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Indianer und Inuits

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GESCHICHTE UND GESELLSCHAFT

Die eigentlichen Kanadier: Indianer und Inuits (Eskimos)

Der »große Bruder« USA ist in der Wirtschaftsgeschichte des Landes allgegenwärtig. Kanada litt daher auch unter der Weltwirtschaftskrise und den Wechselspielen der amerikanischen Finanzwirtschaft. Auch wenn jede Bevölkerungsgruppe in Kanada ihre eigene Identität pflegt, so ist der US-amerikanische Einfluß doch übermächtig. Fastfoodtempel, Coca-Cola und Verlockungen des »American Way of life« sind an jeder Straßenecke zu finden. Bei den Frankokanadiern war der Einfluß des »American Dream« bereits in den zwanziger Jahren derart groß, dass manche Eltern ihren Sprößlingen den Kinobesuch untersagten! Der amerikanische Kulturimperialismus zeitigte für die Indianer und Eskimos aber noch verheerendere Folgen, da er einen bereits vorhandenen kulturellen Konflikt weiter verschärfte. Für die kanadischen Ureinwohner waren die fünfziger und sechziger Jahre besonders schwer. Seither zeichnet sich zwar ein Bewußtseinswandel ab (siehe unsere Ausführungen im Kapitel »Die anderen Wilden«), doch ähnlich wie in den Vereinigten Staaten sind die gesellschaftlichen Folgen unübersehbar: Alkoholismus, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Fehlernährung und erhebliche Schwierigkeiten, wenn es darum geht, das harmonische Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien zu gewährleisten. Symptomatisch dafür ist z.B., dass Indianer und Inuits erst 1960 das Wahlrecht erhielten.

Indianer und Inuits machen eine halbe Million der kanadischen Gesamtbevölkerung aus. Die Mehrheit bewohnt die Northwest-Territories und Yukon, die bis heute nicht den vollen Provinzstatus erhalten haben. Während es im 18. Jahrhundert noch 81.000 Inuits gab, sind heute kaum noch 27.000 übriggeblieben, welche die von Europäern eingeschleppten Krankheiten und Gefahren der Neuen Welt überlebt haben. Ihr Territorium nennen sie Nunavut, übersetzt soviel wie »unsere Erde«.

Obwohl ein Großteil unter ihnen seit den fünfziger Jahren von der Regierung in dörflichen Gemeinschaften untergebracht wurde, ziehen einige Inuits das herkömmliche Iglu vor. Besser gegen die Kälte isoliert als Steinhäuser, stehen die Iglus oft durch unterirdische Gänge miteinander in Verbindung. Die Caribou-Inuits praktizieren die Doppelehe, d.h. dass zwei Paare ihre Partner untereinander austauschen. Die Lebensbedingungen in der Arktis lassen Solidaritätsbekundungen wichtig, wenn nicht sogar lebenswichtig werden; diese Gesellschaftsform festigt die Verbindung zwischen zwei Familien und sichert so beständigere Bündnisse. Das Bild zweier Inuits, die sich küssen, indem sie ihre Nasen aneinanderreiben, entspricht vollkommen der Realität und hat einen ganz einfachen Grund: ihre Lippen würden bei einem Lippenkuß aneinanderpappen, da der Speichel bei solchen Temperaturen sofort zu Eis gefröre, was ihnen Qualen bescherte und uns immerhin eindrucksvolle Konjunktive. Das Aufeinanderprallen überkommener Werte und der Lebensbedingungen in modernen Industriegesellschaften ist nirgendwo so stark ausgeprägt wie in der westlichen subarktischen Region. Zwanzig Indianerstämme haben sich dort zusammengefunden, um die Dene-Nation zu gründen. Gemeinsam mit der »Mestizen-Vereinigung« - Nachfahren aus Verbindungen französischer Pelzhändler mit Indianerinnen - kämpft sie gegen die Öl- und Erdgasgesellschaften bzw. für den Schutz ihrer territorialen, ihrer Jagd- und Angelrechte sowie ihrer kulturellen Identität. Die kanadischen Ureinwohner mögen Motorschlitten und Autos lenken, westliche Kleidung tragen und Englisch sprechen: die Mitglieder der Dene-Nation sind der Ansicht, dass die Preise für Öl, Erdgas und andere Rohstoffe, auf denen ihre Wirtschaft beruht, genauso heikel sind wie diejenigen für Pelze. Jedes Übermaß muß wirtschaftlich schädliche Auswirkungen haben. Der Wal etwa war, neben anderen Meerestierarten der Arktis, die Basis für die Kultur dieser Völker und versorgte sie mit Öl, Fleisch und Knochen. Mit der Massenabschlachtung durch japanische und westliche Walfängerflotten fiel diese Lebensgrundlage weg, und seit Jahrzehnten ist der Schutz dieser Meeressäuger zu einem Muß geworden.

Die kanadischen Naturvölker werden bis auf den heutigen Tag immer wieder Opfer der (über?)-entwickelten Industriegesellschaften. Jenseits des finanziellen Aspekts - d.h. einem höheren Anteil an den Gewinnen aus der Ölförderung, dem Abbau von Uran und anderen Rohstoffen, die auf jenem Gebiet gefunden wurden, das ihnen Ende des 19. Jahrhunderts »geschenkt« wurde, als man noch nicht mit solchen Reichtümern in diesen Klimazonen rechnete - richtet sich der Kampf der Inuits auf die Wiederherstellung ihrer Kultur bis in Details: so verlangen sie etwa ganz zurecht, dass die Zielorte aller Flüge in ihr Gebiet in ihrer Sprache angegeben werden.



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