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Himmlische Orte

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Sehenswürdigkeiten, wo sich schon Päpste versündigten

Himmlische Vergnügen in Ferrara

Ferrara läßt sich erfreulicherweise zu Fuß erkunden. Nutzen wir diese günstige Gelegenheit und erkunden in aller Ruhe die schönen Paläste, Kirchen und Museen. Um nur das Wichtigste zu sehen, sind mindestens zwei Tage vonnöten.

Schloß der Este (Castello Estense): im 14. Jh. errichtet; gibt eines der seltenen Beispiele für die harmonische Integration einer Burg in ein städtisches Umfeld ab. Hier haben wir zweifelsohne einen der schönsten Palazzi Italiens vor uns. Öffnungszeiten: täglich außer montags von 9-12.30h und von 14.30-18h. Gepfefferte Eintrittspreise; nicht mal bedürftige Schüler und Studenten erhalten eine Ermäßigung.

Die Gemächer im Innern sind luxuriös ausgestattet. Wandmalereien im aufwendigen Spielsalon stellen alle Sportarten und Disziplinen dar, die damals Mode waren. Die »Jahreszeiten« an der Decke des kleineren Spielsalons nebenan stehen ihnen in nichts nach. Den Bacchanal-Saal schmücken schöne Wandmalereien mit der Darstellung der »Weinlese« und des »Triumphs des Bacchus«.

Die nach Renée de France benannte Kapelle wartet mit noch reicheren Fresken und zahlreicheren Bildern auf. Renée de France, Tochter Ludwigs XII. und Gemahlin eines Herzogs von Este, war eine Vertreterin des strengen Calvinismus. Wir können übrigens auch die Kerker im Keller besichtigen, in denen sich schauerliche Dinge abgespielt haben. Der Dichter Lord Byron besang Ugo und Parisiana, die Liebenden von Ferrara, die hier enthauptet wurden. Zwei Brüder Alfons I., die man eines Komplotts gegen jenen beschuldigte, schmachteten ebenfalls einige Jahre im Verlies. Der eine nahm sich nach vierunddreißig Jahren das Leben, der andere wurde immerhin nach dreiundfünfzig Jahren freigelassen. Als er die ersten Schritte durch die Stadt tat, wurde er zum Gespött der Leute: seine Kleidung entsprach nämlich nicht mehr der letzten Mode. Armer Kerl.

Il Duomo: eine der faszinierendsten Kathedralen Norditaliens. Einlass von 7.20-12h und von 16-19.30h. Mit ihrem Bau wurde zwar schon Anfang des 12. Jhs begonnen, aber sie wurde erst im 16. Jh. fertiggestellt, was auch die Uneinheitlichkeit im Stil erklärt. Anfangs umfaßte die Fassade offensichtlich nur die erste Bogenreihe, die den typisch romanischen Stil aufweist. Die später sich hinzugesellenden drei Pfeiler, eine Art Heilige Dreifaltigkeit bildend, sind dafür ganz und gar gotisch. Das bildschöne Hauptportal schmückt eine Flachreliefdarstellung des Jüngsten Gerichts. Der freistehende Glockenturm schließlich stammt augenscheinlich aus der Zeit der Renaissance. Mal auf den Geniestreich des Architekten auf der Seite der Via Adelardi achten: alle die Kathedrale flankierenden Säulen weisen eine unterschiedliche Form auf.

Das Dommuseum im Innern beherbergt zwar wenige, aber dafür erlesene Stücke: u.a. mit kunstvoller Buchmalerei geschmückte Evangelien, Wandteppiche, grazile und ausgesprochen realistische Skulpturen, welche die zwölf Monate des Jahres darstellen, silberne Reliquiare, die »Verkündigung« und den »Hl. Georg«, zwei Werke Cosmé Turas, einer der wichtigsten Vertreter der Schule von Ferrara. Öffnungszeiten: 10-12h und 15-17h.

Palazzo Communale: die Fassade des vom 13.-14. Jh. erbauten Palastes wurde vor rund sechzig Jahren sorgfältig renoviert. Eine Säule und ein hübscher kleiner römischer Bogen bilden den stilvollen Rahmen des eleganten Gewölbes. Der Hof profitiert von seiner wunderbaren Renaissance-Freitreppe.

Die ganze Südseite der Kathedrale wurde bei Bombenangriffen des letzten Krieges stark beschädigt. Beim Wiederaufbau hat man sich auf einige architektonische Elemente von früher stützen und dadurch den Reiz dieses Viertels erhalten können. Sich unbedingt ein Frühstück auf der Terrasse der Bar de la Torre genehmigen und dabei genüßlich das Durcheinander der Fahrradfahrer beobachten.

