Sentimentaler Reiseführer
Rom - ein sentimentaler Reiseführer
Ein Reisebegleiter für Liebhaber RomsBoD Verlag, 331 Seiten17,00 EURO
Wie? Was steht da vorne drauf? Und wie heißt der Autor? Na, dann versuchen Sie doch erst mal den Rückentext ohne direktes Sonnenlicht zu entziffern! Da fragt man sich: Was hat sich der Herausgeber, im Falle des BoD Verlages der Autor nur bei der Auswahl dieser Farben gedacht? Schwarze Schrift auf dunkelblauem Hintergrund ist bekanntlich schwer zu lesen, da macht der Peter Gayers "Rom" keinen Unterschied. Aber wollen wir einmal über dieses Manko hinwegsehen und das Buch öffnen: Ein schwarz-weißer, bilderarmer Text springt uns entgegen. Keine Farbfotos, und die wenigen vorhandenen nicht einmal gut aufgelöst. Aber wollen wir erst mal lesen...
Das Vorwort macht Lust auf mehr, man merkt, man liest das Buch eines Mannes, der Rom wirklich liebt und die Stadt nicht in ein enges, nach Sternen und geographischen Merkmalen geordnetes Reisebuch-Korsett zwingen möchte. Es lädt ein, den Mythos Rom kennen zu lernen und gar auf Spurensuche zu gehen... nicht für den eiligen, von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit hastenden Touristen geeignet, sondern vielmehr für den geruhsamen Neugierigen, dem tiefes Verständnis wichtiger ist als Schnelligkeit und Oberfläche. Das klingt gut, was kommt jetzt?...
Wir beginnen unsere (Zeit)reise mit dem Bus Nr. 64 und fahren quer durch die Stadt bis zum Vatikan. Dann erleben wir die Stadt Epochenweise: In der Antike begegnen wir auf amüsante Weise dem Gallier Asterix, im Mittelalter lernen wir mehr über den Mikrokosmos der Cosmaten und in der Neuzeit fahren wir mit dem Fahrrad durch die Villa Borghese. Das ein oder andere Geheimnis wird an uns weitergetragen, die ein oder andere Schatzsuche führt uns an die verschiedensten Punkte der Metropole. Machen wir beispielsweise einen Abstecher zum Kolosseum:
Leseprobe: "Nähert man sich dem Kolusseum, hat man eher den Eindruck eines riesigen Rummelplatzes als den eines Kulturdenkmal: Busse halten und entladen ihren Inhalt oder nehmen ihn wieder auf, Touristengruppen strömen mehr oder weniger andächtig hinein und wieder hinaus, fliegende Händler verkaufen Ansichtskarten oder Nippesfiguren, unechte Gladiatoren posieren für Fotos, Diebe lauern auf schnelle Beute, immer auf der Hut vor Polizisten aus ihren mobilen Wachstuben, Hochzeitspaare und deren Anhang ziehen von einem Fotoshop zum anderen. Es wird geschaut, geschrien, gekauft, geguckt, gelaufen, gegessen, geblitzt, getrunken, gerastet, gezerrt, gefeilscht, geschwitzt, gewartet, geknipst, gestohlen, gegessen, geschoben, gehalten, gezahlt, gehupt, gelesen, gedacht und gelacht. Es wird studiert, fotografiert, renoviert, posiert, observiert, flaniert, prometiert, restauriert und abkassiert. So ähnlich muß es an diesem Platz auch gewesen sein, als das Kolusseum noch intakt und Anziehungspunkt für alle Müßiggänger war, als im Inneren noch Tiere und Menschen aufeinandergehetzt wurden." |
Wir lernen weiterhin allerlei Amüsantes über Musik, Brunnen, Engel und Menschen. Nach all dem herrlichen Chaos setzt uns der Autor Peter Gayer ins Grüne, auf dass wir uns entspannen und das Erlebte reflektieren. Ich reflektiere, und muß sagen: Ein toller, außergewöhnlicher Reisebegleiter, ein Lesebuch, ein Ratgeber, ein vergnügliches Abenteuer. Es ist kein sentimentaler, sondern vielmehr ein einfühlsamer und gleichzeitig urkomischer Reiseführer! Meine Empfehlung: Nicht von Äußerlichkeiten abschrecken lassen, die Inneren Werte wiegen alles auf!
M.M.