Sprache
Kreolisch und Französisch
Sprache als Spiegel der Geschichte
Wenn es Touristen aus dem fernen Frankreich auf die Maskareneninsel La Réunion zieht,
dann liegt das nicht nur an der überwältigenden Natur, dem spektakulären Vulkan, der
vielfältigen Bevölkerung und dem tropischen Ambiente ' beruhigend ist vor allem, dass man
im eigenen Land bleibt. Gezahlt wird in Euro, zur Einreise ist nur der Personalausweis nötig, eine besondere Krankenversicherung muß selbstverständlich nicht abgeschlossen werden, und am besten ist die problemlose Kommunikation mit den Einheimischen.
Wirklich problemlos?
Obwohl die offizielle Sprache des Überseedepartements Französisch ist, spricht ein Großteil der Bevölkerung Kreolisch. Lange Zeit als Dialekt und primitive Sprache der Schwarzen abgetan, gewinnt das Kreolische in jüngster Zeit immer mehr Anerkennung. Längst hat man den kulturellen Wert des bildhaften Créole entdeckt, und immer mehr Sprachwissenschaftler, Universitäten, Journalisten und Schriftsteller beginnen, sich damit auseinanderzusetzen.
Entstanden zur einfachen Verständigung zwischen Leibeigenen und ihren Herren sowie den
aus verschiedenen Regionen stammenden Sklaven untereinander, wurde das Kreolische im
Laufe seiner Entwicklung zu einem Spiegel der Geschichte. Basierend auf dem Französisch
der Kolonialzeit, wurde es zunächst mit madegassischen und afrikanischen Elementen
angereichert. Mit den neuen Einwanderern gesellten sich indische, chinesische und andere Einflüssen hinzu. Bis heute kommt die Sprache mit einer stark vereinfachten Grammatik aus und unterliegt dabei einem ständigen Wandel. Das rührt daher, dass es nur sehr wenig Literatur gibt, und die Weitergabe über viele Generationen hinweg nur mündlich stattfand. Im Rahmen der schulischen Ausbildung wird ausschließlich auf Französisch unterrichtet, was dazu führt, dass viele Schüler ihre kreolische Sprache als Belastung empfinden. Im gleichen Maße, wie sie der Identifikation der kreolischen Bevölkerung Réunions dient, verstärkt sie das Gefühl der Abgrenzung gegenüber dem Mutterland Frankreich. Auch wenn, oder aber gerade weil die Kenntnis des Hochfranzösisch im künftigen Berufsleben der jungen Menschen dringend
notwendig ist, wird man sich verstärkt Gedanken machen müssen, wie die Bindung zur
kreolischen Sprache auf Dauer erhalten werden kann.
Auf vielen ehemaligen französische Kolonien hat eine ähnlich Entwicklung stattgefunden, die erklärt, warum auch auf Guadeloupe oder Martinique eine eigene Art des Kreolischen existiert.
Wenngleich ähnliche Strukturen zugrunde liegen, können die Bewohner der verschiedenen
Inseln in ihren Sprachen nur schwer miteinander kommunizieren.