Via delle Volte ): wie schön, einfach nur durch die friedlichen Gäßchen des alten Viertels südlich des Doms zu schlendern. Wir gelangen schließlich auf die Via delle Volte, das beste Beispiel für eine noch tadellos erhaltene mittelalterliche Straße. Früher diente sie als eine Art Dienstbotenpiste, da von ihr aus die Hintereingänge der an der Hauptstraße aufgereihten Bürgerhäuser zugänglich waren. Die Hausangestellten konnten dank der Bogengänge ihre Aufträge trockenen Fußes erledigen. Sehr malerisch machen sich die Rundbogen aus dem 13. Jh. und die Spitzbogen aus dem 14. Jh., hauptsächlich zwischen den Vias S. Romano und Scienze.

Chiesa Santa Maria in Vado : Via Scandiana, auf der rechten Seite kurz vorm Palazzo Schifanoia. Das Kircheninnere ist schlicht atemberaubend. Lassen wir das orangefarbene Licht des Längsschiffes und des Chores auf uns wirken! Die herrlichen Deckenfresken wirken täuschend echt und plastisch. Beachtung verdienen auch diverse Gemälde, darunter die »Verkündigung« von Camillo Filippi und, beim vierten Altar, die byzantinische Madonna. Achtung: öffnet nach der Siesta erst um 15.30h wieder ihre Pforten.

Palazzo Schifanoia: Via Scandiana. Öffnungszeiten: täglich außer an Feiertagen von 9-19h. Studenten brauchen keinen Eintritt zu zahlen.

Man betritt den eleganten roten Backsteinbau aus dem 14. Jh. durch ein prächtiges Marmorportal, über dem Wappen prangen, die wiederum von zwei schlichten grazilen Fenstern eingerahmt werden. Der ganze Komplex vermittelt einen ausgesprochen harmonischen Eindruck. Neben einigen, von Domenico Paris geschaffenen, Terrakottamadonnen sind vor allem die Fresken im »Saal der Monate« eine Besichtigung wert. Diese Schmuckstücke der Malerei haben einiges mitgemacht: nach der Flucht der Familie Este nach Modena am Ende des 16. Jhs wurden sie auf Befehl des Papstes mit einem Kalkanstrich überdeckt, um jede Erinnerung an die Herrscherfamilie zu tilgen. Einige der Fresken, die man später freigelegt hat, haben erstaunlicherweise ihre frischen kräftigen Farben bewahrt. Die Gemälde gelten heute als einzigartiges Zeugnis des Alltagslebens, der Trachten und der Denkweise der Menschen im Zeitalter der Renaissance. Die Bilder sind der Anzahl der Monate entsprechend in zwölf Teile und dann noch einmal in drei Felder unterteilt. Das untere erzählt vom Leben des Borso von Este, eines der aufgeklärtesten Prinzen von Ferrara, das mittlere ist voller Sternzeichen und astrologischer Symbole und das obere stellt Szenen aus der Mythologie dar. Einige Monate sind leider gar nicht mehr erhalten. Die drei Felder geben ein harmonisches und komplexes Zusammenspiel ab. Verstehen kann man das Ganze jedoch nur mit Hilfe der vor Ort erhältlichen detaillierten Broschüre.

Palazzo Ludovico il Moro: Via XX Settembre, Ecke Via Porta d´Amore, unweit der vorgenannten Anschrift. Einlaß täglich außer montags von 9-14h.

Das majestätische Renaissancegebäude beherbergt das archäologische Museum. Werfen wir mal einen Blick auf den Ehrenhof mit seinen feingeschwungenen Arkaden. In diesem Museum sind alle Funde aus der Nekropole Spina versammelt. Es birgt Hunderte von Vasen, Krügen und sonstigen Gefäßen aus dem goldenen Zeitalter der Keramik, d.h. aus der Zeit vom 5.-3. Jh. v.Chr. Auf Dauer wird die Besichtigung ziemlich langweilig, weil außer Vasen und nochmals Vasen nichts zu sehen ist. Ganz hinten wird man auf zwei Holzpirogen aus dem 3. Jh. n.Chr. stoßen, die auf den Kanälen des Po-Deltas eingesetzt wurden. Die Umbauarbeiten werden wohl einige Zeit andauern. Wer viel für schöne Fresken mit christlichen Motiven übrig hat, der sollte sich noch die Wandmalereien im Kloster Sant´Antonio in Polesine, ganz in der Nähe in der Via Lo Gambone, zu Gemüte führen.

