Das ägyptische Trugbild
Von den Khediven zu den Rais
Die Rosen von Shoubrah.
Gérard de Nerval
Das ägyptische Trugbild
In ihrer Begeisterung für die Rückeroberung des Heiligen Landes hatten sich
die Franzosen während der Kreuzzüge die Unterwerfung Ägyptens erhofft. Man weiß,
welche Niederlage diesem Unternehmen beschieden war. Etliche Jahrhunderte später
hegte Napoleon Bonaparte den gleichen Traum. Er versprach sich davon zwei Dinge:
den Briten den Weg nach Fernost abzuschneiden und, vor allem, ein zweiter Alexander
zu werden. Doch seine 1798 vor Alexandria ausgeschifften Truppen mußten 1801
vor der erdrückenden Übermacht der das Land besetzenden Engländer den Rückzug
antreten. Gerade diese Niederlage markiert indessen einen Wendepunkt in der
ägyptischen Geschichte und den Beziehungenen des Landes zu den beiden damals
wichtigsten Staaten Europas: Frankreich und Großbritannien.
Kulturelles Prestige wog das schmerzliche militärische Fiasko für Napoleon
wenigstens zum Teil auf. Aus Bewunderung für Geschichte, Wissenschaft und Belletristik
hatte er die bedeutendsten Wissenschaftler seiner Zeit um sich geschart. Sie
begleiteten ihn voller Enthusiasmus auf seiner Expedition, entdeckten Ägypten
und Nubien und kehrten mit reicher Ausbeute nach Hause zurück. Als würdige Nachfolger
der Enzyklopädisten verfaßten sie die monumentale Description de l´Égypte (Beschreibung
Ägyptens), deren französische Erstausgabe zwischen 1809 und 1828 erschien. Durch
die umfassende Darstellung sämtlicher Aspekte des alten und modernen Ägyptens,
seiner Tier- und Pflanzenwelt wie auch seiner Architektur, Bräuche und Wirtschaft
erweist sich diese Arbeit als bemerkenswertes Zeugnis der ägyptischen Zustände
gegen Ende des 18. Jhs. Zahlreiche seither verschwundene oder zerstörte antike
Baudenkmäler kennen wir nur aus dieser Beschreibung oder von den Radierungen
eines Dominique Vivant Denon, den Napoleon ebenfalls gerufen hatte.