Franko- und Anglokanadier
DIE QUEBEC-FRAGE
Franko- und Anglokanadier
Die Frankokanadier entgingen der Desintegration ihres sozialen Umfeldes, da viele unter ihnen in ganzen Familienverbänden oder gleich dorfweise aus Frankreich auswanderten. Unter den extremen klimatischen Verhältnissen konnte man nur durch Zusammenhalt überleben, und es bildete sich bald eine homogene Gruppe, aus der eine eigene Mentalität erwuchs. In diesem Zusammenhang ist es interessant, die Rolle einer Quebec eigenen Institution genauer zu beleuchten: des Rang, eine Siedlungsform auf dem Land. Als sich die Quebecois ansiedelten, errichteten sie überall ihre Häuser auf engem Raum in einer Reihe entlang eines Flusses oder einer Straße. Dann teilten sie ihre Parzellen vor und hinter dem Haus auf, quer zu Fluß oder Straße. Jedes Grundstück war also länglich geschnitten und jeder Bewohner konnte im Notfall schnell Hilfe beim Nachbarn holen. Diese Siedlungsform des »Rang« stärkte Solidarität und einheitliches Erscheinungsbild in den Dörfern, im Gegensatz zur Besiedlung im Westen Nordamerikas, die oft isoliert und individualistisch vor sich ging.
Alsbald war der Pfarrer für alle Belange im Dorf zuständig. Die Kirche kümmerte sich um die Verwaltung, die Schule und um alle das soziale Leben betreffende Bereiche.
Darüberhinaus knüpfte der Frankokanadier, anders als die anglokanadische Seite, angeblich freundschaftliche Beziehungen zu den indianischen Stämmen und pflegte eine gute Nachbarschaft. Womöglich haben die Indianer den Frankokanadiern, auch wenn kein richtiger kultureller Austausch stattgefunden haben dürfte, ihre Freiheitsliebe und die Achtung vor der Natur vermittelt. Es ist also anzunehmen, dass die Frankokanadier zum Zeitpunkt des Pariser Friedens (1763), der das kanadische »Neu-Frankreich« England übereignet, bereits ihre spezifischen Eigenschaften, ihre eigene Sozialstruktur, entwickelt haben und dass ihnen dieser Umstand dazu verhelfen würde, zwei Jahrhunderte lang unter Wahrung ihrer Identität als Untertanen der britischen Krone zu überleben.
Der französische Seefahrer Louis Antoine Bougainville, 1756 Adjutant im Lager des französischen Oberbefehlshabers; Montcalm, formulierte es so: »Der Kanadier ist groß, stolz, zuvorkommend, freundlich, aufrichtig und faul in Sachen Bodenbestellung. Er konsumiert äußerst viel Schnaps und liebt es, früh morgens zur Jagd zu gehen ... Trotz mangelnder Erziehung, muß man darin übereinkommen, dass er Geist hat, mit Leichtigkeit spricht und sehr viel aus der Sprache der Wilden übernommen hat. Es scheint, dass er einer anderen Nation angehört ...«.
Die französische Elite, also Händler und Angehörige der Verwaltung, quartierten sich übrigens in den Städten ein. Sie waren auch die ersten, die 1763 ihre Koffer packten. Nur die Dorfverbände mit ihren allmächtigen Pfarrern an der Spitze ließen sie zurück. Der Landbevölkerung diente die Religion als Klammer; sie bewahrte sich auf diese Weise ihr kulturelles Erbe, ihre Sprache, ihr Brauchtum, was den Zusammenhalt und die Kontaktfreude unter den Frankokanadiern erklärt.
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