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Eine Revolution naht

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Korruption und Aufruhr

Moslembrüder, Scharia und Nasser

Im Innern ist die Situation schlecht. Die konstitutionelle, aber undemokratische Monarchie stößt zunehmend auf Ablehnung; die Anschuldigungen gegen die allgemeine Korruption und den wenig vorbildlichen Lebensstil des Königs häufen sich, obwohl seine Regentschaft recht vielversprechend begonnen hatte.

Neue Bewegungen profilieren sich gegen die große Wafd-Partei, die nationalistisch, aber zugleich westlich orientiert ist: zunächst die Kommunisten, unter allen Regierungen verfolgt und inhaftiert (soweit sie sich nicht abgesetzt haben); bedeutender die Moslem-Brüder, 1928 von dem Lehrer Hassan al-Banna ins Leben gerufen. Er stammt aus dem Delta, besitzt ein glänzendes Rednertalent sowie Organisationsgeschick für den Aufbau der neuen Partei. Seine Ermordung 1949 läßt ihn zum Märtyrer der Organisation werden, in der er gegen eine Öffnung nach Westen gekämpft hatte, die ihm als Ursache allen Übels galt. Seine Ziele waren die Erneuerung des reinen und ursprünglichen Islams sowie die Bildung einer Regierung unter dem obersten Gesetz der Scharia. Dieses Programm, das in verschiedenen Formen fester Bestandteil des politischen Spektrums Ägyptens in den folgenden Jahrzehnten blieb, gewann auf Anhieb die Zustimmung vieler Menschen in den benachteiligten Schichten und im gerade entstehenden Kleinbürgertum.

Die wirtschaftliche und soziale Lage war nicht rosig. Schwerindustrie gab es kaum, und obgleich die Baumwoll-Monokultur intensiv entwickelt worden war (zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion), steckte die Textilindustrie erst in den Anfängen. Ein paar Webereien wie in Mahalla al-Kobra waren die Ausnahmen. Die innerhalb von hundertfünfzig Jahren von zwei auf zwanzig Millionen Einwohner gewachsene Bevölkerung bestand zu achtzig Prozent aus Fellachen, die ein miserables Dasein fristeten. Die Kluft zwischen ihnen und der ägyptischen und ausländischen Großbürgerschicht vertiefte sich ständig. Zur letzteren zählten die Besitzer riesiger Ländereien, die Baumwoll-Exporteure, die Börsenmakler aus Alexandria, Bankiers und reichen Kaufleute. Korruption lähmte die Verwaltung. Die große Mehrheit des Volkes konnte weder lesen noch schreiben, trotz der staatlichen Universitäten, die in Kairo und Alexandria als Ergänzung zu der alten Koranschule al-Azhar gegründet wurden.

Tage im Jahr 1952

In dieser explosiven Lage überstürzten sich die Ereignisse. Im Januar 1952 steckte der aufgehetzte Mob in Kairo Hotels, Kneipen, Banken, Kinos und Einkaufszentren in Brand – kurzum alles, was als Symbol für Ausland, Korruption und Reichtum galt. Am 22. Juli desselben Jahres bemächtigte sich die Gruppe der Freien Offiziere, zu der unter anderen Negib, Gamal Abd al-Nasser und Anwar al-Sadat zählten, ohne Blutvergießen der Regierung. Wenige Tage später verließ der entthronte König Alexandria auf seiner Jacht; er starb 1965 in Rom. Nun regierte ein Revolutionsrat das Land, das damit zum ersten Mal seit zwei Jahrtausenden keiner Fremdherrschaft mehr unterlag. Diese nationalistische Dimension gehört zu den stärksten Elementen der Revolution von 1952. Sofort leitete man eine Agrarreform ein, beschlagnahmte die großen Ländereien und übereignete den Boden den Bauern.

1953 wurde die Republik ausgerufen. Ihr erster Präsident hieß Negib; nach heftigen Oppositionskämpfen zwischen Negib und Nasser wurde letzterer 1956 Staatspräsident. Nasser hatte sich bereits 1955 während der Bandung-Konferenz als unumstrittener Führer der panarabischen Bewegung durchgesetzt, die, im Mittleren Osten im Aufwind, verschiedene kurzlebige Allianzen mit Syrien (1958) und dem Irak (1963) einging.