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Von Plätzen und Stühlen

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Von Plätzen und Stühlen

Der Marktplatz: Zentrum des Ortes und Treffpunkt der Griechen

Einen griechischen Dorfplatz überquert man nicht einfach: man kommt dort an und läßt sich nieder. Ein Raum, von Menschen für Menschen geschaffen, für gehende Zeitgenossen wohlgemerkt – nicht solche die rollen, Lärm produzieren und die Luft zum Atmen verpesten! – die Gefallen an einem Schwätzchen mit Ihresgleichen finden, die bereit sind, sich mit ihrem Nachbarn auf die Terrasse eines kafenions zu setzen, aus ihrem Leben zu erzählen, auch vertraulichen Worten zu lauschen. Die werden bei einem Glas uzo, einer Tasse Kaffee oder einer Limonade offenbart; und nicht unbedingt mit gesenkter Stimme. Nicht dass es den Griechen an Diskretion mangelte, aber sie ziehen gerne die Gemeinschaft als Zeugen heran, von der sie zumindest Billigung, vielleicht sogar Beistand erwarten. Vergessen wir nicht die Rolle des Chors in der antiken Tragödie ...

Als Endhaltestelle für Omnibusse aus dem nahen Marktflecken oder der nächst größeren Stadt fungiert der Platz als eine Art Observatorium, von dem aus sich Ankunft und Abreise beobachten lassen, wo Waren angeliefert und Bestellungen getätigt werden oder auch wo jenes Zeitungspaket in Empfang genommen wird, dessen Schlagzeilen auf der Terrasse des kafenions den Stoff für niemals enden wollende Diskussionen liefert. Hier funktioniert noch die direkte, wirkliche Demokratie: ungehindert, ohne Finten, Ausschüsse und Verfahrenstricks. Die Bedeutung dieses Mittelpunkts von Politik und Geschäft ist den Politikern, Wahlkreiskandidaten und Parteichefs übrigens nicht entgangen: auf ihren Wahlkampfreisen versäumen sie nie einen Zwischenhalt auf dem Dorfplatz, um einige Hände zu schütteln, Beschwerden entgegenzunehmen, ein paar Worte mit den Honoratioren zu wechseln, Versprechungen zu machen. Der Platz ist ein Test für ihre Popularität und erlaubt eine erste Einschätzung der Wirkung ihres Wahlprogramms.

Auf den Caféterrassen, in den kleinen Läden rund um die platia, stößt man noch auf eine aufrichtige und spontane Gastfreundschaft. Meilenweit entfernt von den geheuchelten Höflichkeiten und dem vorgefertigten Lächeln in den Touristenhochburgen an der Küste, sucht der Dorfbewohner den wirklichen Kontakt, diskutiert mit Fremden als kenne er sie seit Jahren, breitet sein Leben vor ihnen aus und stellt Fragen zu den ihren. Nehmen wir, ohne uns zu zieren, den Kaffee oder die portokalada (Orangenlimonade; sprachlich eigentlich Blödsinn, denn die »Limone« ist eine Zitrone, weshalb Angelsachsen das Getränk logischerweise »orangade« nennen, während die »lemonade« immer die aus Zitronen ist, womit unsere »Zitronenlionade« somit als weißer Schimmel entlarvt ist) an, die uns unser Gesprächspartner spendieren wird, notieren wir beim Abschied Namen und Adresse, hinterlassen wir unsere Anschrift! Eines Tages wird ein Kärtchen im Briefkasten landen und uns an den kleinen Dorfplatz erinnern, wo wir dem wahren Griechenland begegnet sind.