Sexy Hofhuren

Auf dem Weg zum berühmten Palazzo dei Diamanti, dem »Diamantenpalast«, passieren wir eine ganze Reihe beachtlicher Bauwerke:

Corpus Domini: Via Pergolato 4. Die hübsche Backsteinkirche aus dem 14. Jh. enthält neben zahlreichen anderen Grabmälern auch das der Lucrezia Borgia Tochter Alexander VI. (1492-1503), neben Sixtus IV. ' den von der Kapelle ' ganz oben auf unserer Hitliste der Päpste. Den Sixtus haben wir übrigens in unserem Südtitalienband beschrieben, und ein jeder renne, ihn zu ergattern, bevor er wieder vergriffen ist. Alexander brachte vier Kinder mit in den Vatikan und veranstaltete Massenorgien im Familienkreis. So ließ er einmal nach einem üppigen Abendessen fünfzig Hofhuren zunächst in Kleidern, dann nackt tanzen und darauf auf allen vieren herumkriechen und zuletzt vor den Augen Seiner Heiligkeit, seines Sohnes und seiner Tochter begatten, wobei man Preise für diejenigen aussetzte, welche die meisten Mädchen besprangen. Zuletzt die Siegerehrung. Der Papst unterhielt ein Verhältnis mit seiner Tochter Lucrezia, die es auch mit ihren Brüdern trieb und schon als Halbwüchsige ein Kind kriegte, das Alexander in einer Bulle als sein eigenes ausgab, in einer weiteren aber seinem Sohn Cesare zuschrieb. Eine seiner Geliebten, Julia Farnese, ließ er als Mutter Gottes und sich als Papst zu ihren Füßen malen.

Schon wieder Nutten und gammelige Maultiere

Ungewöhnlich war derartiges beileibe nicht. Papst Johannes XII. trieb´s ebenfalls mit Mutter und Schwestern und starb in Aktion. Papst Johannes XXIII. (Baldassare Cossa) gestand vor dem Konstanzer Konzil Inzest ein. Nicht nur seine Schwägerin, sondern auch rund zweihundert Bologneser Witwen und Jungfrauen soll er beglückt haben. Aus Schonung für die Hörer wurden seiner Taten nur fünfzig verlesen - seltsam, wenn man bedenkt, dass neben dem Papst, dreihundert Bischöfen und dem Heiligen Geist auch siebenhundert Huren angereist waren, abgesehen von den bereits vom Klerus mitgebrachten. Dank selbigen Konzils starb Johannes Hus übrigens den Tod auf dem Scheiterhaufen.

Ja, Ketzern gegenüber war man wirklich nicht pingelig. Als man den Protestanten Zwingli abgestochen hatte, vierteilte und verbrannte man ihn unter Beimischung von Schweinekot zur Verunehrung seiner Asche, während man bei Hus heimlich ein halbverfaultes Maultier unter den Scheiterhaufen steckte, um dem Volk durch den Gestank die Gegenwart des Teufels zu demonstrieren. Man sieht: eine feine Sippschaft.

Waren eben keine Heiligen, diese Päpste. Zudem gab´s ja auch noch andere, wie Bonifaz VII., der seinen Vorgänger per Erdrosselung in den Himmel befördern ließ und schließlich selbst um die Ecke gebracht wurde. Zustände waren das ...

Auch diese gekürzt nacherzählten Fakten kam man in »Das Kreuz mit der Kirche« oder »Kirche des Unheils« von Karlheinz Deschner (Heyne TB) nachlesen, einem Standardwerk über die Sexualgeschichte der Kirche.

Ob die Unfehlbarkeit - übrigens wie auch die der Unbefleckten Empfängnis erst im 19. Jh. zum Dogma erhoben, zu einer Blütezeit von Wissenschaft und Technik also - wohlweislich wegen derartiger Geschichten sich nur auf Äußerungen des Papstes bezieht, wenn er »ex cathedra« spricht, wobei allerdings nun wieder niemand weiß, wann er das tut?

Casa Romei: nur wenige Schritte weiter, an der Ecke der Vias Praisolo und Savanarola. Dieses Adelshaus aus dem 15. Jh. besitzt zauberhafte, von grazilen Bogengängen und Loggien gesäumte Höfe. Innen sind Überreste kostbarer Bauwerke ausgestellt, die während des letzten Krieges zerstört wurden. Außerdem verdienen die schönen Deckengemälde Beachtung. Gegenüber erhebt sich der aus derselben Zeit stammende Palazzo d´Este de Francesco.

Via Savonarola: eine der schönsten Straßen aus der Glanzzeit derer von Este. Ein elegantes Adelspalais reiht sich an das andere. Ruhig mal einen Blick hinter die Fassaden wagen, denn da verbergen sich malerische Höfe und eine Menge faszinierender architektonischer Details.