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Religion

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Religion und Toleranz

Minarette, Heilige und Hexen

Saint-Denis, Saint-Paul, Saint-Louis oder Saint-Pierre, kaum eine Stadt, die nicht den Namen eines Heiligen trüge. Überhaupt ist Religion allgegenwärtig auf Réunion und, was für Kultur und Sprache gilt, ist auch bei den Glaubensrichtungen, die aus den verschiedensten Regionen der Erde auf die Insel gebracht wurden, zu beobachten:

Im Laufe der Zeit hat sich ein bunter Mischmasch gebildet, der zum Teil zusammenwächst, an anderer Stelle harmonisch nebeneinander existiert und einer ständigen Dynamik unterliegt. Allerorten findet man hinduistische Tempel neben christlichen Kirchen oder Moscheen unweit buddhistischer Pagoden, wobei sich keiner vom anderen gestört zu fühlen scheint. Toleranz gehört zur obersten Maxime im Umgang der Religionen miteinander, so dass es, wenn sich Angehörige unterschiedlichen Glaubens vermählen, auch vorkommt, dass einer der Partner konvertiert oder man fortan eben beide Konfessionen praktiziert.

Christentum

Ausgehend von der Zeit der Kolonisation wird die Insel noch heute vom Katholizismus
geprägt. Die aus Afrika stammenden Sklaven mußten in der Regel zum Christentum
konvertieren, einer Konfession die im Laufe der Zeit sehr stark von den Einflüssen
verschiedener Kulturen und dem tropische Umfeld geprägt wurde. Parallele
Glaubensrichtungen, wie beispielsweise die Anhänger der "Mission Salut et Guérisson" oder die Zeugen Jehovahs sind ebenso allgegenwärtig wie religiöse Bräuche und Rituale, die in Legenden und Überlieferungen ihren Ursprung finden. Neben den Ruhestätten der Pfarrer Martin (Les Avirons) und Lafosse (Saint-Louis), die sich nachhaltig für die Abschaffung der Sklaverei eingesetzt haben, erfreuen sich zahlreiche Heiligenstatuen und Kapellen eines wahren Kultes.

Populäre Beispiele sind La Vierge Noire in den Höhen Sainte-Maries, die einst einen
flüchtigen Sklaven vor seinen Häschern beschützt haben soll, La Vierge au Parasol, deren symbolisch über dem Haupte schwebender Schirm dafür Sorge getragen haben soll, dass eine Region im Sü den der Insel vor den drohenden Lavamassen bewahrt wurde, und nicht zuletzt die Kapelle Notre-Dame de la Salette, deren Errichtung man es zuschreibt, dass Saint-Leu einer schrecklichen Choleraepidemie entgehen konnte.

Auffällig sind auch die roten, blumengeschmückten Opferschreine zu Ehren Marias oder
Saint-Expédits, die man überall auf der Insel vorfindet. Wenngleich Herkunft und Status des
Saint-Expédit nicht abschließend geklärt sind und es wohl auf einem Zufall beruht, dass die
Heiligenfigur auf der Insel gelandet ist, erfreut sich Saint-Expédit größter Beliebtheit und steht in dem Ruf, auf Anliegen seiner Anhänger besonders schnell zu reagieren.

Hinduismus

Der hinduistische Glaube hat die Insel zusammen mit den indischen Einwanderern erreicht. In den farbenprächtigen Tempeln wird Göttern wie Vishnu, Brahma, Shiva und Ganesh
gehuldigt. Unter bestimmten Auflagen (zum Beispiel Schuhe ausziehen, keine Fotos, kein
Leder mit sich führen, etc.) sind einige der Gotteshäuser Besuchern zugänglich.
Religiöse Zeremonien finden alljährlich an verschiedenen Orten rund um die Insel statt. Am
spektakulärsten sind der Cavadee, bei dem sich Bußgänger Nadeln durch die Haut stechen und
schwere, blumengeschmükkte Altäre tragen, der Lauf über heiße Kohlen und das Fest der
Lichter, der sogenannte Dipavali.

Islam

Wie der Hinduismus, so gelangte auch der Islam aus dem fernen Indien nach Réunion. Die wegen ihres islamischen Glaubens von den Kreolen "Z'arabes" genannten Einwanderer stammen aus Provinzen im nordwestlichen Teil des Landes, an der Grenze zu Pakistan, zu denen auch heute noch ein reger Kontakt besteht.
Über beinahe allen Gemeinden der Insel schweben schlanke Minarette vorwiegend sunnitischer Moscheen, welche Besuchern außerhalb der Gebetsstunden offenstehen. Insgesamt zeigen sich auf Réunion islamische Gläubige tolerant und offen gegenüber anderen Religionen.

Buddhismus, Taoismus und Guan-Di

Obwohl viele der chinesischen Immigranten zum Christentum übergetreten sind, blieben die
Wurzeln zu ihrem ursprünglichen Glauben bestehen. Die Ausübung gestaltet sich heute sehr
unterschiedlich, verbindend sind aber, neben einigen anderen Zeremonien, das Neujahrsfest,
an dem mit Kanonenschlägen und Feuerwerk die bösen Geister vertrieben werden und die
Feierlichkeiten zu Ehren Guan-Di's, eines legendären Helden, dessen Name für Mut und
Aufrichtigkeit steht.

Chinesische Pagoden findet man in Saint-Denis und Saint-Pierre.

Hexenzauber und Aberglauben

Früchte, Bananenblätter, Blumen und Gewürze mitten auf einer stark frequentierten
Kreuzung? Wer beim Anblick dieses tropischen Cocktails annimmt, die weggeworfenen Reste
eines abendlichen Büfetts vor sich zu haben, irrt. Wenngleich Anleihen des Hinduismus zu
finden sind, handelt es sich hierbei um einen der unzähligen spiritistischen Bräuche, die von Angehörigen verschiedener Glaubensrichtungen praktiziert werden. Einheimische warnen
davor, solche Zusammenstellungen zu berühren oder gar durcheinander zu bringen, möchte
man sich nicht dem Risiko aussetzten, mit einem Fluch behaftet zu werden.

Auf Réunion lebt jeder seine eigene Art von Glauben aus, wobei der Übergang zwischen
traditioneller Religion und spiritistischer Vorstellung fließend ist und vom frommen Wunsch
am Schrein des Saint-Expédit bis zur schwarzen Messe reicht. Nun sind nächtliche Rituale, bei denen mit Hilfe von Opfergaben die Geister des des Piraten La Buse (siehe S.78) oder des Massenmörders Sitarane (siehe S.111) beschworen werden, nicht jedermanns Sache, einem
gewissen Hang zum Aberglauben kann auf Réunion allerdings niemand entsagen. Verlorene
Seelen, Hexerei (sorcellerie), böse Geister und Flüche sind allgegenwärtig, und wehe dem, der sich nicht davor in acht nimmt.