Wirtschaftsräume
Der Alptraum der Lega Nord
Süditalien: Spontaneität statt Effizienz?
Die Ameise und die Grille
Süditalien, der vor den Toren Roms beginnende Mezzogiorno, umfaßt die sieben Verwaltungsregionen Molise, Kampanien, Puglia, Basilicata, Kalabrien, Sizilien und Sardinien. Die »Süditaliener«, 36 % aller Landeskinder, beanspruchen 40 % der Landesfläche, erwirtschaften aber nur 24 % des Bruttoinlandsprodukts.
Dieses offensichtliche Mißverhältnis wird ihnen vom »fleißigen« Norden zum Vorwurf gemacht. Das Klischee vom »faulen« Südländer wird also auch innerhalb der Landesgrenzen gepflegt das ist in Spanien oder Portugal übrigens nicht anders. Historische Gründe werden dabei gerne übersehen, sind aber auch eh allen wurscht, die sich darüber ärgern. Unstrittig ist, dass jene Milliarden an Steuermitteln überwiegend aus Norditalien und Nordwesteuropa stammen, mit denen Hilfsprogramme für den Süden finanziert wurden und die vielfach in den Kassen der Mafia landeten. Futter für die Lega Nord.
Norditalien ist im Gegensatz zum Süden eher vom Merkantilismus geprägt. Hier entstanden die ersten Banken, die Niederlassungen an allen Finanzplätzen der damaligen Welt unterhielten. So geht die Londoner Lombard Street in der City und der »Lombardsatz« auf die Lombardei, bzw. die Langobarden, zurück. Alle möglichen Ausdrücke aus der Finanzwelt sind italienischen Ursprungs (Bank, Konto, Disagio usw.). Hier entstand ein reiches, selbstbewußtes Bürgertum, herrschten die Stadtstaaten, Florenz, Venedig, Pisa usw., bis zur allmählichen Abschnürung des östlichen Mittelmeeres durch die Türken (Byzanz), deren Macht erst mit der Seeschlacht von Lepanto kurz vor der Entdeckung Amerikas gebrochen wurde. Süditalien und Sizilien verharrten dagegen in dumpfem Katholizismus und bäuerlichen bzw. feudalen Strukturen.
Eine ähnliche Zweiteilung läßt sich in Spanien auch bei Kastilien und Katalonien beobachten. Norditaliener und Katalanen haben von ihrer Mentalität her nicht von ihrer Kultur mehr Gemeinsamkeiten mit Nordeuropäern als mit ihren Landsleuten in Apulien bzw. Kastilien. Überall, wo Geld in eine Gesellschaft eindringt, wo langfristige Planung und Investitionen gefordert sind, ändert sich der Charakter der Menschen, weicht Offenheit und Spontanität einem verhaltenen Benehmen, treten Kalkül und Berechnung in die Beziehungen, denn durch ein gutes Pokergesicht, durch Intrigen usw. lassen sich auf einmal leicht Vorteile erlangen.
Dass wir »Süditaliener« in Anführungszeichen setzten, hat seinen Grund: es handelt sich nämlich keinesfalls um eine homogene Volksgruppe. Gemeinsam haben sie aber die Last der Unterentwicklung zu tragen von den zerstörerischen Folgen der Überentwicklung spricht seltsamerweise niemand! sowohl in wirtschaftlicher als auch in kultureller Hinsicht. Was Wunder, wenn die aktive Bevölkerung nach Norditalien »auswandert« oder gleich ihr Heil in Übersee sucht (Vereinigte Staaten, Argentinien usw.). Auch in den deutschsprachigen Nachbarstaaten nördlich der Alpen haben viele Italiener aus dem Süden eine neue Heimat gefunden. Aus Gastarbeitern auf Zeit wurden dabei häufig angesehene Mitbürger. Die Integration ging aber nicht soweit wie in Frankreich, wo Namen wie Michel Coluche, Yves Montand oder Michel Platini längst als französisch betrachtet werden.