Was für das Auge
Panoramablick kann zu Schwindelanfällen und Höhenkollern führen
Versteckte Gärten und wunderschöne Sehenswürdigkeiten
Metropolitankathedrale San Pietro: 100 m vom Neptunplatz, in der Via dell´Indipendenza. Liefert den Beweis dafür, dass Barockfassaden aus dem 18. Jh. unser heutiges Stilempfinden nicht notwendigerweise verletzen müssen. Das Kircheninnere hält jedoch nicht, was die Verpackung verspricht - von zwei marmornen Weihwasserbecken in Löwengestalt einmal abgesehen, die bereits der romanischen Vorgängerkathedrale zur Zierde gereichten. Das Quartier rundum erweist sich als unentwirrbares Knäuel von Gassen, gespickt mit malerischen mittelalterlichen Wohngebäuden. Als schicke Meile Bolognas galt einstmals die Via Galliera, aber das ist schon eine Weile her. Eine Reihe von Palais und stattlichen Bürgerhäusern erinnert an diese Zeit.
Le Due Torri: am Ende der Via Rizzoli. Beide Wohntürme wurden im 11. Jh. von zwei rivalisierenden Familien erstellt. Die Architekten müssen unter ziemlichem Zeitdruck gestanden haben, denn beide Türme neigen sich bedenklich zueinander. Der kleinere Bruder, der Garisendaturm, gehörte einer gibellinischen Familie, weist eine Neigung von 3,20 m auf und mußte im oberen Teil bald um fünfzig Meter auf 48,10 m gekappt werden, um nicht zusammenzukrachen. Schon Dante fand ihn einer Erwähnung in der »Göttlichen Komödie« wert, während Goethe glaubte, er müsse absichtlich schief gebaut worden sein. Von dem höheren Asinelliturm (97,20m) Panoramablick über Stadt und Umland - Schwindelanfälle und Höhenkoller stellen sich ganz von selbst ein. Er wurde von 1109-1119 errichtet, war seit der zweiten Hälfte des 13. Jh. in öffentlichem Besitz und diente vor allem als Aussichts- bzw. Wachturm. Während der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg unterhielt die Wehrmacht hier einen Ausguck. Etwa fünfhundert Stufen gilt es zu erklimmen. Unsere Aufopferungsbereitschaft brauchen wir ja niemandem mehr zu beweisen, aber nur wegen der exakten Zahl noch einmal hochzukraxeln, wäre einfach zuviel verlangt ... Täglich von 9-18h. Der Aufstieg lohnt aber, weil man von dort erst wahrnimmt, wie viele Gärten sich in Bologna hinter hohen Mauern verbergen und weil man der Lage der Stadt am Fuße des Appenin erst richtig gewahr wird. Ferner, was es bedeutet, wenn eine gegen Spekulation eingestellte Stadtregierug einen Bebauungsplan durchzusetzen vermag, der die Hügel den Gärten und Palästen des 19. Jahrhunderts erhält. Man vergleiche das mal mit Turin oder Rom, wo sie weitgehend verschwanden. Nicht zuletzt wird man überall Turmstümpfe bemerken, von denen im 13. Jh. über zweihundert existiert haben sollen. Diese »Geschlechtertürme« dienten nur teils als Zuflucht, eher aber als Statussymbol. Auch in Bologna wurde zwischen Guelfen und Gibellinen gekämpft, aber mit der ersten Signoria des Taddeo Pepoli 1337 siegte zunächst mal die Kommune, also Zünfte und frühes Handelsbürgertum über den zerstrittenen Adel. Die Störung des innerstädtischen Friedens durch diesen wurde fortan mit Kürzen der Türme oder völligem Schleifen geahndet.
San Domenico: an der Piazza Galvani, hinter der Kathedrale, loslaufen und der Via Garibaldi folgen. Der Kirchenplatz mit seinen gotischen Grabmälern hat es uns besonders angetan. Aber auch die Kirche aus dem 13. Jh. braucht sich nicht zu verstecken: ihre Fassade ist unverändert geblieben. Die elegante Kapelle mit quadratischem Grundriß links wurde 1530 von jenem Architekten ausgeführt, der auch den Petersdom in Rom zu verantworten hat.
