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Ein fatales Schicksal

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Ein fatales Schicksal

Seien Sie darauf gefaßt: jene Gizah-Pyramiden, die von den Griechen als Weltwunder
gepriesen wurden, erscheinen auf den ersten Blick wie ein bitterer Reinfall.
Wer kennt nicht ihr Abbild, bis zum Überdruß in allen Büchern über Ägypten und
in sämtlichen Reisebroschüren reproduziert, aber auch auf Werbeplakaten für
Whisky, Zigaretten oder Damenunterwäsche? Und wer hat sich nicht ein unberührtes
Wüstenpanorama als Kulisse für eben diese Pyramiden erträumt? In Wirklichkeit
werden sie von einer Stadt eingekreist, die immer bedrohlicher näherrückt.

Seit den siebziger Jahren hat sich Kairo atemberaubend schnell nach Südwesten
hin ausgedehnt. Wo zuvor nur Felder und Gärten waren, entstanden neue Stadtteile,
gespickt mit häßlichen Hochhäusern, die das Verfallstadium erreichen, bevor
sie richtig fertig sind. Man muß also durch dichten Verkehr zu den Pyramiden
vordringen, ohne jemals das Stadtgebiet zu verlassen. Vermutlich ist es jetzt
an seine Grenzen gestoßen, da die Hochebene nach einem aufsehenerregenden Prozeß
Ende der siebziger Jahre mit knapper Not dem abwegigen Projekt eines kulturellen
Luna-Parks entronnen ist.

Zu der ungestümen Verstädterung gesellt sich ein ebenso ausufernder Fremdenverkehr.
Da keine Parkplätze vorhanden sind, drängen sich Dutzende von klimatisierten
Reisebussen und Hunderte von Privatautos kreuz und quer direkt am Fuße von Chephren
oder vor der Sphinx. Dazwischen stehen Kamele, Esel und Pferde für Reitausflüge
bereit. Cola- und Postkartenverkäufer sowie Händler mit falschen Antiquitäten
vervollständigen den Wirrwar. Ganz zu schweigen von den Menschenmassen, die
durchaus nicht nur aus Touristen bestehen. Da die ägyptische Hauptstadt kaum
Parks und Grünflächen kennt, ziehen ihre Bewohner freitags und an Feiertagen
zu den Pyramiden, so wie die Pariser in den Bois de Boulogne zum Picknicken,
Fußballspielen oder Händchenhalten. Hier ist immer etwas los – aber um welchen
Preis! Wie schon in Kairo, hat die Bevölkerung die Totenstadt erobert, um hier
zu leben. Man bummelt mit dem Transistorradio zwischen den Gräbern, auf der
Suche nach einem schattigen Plätzchen.

Bis Mitte des 19. Jhs hatte der Ausflug zu den Pyramiden noch etwas Abenteuerliches,
denn der Weg dorthin war alles andere als bequem, besonders wenn das Hochwasser
das Plateau erreichte, und der Aufstieg gefährlich. In jener Zeit ragte neben
den Pyramiden nur das Haupt der Sphinx aus dem Sand, wie ein Kopf ohne Körper.
Die Freilegungsarbeiten hatten gerade erst begonnen. In den Reiseberichten wird
das Erklimmen der Cheops-Pyramide immer wieder als Höhepunkt der Exkursion geschildert.
Dabei wurde man von sogenannten Drogmans, Spezialisten in Sachen Pyramidenkletterei,
gepackt, geschoben und gezogen, um schließlich wie ein Bündel auf der Spitze
zu landen. Das war übrigens schon zu Lebzeiten von Plinius dem Alten so. Im
Zeitalter des Massentourismus wurde das Klettern verboten – um die Steine zu
schonen und die Menschen auch: Cheops hatte mehr als ein Opfer gefordert.