Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Kairo und Pyramiden

Body: 

Kairos Vorstadt: die Pyramiden

Unter dem Khediven Ismail begannen die Dinge sich zu ändern. Er ließ eine Straße
bauen, die seine erlauchten Gäste bequem von der Hauptstadt zu den Pyramiden
bringen sollte. Anlaß waren die grandiosen Feste zur Einweihung des Suezkanals
1869. Besagte Straße führte etwa fünfzehn Kilometer über Land und endete gegenüber
von Cheops. Später wurde unterhalb der Pyramide das großartige Menna House errichtet,
ein Hotel im Kolonialstil mit großen Holzveranden, dem man trotz Erneuerungen
und Anbaumaßnahmen noch seinen vergangenen Zauber ansieht. Nach und nach entstanden
auch Villen unterschiedlichsten Stils entlang der Straße: Schweizer Chalets
und barocke oder neoklassizistische Herrenhäuser. Nachtlokale heitern die Kairoer
seit König Faruks Zeiten auf: das berühmteste war jahrelang die Auberge des
pyramides. Gegen diese Vergnügungsorte, zugleich die schrillsten Symbole westlicher
Korruption, entlud sich wiederholt der Volkszorn. Im Februar 1986, während eines
durch Teile der Polizei ausgelösten Aufstandes, legte die Menge dort Feuer.

Königliche Begräbnisse

Umgeben von profanen Bauwerken, erdrückt von Schaulustigen, scheinen die Pyramiden
ihren Geist schon aufgegeben zu haben. Und doch läßt sich der Genius dieses
Ortes wiedererwecken: man muß nur etwas früher da sein als die anderen. Bei
Tagesanbruch hält noch niemand dort oben auf. An einem Wintermorgen kann man
mit etwas Glück das wunderbare Schauspiel genießen, wie sich die zunächst noch
unsichtbaren Pyramiden langsam aus dem Nebel herausschälen, durch den die Sonne
glitzert. Wenn abends dann die Licht- und Toneffekte abgeschaltet werden, am
Ende eines hektischen und lärmenden Tages, kehrt Ruhe auch in diese Stätte ein.
Ab und zu hört man ein Hundebellen oder einen Wächterruf. Die dreifache, klare
geometrische Form und die Umrisse der hingekauerten Großen Sphinx heben sich
deutlich vom Firmament ab.

Nur wenige Orte machten soviel von sich reden, übten eine ähnliche Faszination
aus, standen am Anfang einer derartigen Fülle von irrationalen und pseudo-mystischen
Hirngespinsten. Immerhin wurden diese Monumente bereits im Altertum ausgeraubt.
Trotzdem halten sich tausend Gerüchte über die Existenz ungehobener Reichtümer,
die vor allem durch die arabischen Legenden im Buch der verborgenen Schätze
und Perlen wachgehalten werden. Der Traum verdrängt die Wirklichkeit. Und doch
sind die Pyramiden nichts anderes als Gräber, angelegt im Auftrag von Cheops,
Chephren und Mykerinos zur Aufbewahrung ihrer Mumien.

Eine Pyramide war für sich allein genommen untauglich. Sie mußte in einen weiten,
architektonischen Komplex integriert werden, der ausschließlich der königlichen
Bestattung oder dem Pharaonenkult post mortem gewidmet war. Die Anlage von Chephren
ist am besten erhalten und dient dem Verständnis besonders gut. Man legte mit
dem Schiff am Tempel im Tal an. Es handelte sich um einen schlichten Bau aus
Kalkstein und Granit, den mittlerweile verschwundene Königsstatuen schmückten.
Hier wurde der tote Körper für die Mumifizierung vorbereitet. Über einen langen
Pfad trug ein Trauerzug den Sarkophag zum Totentempel neben der als Grabstatt
vorgesehenen Pyramide hinauf. In der Nähe waren die Boote vergraben, die den
Pharao ins Jenseits befördern sollten. 1954 wurden sämtliche Bauteile eines
prachtvollen Holzkahns am Fuß der Cheops-Pyramide freigelegt und zusammengefügt:
ein Werk von vollendeten Proportionen und eleganten Formen, das man in dem kleinen
Museum besichtigen sollte, wo es seither aufbewahrt wird. Im Herbst 1987 bestätigten
Sondierungen in einer benachbarten Grube die Existenz eines weiteren Bootes,
das vorläufig noch im Schutz der Höhlung ruht.

Im Schatten der Sphinx

Über diese geschichtsträchtige Stätte wacht seit Chephrens Zeiten die Große
Sphinx, halb Löwe und halb Mensch – eine Zwittergestalt, wie die Ägypter sie
liebten. Hier auf dem Hochplateau wurde sie direkt aus dem Felsen gemeißelt,
monumental wie die Pyramiden auch.

Vom Königssymbol wurde sie später für die Ägypter im Neuen Reich zu einer Sonnengottfigur
und Wallfahrtsstätte. Man brachte Stelen als Gaben mit. Sogar die Prinzen huldigten
diesem Brauch: zwischen den Pranken des Kolosses steht noch heute die Stele
aus rosafarbenem Granit, auf der Thutmosis IV. jenen Traum niederschreiben ließ,
der ihn im Schatten des Gottes heimsuchte. Auch die Griechen machten hier Halt,
und die arabischen Schriftsteller nannten die Sphinx Abu´l Hol, Vater des Grauens,
schrecklicher Wächter über die Örtlichkeiten. Mythos und Geschichte vermischen
sich. Wie einst die Ägypter, so verfallen auch wir in Traumphantasien vor der
seltsamen Chimäre, abgenutzt durch Wind und Sand, mehrmals restauriert, die
mit undurchdringlichem Gesicht, zerschmetterter Nase und leerem Blick nach Osten
starrt.