Kaum eingetreten, werden Kunstkenner zur letzten Kapelle auf der rechten Seiten eilen, zum »Grab des Hl. Dominikus«. Nicht weniger als dreihundert Jahre benötigten namhafte Künstler - von Niccolò Pisano bis Michelangelo höchstpersönlich - für dieses Werk, welches sie 1267 in Angriff genommen hatten. Die Flachreliefs des Sarkophags erzählen vom Leben des Heiligen. Monumentale Abdeckplatte und Engel links stammen von Niccolò dell´Arca, der Zeugnisse seiner Schaffenskraft in ganz Bologna hinterlassen hat. Michelangelo dagegen zeichnet für den Engel rechts sowie für die beiden Statuetten im Bereich der Abdeckung - S. Petronio mit einem Modell der Stadt in Händen und S. Procule - verantwortlich. Vergleichen wir einmal beide Engel: der linke, anmutig und feminin, bildet einen Gegenpol zur muskulösen, männlich wirkenden Engelsstatue Michelangelos, die fast ein Junge sein könnte. Sich nicht aufs Glatteis führen lassen: Engel sind natürlich geschlechtslose Wesen. Der aufwendige Reliquiar dahinter enthält den Kopf des heiligen Gründers des Dominikanerordens.
In der kleinen Kapelle rechts des Chores die »Mystische Hochzeit der Hl. Katharina« von Filippino Lippi. Mehr als einen flüchtigen Seitenblick verdient das mit Einlegearbeiten geschmückte Chorgestühl. Eine Besichtigung lohnt auch das kleine Kirchenmuseum. Schließlich sollte man nicht darauf verzichten, sich im friedlich-heiteren Kreuzgang ein wenig zu ergehen.
San Stefano : so nennen sich gleich vier bemerkenswerte romanische Kirchen - früher gab´s sogar sieben von der Sorte. Sie sind miteinander verbunden und haben dank ihres golden getönten Halbschattens eine besonders weiche und milde Ausstrahlung. Die Grabeskirche wurde im 11. Jh. in Form einer Rotunde auf den Grundmauern eines römischen Tempels und einer Taufkapelle aus dem 5. Jh. errichtet. Aus derselben Epoche stammt die Kruzifix-Kirche, deren Chor sich über einer Krypta erhebt. San Vitale et Agricola - auch Peter-und-Paul genannt - diente Bologna als erste Kathedrale. Die strenge, schmucklose Architektur verstärkt noch die mystische Stimmung im Inneren. Hübsch die Kapitelle und der Cölestinus-Kreuzgang mit antikem Brunnen davor. Im rückwärtigen Bereich des Hofs die Dreifaltigkeitskirche seit dem 13. Jh. mit nicht zu verachtendem kleinen Museum: darin sehenswerte Beispiele der Bologneser Schule sowie einige Reliquiare.
Beenden möchten wir unseren »mystischen Rundgang« in der Kirche San Giovanni in Monte hundert Meter weiter. Über ihrem Portal thront ein Terrakotta-Adler von Nicolò dell´Arca.
Das ganze Viertel rund um San Stefano zeichnet sich durch eine Vielzahl mittelalterlicher Häuser und Paläste aus - »splendid«, wie uns ein kamerabewehrter Mittourist anvertraute. Hervorzuheben sind die Hausnummer 9, Via San Stefano - der Palazzo Bolognini aus dem 15. Jh. - und die Tacconi-Häuser mit den Nummern 15 und 21 im Renaissance-Stil. Im spitzen Winkel von Via San Stefano und Via Castiglione schließlich der gotische Palazzo della Mercanzia, Treffpunkt der Händler Bolognas. Man beachte nur den aus weißem Marmor gefertigten Baldachin über dem Balkon. Von hier oben herab gab man Konkurse und Gerichtsbeschlüsse bekannt.
Die ältesten Wohngebäude Bolognas sind übrigens am auffällig erhöhten ersten Obergeschoß auf mächtigen Pfeilern und Gebälk zu erkennen. Damals versuchte man auf diese Weise, Raum für neue Behausungen innerhalb der Stadtmauern zu schaffen. Hier liegt übrigens auch der Ursprung der typischen Bogengänge. Als Anschauungsobjekt eignet sich in diesem Zusammenhang besonders das Haus Strada Maggiore Nr. 19, von allen das älteste (12. Jh.).
Wer ein wenig die Lider zusammenkneift oder den Zoom seines Fotoapparats benutzt, kann in der Decke noch ein halbes Dutzend Pfeile erkennen, die sich anscheinend während einer Schlacht hierher verirrt haben.
Der erfolgreiche italienische Opernkomponist Rossini bewohnte übrigens das Gebäude mit der Nummer 26.
Santa Maria dei Servi: wer die Strada Maggiore entlangläuft, gelangt irgendwann zu dieser Kirche mit einem der Fassade vorgelagerten Arkadenportikus - eine architektonische Rarität! Auch hier birgt das Innere einige Leckerbissen: u.a. eine »Jungfrau Maria mit Kind und Engeln« von Cimabue und eine »Mariä Verkündigung« von Innocenze da Imola.
