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Wovon die Sizilianer leben

Land der Zitronen und Mandeln

Leckere Pestizide und Raubfischerei

»Das wirtschaftliche Leben krankt hier [gemeint ist: auf Sizilien] an denselben Schäden wie im Apennin-Lande, die aber hier noch schärfer auftreten. Der gesamte Grundbesitz ist verschuldet, die Gemeindesteuern sind maßlos, die Latifundien haben den Bauernstand in die Städte gedrängt, wo das Volk am Hungertuche nagt, und Geheimbünde (z.B. die Mafia) zerrütten das soziale Leben.«

So klagte schon um die Jahrhundertwende E. von Seydlitz, und seine Klage hat kaum an Aktualität eingebüßt. Wären nicht die Gastarbeiterüberweisungen aus den reichen Staaten West- und Mitteleuropas und die massiven EU-Zahlungen, so sähe die Bilanz noch verheerender aus.

  • In erster Linie leben die Sizilianer immer noch eher schlecht als recht von der Landwirtschaft und der ihr nachgeordneten Nahrungsmittelindustrie: nirgendwo anders in Italien werden soviele Zitrusfrüchte und Mandeln geerntet, niemand zieht mehr Thunfisch (Tonnara) aus dem Meer, und kein Festlanditaliener verstünde sich besser auf die Pferde-, Esel- und Maultierzucht. Immerhin an zweiter Stelle liegt Sizilien bei Weintrauben, Artischocken, Zucchini, Hartweizen und Ziegenzucht, gefolgt von Aprikosen, Oliven bzw. Olivenöl (Olio d´oliva), Nüssen und Schafen. Wer jetzt auf Sizilien eine intakte, bäuerliche Landwirtschaft erwartet, wird eine herbe Enttäuschung erleben: seit die Hirten verschwunden und die Gärtner im Vormarsch sind, ranken Weinreben vielerorts an Betonpfählen und bedecken Plastikplanen die Felder.

    Ein Wort zu den berühmten, wohlschmeckenden sizilianischen Tomaten von den Hängen des Ätna. Niemand mache sich etwas vor: die heute angepflanzten haben mit den alten, würzigen nichts, aber auch garnichts mehr zu tun, sondern es handelt sich um amerikanische Flachwurzler, die deshalb unter irrsinnigem Aufwand und mit allen damit verbundenen Umweltschäden bewässert und mit Pflanzenschutzmitteln und Insektengiften behandelt werden. Nach der Ernte lassen sie sich leicht ausreißen. Nur an einem Tag im Jahr dost die größte Konservenfabrik in der Gegend noch die alten Früchte ein. Daneben gibt es noch weitere, vielleicht noch bei manchem Bäuerlein zu findende, alte Sorten, die quasi alle vom Aussterben bedroht sind. Samensammler sind schon unterwegs, um sie künftigen Generationen wenigstens als Kulturgut zu erhalten.

    Nach einigen Jahren sind die Tomatenfelder nicht mehr für den Anbau zu gebrauchen, da die Tomate – übrigens ein Obst (man verzehrt ja eine Beere; beim Rhabarber ist´s der Stengel, und er ist folglich ein Gemüse) – ein ausgesprochener Bodenauslauger ist. Diese Böden werden dann unter Plastikplanen »vergast« – was alles Leben vernichtet – und auf diesen sterilen »Plastikböden« werden dann Gladiolen oder andere Blumen gepflanzt.

    Auch in der Fischerei weht ein rauher Wind: immer noch gibt es Raubfischerei mit Sprengstoff, nach wie vor geben erpresserische, mafiaähnlich aufgebaute Vermarktungsmonopole den Ton an.

  • Bodenschätze: der Abbau von Schwefel im Süden der Halbinsel lohnt schon eine ganze Weile nicht mehr, da dieser sich gegen die billigere Konkurrenz aus Amerika nicht behaupten konnte. Bleiben Erdgas und Erdöl, die rund um Gela, Augusta und Syrakus in chemischen und petrochemischen Werken weiterverarbeitet werden. Bei diesen handelt es sich allerdings um im Mezzogiorno häufig anzutreffende »Kathedralen in der Wüste«, große, kapitalintensive Anlagen also, die wegen ihres hohen Automatisierungsgrades nur vergleichsweise wenige Arbeitsplätze schaffen und ihren Zweck daher für eine nachhaltige, regionale Entwicklung verfehlen.
  • Etliche Sizilianer haben auch den Häfen und Werften in Palermo, Augusta, Messina und Gela ihren Arbeitsplatz zu verdanken. Dass mit dem in ganz Europa kriselnden Schiffsbau kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist, wirkt sich auf Bruttosozialprodukt und Arbeitslosigkeit in den genannten Städten allerdings negativ aus.
  • Eng mit dem auf wenige Küstenorte konzentrierten, vor allem im Landesinneren noch ausbaufähigen Fremdenverkehr verknüpft ist das alte sizilianische Handwerk: Kupferwaren, Flechtarbeiten, Stickereien, Teppiche, bemalte Holzfiguren (Pupi), Bauernwagen (Carretti) usw. In diesem Sektor böten sich noch mehr Erwerbsmöglichkeiten, wenngleich diese jahreszeitlichen Schwankungen (Saisongeschäft!) und dem Wohlwollen der ausländischen Touristen unterworfen sind.