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Der Strom

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Der Strom

Wir nähern uns allmählich dem Nil, dem bestimmenden Element der Kairoer Stadtlandschaft.
Der Strom erreicht hier seine ganze Breite, bevor er sich in mehrere Arme teilt,
die das Delta bewässern. Hochhäuser aus Glas und Stahl, Hotels, Geschäfts- oder
Bürogebäude verleihen diesem ständig wie eine Baustelle anmutenden Bezirk einen
amerikanischen Touch. Eines der Kairoer Paradoxe resultiert aus dem abrupten
Zusammenstoß glitzernder Glaspaläste mit Haufen ärmlicher Behausungen entlang
völlig ausgefahrener Straßen, die beim ersten heftigeren Regenguß einstürzen.

Mehrere Inseln liegen im Fluß verstreut und tragen nicht wenig zu seinem Reiz
bei: im Norden etwa Guezira, jene »Insel, auf der sich der Kairo-Turm, das
Wahrzeichen der Moderne, erhebt. Er überragt das Wohnviertel Zamalek mit seinem
aus der englischen Kolonialzeit übriggebliebenen Sportclub und den alten, in
Gärten versteckten Villen, in denen heute die Botschaften residieren. In Guezira
wurde auch im Oktober 1988 Kairos neue Oper eingeweiht, von einem japanischen
Konsortium im orientalisierenden Stil errichtet.

Im Süden die Insel Roda, einst berühmt für ihr antikes Nilometer, auf der Prinz
Mohammed Ali zu Beginn dieses Jahrhunderts einen riesigen, einzigartigen Wohnpalast
errichten ließ, welcher der Zeit entrückt sämtliche orientalischen Stilarten
widerspiegelt, mit Prunksälen, trophäen- und jagdwaffenstarrenden Galerien und
Privatgemächern. Drumherum ein märchenhafter, friedlicher Garten, der, von hohen
Mauern eingefaßt, diesen Ort vom Lärm Kairos abschirmt. Der Manyal-Palast ist
heutzutage Jagdmuseum, und die uralten Feigenbäume im Park beschatten die Bungalows
eines vom Club Méditerranée geführten Hotels.

Im Sommer bringt die Nähe des Stromes eine wohltuende Frische in die überhitzte
Stadt: abends erfreut eine Brise, die sogenannte »sanfte Nordbrise der antiken
Texte, die Kairoer, die gerne entlang der Corniche spazieren, in einem »Casino,
einer jener Schenken am linken Flußufer, Halt machen oder sich mit der Feluke
über den Fluß treiben lassen. Der Nil erweist sich im übrigen auch als nützliches
Verkehrsmittel, denn am gesamten Flußufer bieten kleine Fährboote ihre Dienstleistung
an, mit deren Hilfe man sich in der Stadt fortbewegen kann, ohne dem leidigen
Autoverkehr die Stirn bieten zu müssen.