San Giacomo Maggiore : wer jetzt kurz vor Erreichen seiner persönlichen Kirchen-Höchstdosis stehen und bestenfalls noch ein Gotteshaus verkraftet, der versuche es mit diesem. Der Weg in die Via Zamboni lohnt wegen des besonders reichen Innenschmucks. Wer wollte da alle Einzelheiten auflisten: allein die vierunddreißig Altäre mit prachtvollen Gemälden darüber! Im Chor möchten wir wenigstens die »Madonna von Bentivoglio« von Lorenzo Costa; und ein gemaltes Kruzifix von Simone dei Crocifissi; erwähnen. In derselben Ecke stößt man auch, in dieser Reihenfolge, auf eine Darstellung der Jungfrau Maria auf dem Thron und die »Heiligen« von Francia; ein Fresko von Lorenzo Costa, »Triumph der himmlischen Herrlichkeit«, und einen Grabstein an der Wand. Unterwegs wird man unwillkürlich vor einem Polyptychon Jacopo di Paolos stehengeblieben sein ... Keine Bange, wir lassen´s damit gut sein.
Hält man sich weiter an die Via Zamboni, so überquert man zwangsläufig die malerische Piazza Verdi. Die Mauern der umliegenden Häuser sind fortwährend mit studentischen Forderungen tapeziert. Was die jungen Leute nur immer haben? Neben modernen Skulpturen findet sich hier auch das Stadttheater. Von außen betrachtet eher klassizistisch-streng und damit wenig einladend, birgt es im Inneren einen atemberaubenden Saal, lange Zeit die Wirkungsstätte Toscaninis. Etwas weiter rechts der Palazzo Poggi, Quartier der weltberühmten Universität von Bologna. Bevor wir schließlich an die Begrenzung der mittelalterlichen Stadt und das Stadttor gelangen, passieren wir noch die Pinakothek (s. Kapitel »Museen«).
An der Stelle des Teatro Communale erhob sich bis 1507 einer der größten und angeblich schönsten Renaissancepaläste Italiens, der Palazzo Bentivoglio. Ähnlich wie in die früh-großbürgerlichen Diktaturregime in Florenz, Genua oder Mailand, beschnitten die Bentivoglio die Macht die Freiheiten der Kommune, der Zünfte und des mittleren Bürgertums und betrieben eine Politik zugunsten des Handels- und Finanzbürgertums. Die Herrschaft währte nur fünfzig Jahre. Den zweiten der Dynastie vertrieben die Bolognesen in einem spontanen Aufstand und machten den Palast dem Erboden gleich. Erhalten blieben nur noch die dem Stadttheater gegenüberliegenden Pferdeställe, wo sich die Mensa einnistete, sowie der Name eines Nebensträßchens, Via del Gasto, Straße der Zerstörung.
Nur wenige Schritte von hier, in der Via Augusto Righi, schräg gegenüber des Teatro Arena del Sole, nimmt eine Gasse ihren Anfang, die zu einem der charakterischsten Postkartenmotive Alt-Bolognas führt: es handelt sich um einen schmalen Kanal, gesäumt von halb verfallenen, mittelalterlichen Behausungen mit vorkragenden Etagen. Hier scheint die Zeit vor Jahrhunderten stehengeblieben zu sein.
Sehenswertes in der Umgebung
Madonna da San Luca: ab Porta Saragozza der gleichnamigen Straße folgen, die ihre Fortsetzung in der drei Kilometer langen Portico San Luca findet. Die Kirche vom Ende des 18. Jhs sollte Pilgern als Zufluchtsort dienen und weist die stolze Zahl von 665 Bögen auf. Von dort oben bietet sich ein weiteres Panorama über die ganze Umgegend.
Osservanza-Hügel: an seiner höchsten Stelle die Villa Aldini, eigens errichtes anläßlich eines Besuchs Napoleons. Tatsächlich hat er nie einen Fuß hineingesetzt. Bei Sonnenuntergang liegt uns das rot leuchtende Bologna odaliskengleich zu Füßen.
Podelta / Valli di Comacchio: wer im Berich des Podeltas, westlich von Bologna bzw. Ferrera, eine wirklich billige und saubere Unterkunft sucht, sollte es mal im Städtchen Lagosanto, zwischen Comacchio und Codigoro, versuchen. Die große Bar am Platz in der Ortsmitte hat im ersten Stock nämlich auch preiswerte Quartiere zu vergeben.
Weiterfahrt ab Bologna
- Um gen Süden oder Nordwesten zu trampen: Busse 21, 22 und 42 nach Casalecchio. Den Fahrer bitten, Bescheid zu geben, wo man aussteigen soll. Von dort dann noch einen Kilometer zu Fuß.
- Richtung Ravenna: Bus 15 bis zur Autobahnunterführung.