Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Civic Center

Body: 

Rathaus und Oper

Streets of San Francisco

Über himmlische Stimmen und Weihnachten

Die San Franciscoer City Hall (Rathaus), ganz im Stil der französischen Klassik des 17. Jahrhunderts und von einer 92 m hohen Kuppel gekrönt, umgibt einen weitläufigen Platz. Im näheren Umkreis befinden sich das u. a. Museum für moderne Kunst und die Oper, dann die Davies Symphony Hall – ein stattliches Rundgebäude – das Civic Auditorium, die Public Library, die State und Federal Buildings.

A propos Oper: da muß Luisa Tetrazzini erwähnt werden, die nachdem sie bereits in ihrer italienischen Heimat und Mexiko-Stadt gesungen hatte, 1905 in San Francisco anlangte. Die Stadt schwärmte damals geradezu für die Oper. Samuel Dickson beschreibt in »Die Straßen von San Francisco« das Debut der Tetrazzini in der Rolle der Gilda in Rigoletto:

»Gilda stand auf der obersten Treppenstufe. Sie war reizend und gertenschlank. Ja, tatsächlich, damals war die Tetrazzini noch schlank wie ein junges Mädchen. Ich entsinne mich genau, dass sie sogar ein wenig verängstigt wirkte, doch dann lächelte sie und begann die Arie »Cato Nome« zu singen, und gleich bei den ersten Noten kam es über die Zuhörer wie ein Offenbarung. Es war der große Augenblick, der, an den man sich fortan stets erinnern sollte. Sie sang, und den Zuschauern stockte der Atem. Man könnte meinen, ich sei zu sentimental bei der Erwähnung dieses Ereignisses, das über ein halbes Jahrhundert zurückliegt, aber ich war damals dabei und war sogar noch zu jung, um den Unterschied zwischen Handwerk und wirklicher Kunst zu begreifen. In dieser Nacht wurde es mir klar. «

Sie sang »Caro Nome«, aber wie das oft vorkommt, klatschte niemand Beifall, bevor die letzte Note in lautloser Stille verklang. Die Zuhörer verharrten einen Augenblick atemlos, dann brauste der Beifall los. Die Menge trampelte, brüllte, richtete sich auf den Sitzen auf. Dann standen auf eimal sämtliche Anwesenden auf und klatschten begeistert Beifall. Das Orchester erhob sich ebenfalls und applaudierte. Männer stiegen auf die Sitze und warfen die Hüte in die Luft, Frauen rissen sich die Blumen von den Kleidern und schleuderten sie auf die Bühne. Als sich das Toben gelegt hatte – damals wurden, wenn die Zuschauer eine Zugabe verlangten, stets die Arien wiederholt – sang die Tetrazzini ihre Arie zum zweiten Mal.

Jahre später, nach dem Erdbeben und Riesenerfolgen im Osten, kehrte sie zurück. Da ihr Vertrag mit Oskar Hammerstein ein Auftreten im Theater verbot, sang sie für die Einwohner am Weihnachtstag 1910 auf einer Tribüne Ecke Larkin und Kearney Street. Angeblich sollen 300. 000 Bewohner gekommen sein, um ihr zu lauschen. Die Bürger zogen ihre Kutsche die ganze Market Street hinauf.

Dickinson, der wiederum Zeuge war: »Ich stand zwei Häuserblocks von der Tribüne entfernt, konnte trotztdem jede Note kristallklar, jedes Wort deutlich hören. Ein lediglich von ihrer Stimme erfülltes Schweigen lag über der Stadt wie das Schweigen der Wüste. Die O-Busse hielten an, Pferde, Wagen, und die wenigen Kraftfahrzeuge unterbrachen die Fahrt. Das Klingelzeichen der Kabelbahnen verstummte. Die ganze unübersehbare Menschenmenge verhielt sich mucksmäuschenstill.

Sie sang immer weiter, und wenn man die Augen schloß, konnt man meinen, sich mit der wunderbaren Stimme allein auf der Welt zu befinden. Sie sang das Lied »Letzte Rose ... «. Als sie geendet hatte, brachen Beifallsstürme los. Sie hob die Arme, bat ihre Bewunderer um Ruhe und sang weiter. Nun aber stimmte ganz San Francisco mit ein. In allen Straßen und Gassen und in sämtlichen Fenstern der Wohnhäuser erscholl der Sang aus tausend und abertausend Kehlen, welche die Tetrazzini bei ihrem Lied »Auld Lang Syne« begleitete.

Dann begaben sich die Leute, denen zumute war, als hätten sie eine himmlische Erscheinung gehabt, voll Freude nach Hause. Das war die schönste Weihnacht von San Francisco.«