden Tagen erlebt Graceland einen regelrechten Besucheransturm. Die Fans schwärmen von überall her an ... sogar aus Europa.
Zahlreiche sehenswerte oder auch nicht besonders sehenswerte Dinge: für jede einzelne »Attraktion« ist gesondert zu zahlen. Besichtigung kostet eigenen Eintritt. Es existieren Karten für alle möglichen Kombinationen, je nachdem, worauf man es abgesehen hat. Hier nun eine Liste der Sehenswürdigkeiten und unsere ganz persönliche Meinung darüber. Unser Kommentar ist natürlich nicht für Elvis-Besessene gedacht, die eh alles anschauen werden, gleichgültig, mit welchem Senf wir unsere Anschauung würzen.
Graceland Mansion Tour: deshalb sind ja alle hergekommen, und wir werden niemandem den Spaß verderben. Man wird zu dem berühmten Haus geführt. Gleich nach Durchqueren des schmiedeeisernen â natürlich gitarrenverzierten â Portals, wird alles immer unwahrscheinlicher. In jedem Raum steht ein Führer und leiert irgendwelche Fakten über die Kronleuchter, Wandbehänge, Spiegel ... herunter.
Ehrlich gesagt, das Faszinierendste dabei ist der konsequent miese Geschmack. Manche Räume erstrahlen in falschem Glanz, andere sind bescheidener, aber alle zeugen von schlechtem Stilgefühl. Auf die Dauer wird das geradezu zu einem eigenen Stil. In jedem Raum erfährt man aufs Neue, was für ein netter, ordentlicher Junge Elvis doch war, der ein geregeltes Leben führte, weder rauchte, noch trank und auch bei Tisch nicht in der Nase bohrte ... und jeden Sonntag brav zur Kirche ging. Zumindest lautet so die goldene Legende, die sein Manager, der berühmte »Colonel« Parker, mit missionarischem Eifer zu verbreiten sucht. In einer Art Salon im Siebziger-Jahre-Stil stehen drei Fernseher: »Elvis hatte nämlich immer Angst, etwas Wichtiges zu verpassen!« Am meisten schätzen wir den Jungle Room. Scheußliche Einrichtung: dicke Wandbehänge in der Farbe von Gänsekacke, ein mit Pelz bezogener Thron ... Und der Führer berichtet begeistert, dass Elvis selbst die Einrichtung in nur dreißig Minuten in einem Geschäft in Memphis ausgesucht hat. Oh wow!
Am bemerkenswertesten ist das Museum des Hauses: Dutzende goldener Schallplatten, Filmplakate, Gegenstände aus dem Besitz des »King«, Konzertkostüme mit und ohne Glitzer, mit und ohne Nieten, völlig abgedreht. Sachen, die nur Elvis und Luis Mariano tragen können, ohne dass man sie für einen Witz hielte. Irre Hosen der siebziger Jahre mit Mammutaufschlägen. Dokumente, Fotos ... Äußerst interessant. Nur schade, dass man so gar nichts, aber auch überhaupt nichts, über den wahren Elvis erfährt.
Automobile Museum: ein Muß für jeden Elvis- und Autofan. Präsentiert werden ein gutes Dutzend Autos, von denen manche speziell für ihn angefertigt wurden. Der Eldorado Cadillac von 1956, der Ferrari Dino und vor allem die Gartenfahrzeuge zeigen, wie sehr dieser Bursche von solchem Spielzeug fasziniert war.
Elvis Airplanes: teuer und banal.
Elvis Tourbus: mies, unbedingt links liegenlassen.
Elvis Close-up: die sind schon ganz schön raffiniert in Graceland und haben nicht alles im Museum ausgestellt, sondern die Pyjamas, die Hemden, das Bett und die Pantoffeln zurückbehalten, um damit ein »intimes Museum« auszustatten, und Besucher nochmals zur Kasse zu bitten. Sollte jemand nicht in der Lage sein, Elvis gesamtes Repertoire rückwärts zu singen, so ist er kein wahrer Fan und dieses Museum nichts für ihn. Er ziehe seines Weges, und spare sich das Geld. Ein wirklich schlechter Witz.
If I Can Dream: zwanzigminütiger Film über den »King«. Im Ticket für die Mansion Tour enthalten. Also ruhig mitnehmen.
Sun Studio: 706 Union Ave, Höhe Marshall St., T. 521-0664. Dieses Studio gehört nicht zu Graceland. Tägl. von 9-19h geöffnet, Besichtigung jeweils zur halben Stunde (9.30, 10.30 ...). Karten im Sun Cafe gleich nebenan. Es handelt sich um jenes Studio, in dem Elvis 1954 seine ersten Hits aufnahm. Er blieb ein Jahr bei Sun, ehe er zur RCA wechselte. Innerhalb von zwei Jahren wurde er zum Idol. Mit seiner Musik, in der er Blues-, Gospel- und Country-Elemente mischte, brachte er die Massen zum Toben. Man muß schon ein echter Fan sein, um dieser Besichtigung etwas abzugewinnen. Der Eintrittspreis ist nicht von schlechten Eltern, und man verbringt schließlich eine Viertelstunde in einem kleinen Aufnahmeraum, während ein Typ lustlos sein Sprüchlein aufsagt. Ohne Englischkenntnisse ist der Besuch völlig sinnlos. Für die Fans stellt es allerdings einen Pflichtteil ihrer Pilgerfahrt dar. Weitere Künstler, die hier in den Fünfzigern unter der Fuchtel von Sam Phillips aufnahmen: Jerry Lee Lewis, Johnny Cash, Carl Perkins und Roy Orbison.