Architektur
Architektur und Kunst
Sieben Jahrhunderte lang hatten thailändische Baumeister und Künstler Zeit, indische, chinesische und ceylonesische Einflüsse zu einem eigenen, unverwechselbaren Stil zu vereinen. Ähnlich wie im christlichen Abendland vor Renaissance und Aufklärung, stand auch in Thailand die Kunst zunächst ganz im Dienst der Religion: zahlreiche buddhistische Klöster zeugen bis heute von dieser kunstgeschichtlichen Epoche. Die alte Kapitale Sukhothai erlebt als erste den Aufstieg eines frühen, spezifisch thailändischen Stils. Man denke nur an den graziösen Lotusblumenknauf, der sich in etlichen Tempelruinen der Stadt wiederfindet. In Ayutthaya, das vierhundert Jahre lang herrschte, waren die Tempel noch kunstvoller ausgeschmückt, und dieser Zug setzte sich dann in der Rattanakosin- und der Bangkokperiode fort, wie es uns die faszinierenden Ornamente des Großen Palastes und des Smaragdbuddhatempels eindrucksvoll vor Augen führen. Zum klassischen Zierwerk zählen geschnitzte Holzpaneele an Giebeln, Türen und Fenstern, häufig mit Perlmuttintarsien versehen, oder auch mit Glasmosaik und Stuck eingefaßte Keramik. In etlichen Tempeln zieren Wandmalereien die Innenwände, von ineinander verschlungenen Figuren bevölkert, die das Leben Buddhas in Szene setzen oder dessen Lehren anhand moralisierender Geschichten veranschaulichen.
Auch in der religiösen Bildhauerei hat Thailand Beachtliches geleistet: das Sukhothai-Buddhastandbild etwa, bei dem sich Kraft und fließende Grazie ideal ergänzen, erfreut sich weltweit höchster Wertschätzung. Das gleiche darf man von den riesigen Steinskulpturen in Ayutthaya behaupten.
Tempel und Skulpturen von kunstgeschichtlichem Rang hinterließ selbstverständlich auch der Khmerreich von Angkor, erstreckte dieses sich doch über weite Teile des späteren Siam und heutigen Thailands.
Die Schöpferkraft thailändischer Künstler und Baumeister äußert sich aber nicht allein in religiöser Kunst, sondern ist auch im traditionellen Wohnhaus der Thais gegenwärtig. So einfach seine Bauweise auch anmuten mag, so unübersehbar ist die beschwingte Eleganz seiner Linien, der leicht geneigten Wände, des steilen Daches und der geschwungenen Firste.
Thailändische Künstler aus der Sukhothai-Zeit brannten glasierte Keramiken, die in ganz Südostasien gehandelt wurden und heute begehrte Sammlerstücke darstellen. Auch alltägliche Gebrauchsgegenstände zeitlose Wasserkrüge und Körbe, Spinnräder, Kleidung mit künstlerischem Anspruch usw. zeichnen sich durch gefällige Formen und Farben aus.
Beispiele aus der Tempelarchitektur
Thailändische Tempel sind wundervolle Bauten mit ihren hohen, geschwungenen Dächern und ihrem reichen Schmuck. Der »bot« (Weihe- oder Ordinationsraum) und »viharn« (Halle für die tägl. Gottesdienste), beide einander architektonisch ähnlich, sind die wichtigsten Gebäude.
Nachfolgend einige typische architektonische Merkmale:
Der Prang ist ein hoher fingerförmiger Turm, meist mit reichen Ornamenten. Er war typisch für die religiöse Architektur der Khmer, wurde später von den Thais übernommen und prägt so z.B. die Ayutthaya- und Bankok-Periode. In Thailand sind nur die bedeutendsten religiösen Gebäude so ausgeführt.
Beim That handelt es sich um einen Reliquienturm, wie er typischerweise in Laos und den Nordostregionen Thailands vorkommt. Er weist einen quadratischen Grundriß auf und besitzt einen hohen, spitz zulaufenden Turm voller schmückender Ornamente.
Der Chedi ist ein Reliquienturm, gleichbedeutend mit »Stupa«. Es handelt sich um ein festes und meist hohes, aber immer mächtiges Gebäude, das Reste von Buddha, seinen Schülern oder die Asche wichtiger religiöser oder königlicher Persönlichkeiten birgt. Unter den verschiedenen Formen des Chedi ist der glockenförmige mit hohem, spitz zulaufendem Turm von anmutigen Maßen der am häufigsten anzutreffende. Er kann eine quadratische Grundfläche wie im Mon-Stil vom Haripunchai aufweisen oder auch die Gestalt einer Pyramide mit ihren Stufen zeigen.
Der Prasat ist ein turmförmiges, auf die Khmer zurückgehendes Heiligtum. Mit Prasat bezeichnet man manchmal allgemein die Khmerstrukturen eines Tempels. So wie er von den thailändischen Architekten übernommen wurde, ist der Prasat immer ein religiöses oder königliches Gebäude, normalerweise in Kreuzform und von einem Prang gekrönt. Der traditionelle königliches Scheiterhaufen als Sinnbild des Goldenen Merus weist beispielsweise die Gestalt eines Prasat auf.
Sema: symbolischer Grundstein eines Bot, zugleich das Merkmal, das ihn von einem Viharn unterscheidet. An den Ecken und Achsen eines Bot aufgestellt, besitzen sie die Form von Steinplatten mit eingemeißelten Verzierungen.
Chofa bedeutet »Himmelsquast« und ziert als augenfälliges architektoniches Motiv die Firstenden eines Bot oder Viharn in Gestalt eines grazilen Aufsatzes, einem gestreckten Vogelhals und -kopf ähnlich. Nach allgemeinem Glauben versinnbildlicht er Garuda. Bei Fertigstellung eines Temples wird er bei einer besonderen Zeremonie auf das Dach gesetzt.
Mongkut ist ein architektonischer Schmuck, bestehend aus Reihen sich nach oben bis zur Spitze verjüngender Scheiben. Auf einem Prasat oder anderen religiösen Bauten versinnbildlichen die Reihen die dreiunddreißig Stufen buddhistischer Vollkommenheit.