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Franzosen in Kanada Teil 1

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GESCHICHTE UND GESELLSCHAFT

Franzosen in Kanada Teil 1

Es war einmal ... Französisch-Amerika

Der französische Staatsmann und Kardinal Richelieu gründete, die Politik der Engländer in deren Kolonien nachahmend, die »Handelsgesellschaft der hundert Teilhaber«. Fünfzehn Jahre lang hatte diese »Compagnie des Cent-Associés« von 1629 an das Handelsmonopol in der gesamten Sankt-Lorenz-Tiefebene inne und führte ihre Produkte steuerfrei ins Mutterland Frankreich ein. Im Austausch dafür verbürgte sich die Handelsgesellschaft, jährlich dreihundert - ausschließlich katholische! - Siedler nach »Neu-Frankreich« zu bringen und jede Siedlung mit drei Priestern zu versehen. Kanada entwickelte sich rasch zum bevorzugten Ziel französischer Missionare, und diese wurden zum beliebtesten Ziel für die Pfeile der Indianer!

Die französische Kolonisation brachte jedoch auf dem Handelssektor nicht das ein, was man sich von ihr erhofft hatte. Die »Compagnie« ging ihrem Ruin entgegen, und über dreißig Jahre nach ihrer Gründung zählte man nur zweitausend französische Seelen, die sich in der unendlichen nordamerikanischen Weite verloren. Die Gründe für dieses Scheitern sind einmal dem rauhen Klima, aber auch dem Umstand zuzuschreiben, dass die französischen Katholiken, anders als die britischen Siedler - die sich mehrheitlich aus Quäkern und Puritanern zusammensetzten und in ihrem Ursprungsland nicht gern gesehen waren - in ihrer Heimat nicht verfolgt wurden. Der Reiz, Frankreich zu verlassen, beruhte also nur auf der vagen Hoffnung, in Kanada reich zu werden. Darüberhinaus ermutigte die politische Führung in Frankreich nicht zu einem solchen Schritt, eher im Gegenteil ... Colbert etwa erklärte, »es sei nicht ratsam, das Königreich zu entvölkern, um Kanada zu bevölkern.« Im Jahre 1663 löste Ludwig XIV. die Handelsgesellschaft wieder auf und Neu-Frankreich wurde zu einer königlichen Provinz, die von einem Gouverneur und einem hohen Verwaltungsbeamten (»intendant«) nach dem Vorbild der Provinzen im Mutterland verwaltet wurde.

Die Antwort Großbritanniens

Die Franzosen sind freilich nicht die einzigen, die sich für die Neue Welt begeistern: der Intimfeind England mischt ebenfalls kräftig mit. Zwei Jahre nach dem Franzosen Samuel de Champlain - er kartographierte 1603 den Sankt-Lorenz-Strom, hielt die Großen Seen irrtümlich für das Chinesische Meer, sandte begeisterte Berichte nach Frankreich und gründete 1608 die Siedlung Quebec - stoppt der englische Seefahrer Henry Hudson vor einer riesigen Bucht begeistert sein Schiff, blickt nach rechts, blickt nach links, stellt fest, dass weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist und tauft besagte Bucht auf seinem Namen, nämlich Hudson Bay. Auch er ist davon überzeugt, die berüchtigte »Passage« nach China gefunden zu haben, eine Manie zu dieser Zeit! Das Abenteurerdasein muß allerdings bisweilen hart bezahlt werden. Das Jahr 1611 wird Hudson zum Verhängnis: seine Besatzung meutert und setzt ihn mir nichts dir nichts in einem Boot, inmitten des Eismeeres, aus! Hudson läßt auf diese Weise sein Leben und seinen Namen in jener Bucht zurück. Auch als in London 1670 eine Handelsgesellschaft gegründet wird, greift man auf den Namen Hudson zurück: die »Hudson´s Bay Company«. Eine Privatgesellschaft erhält das Recht, auf allen Zuflüssen der Bucht Pelzhandel zu betreiben und zum Schutz ihrer Belange Männer an den Waffen auszubilden.

Ansonsten bereiten den Engländern die, wenn auch spärlichen, französischen Siedlungen entlang des Sankt-Lorenz-Stroms und in den eroberten Territorien ernsthafte Sorgen. Beherrscher der Küste und der heutigen Vereinigten Staaten, fürchten sie, von der Mitte aus vertrieben zu werden. Die Franzosen hatten sich bereits einen Weg vom Sankt-Lorenz-Strom bis zum Golf von Mexiko gebahnt, und die Engländer erkannten die Möglichkeiten, die sich aus einer solchen Lage ergaben, gewiß sehr viel besser als der französische König. Da die englischen Kolonien jedoch eigenständig waren und nur ihre eigenen Belange verfolgten, konnte die britische Krone sicher sein, dass sie im Falle eines Kampfes gegen die Franzosen nicht auf sie zählen konnte. Die Franzosen hingegen waren ihrer Krone treu, da sie im Namen des Königs in die Kolonien aufgebrochen waren.

Um eine eventuell bevorstehende Inbesitznahme des nordamerikanischen Kontinents durch die verhaßten Franzosen zu verhindern, griffen die Engländer von Norden her an. Sir William Phibs, der 1690 in Boston aufgebrochen war, eroberte Akadien, das fortan Nova-Scotia (Neuschottland) heißen sollte. Daraufhin segelte er an der Spitze einer winzigen Flotte, in der sogar einfache Fischerboote mit von der Partie waren, den Sankt-Lorenz stromaufwärts, um die Herausgabe der Stadt Quebec zu erzwingen. Der Gouverneur Louis de Buade, Graf von Fontenac, gab jedoch nicht auf. Phibs griff an und verlor die Schlacht ... Trotz dieses Sieges und des unverkennbaren Vorteils auf dem geographischen Schachbrett, war der Niedergang der französischen Kolonialherrlichkeit in Nordamerika nahe. Was konnten 70.000 Franzosen schon gegen 1,5 Millionen, im Süden angesiedelte, Engländer ausrichten? Erschwerend hinzu kam, dass Ludwig XIV. vollauf mit dem Kampf um die Herrschaft in Europa beschäftigt war und seine Untertanen wenig Begeisterung zeigten, ihre Haut nach Kanada zu tragen ...

Frankreichs Rückzug

Der Frieden von Utrecht, der den spanischen Erbfolgekrieg (1700-1713) beendete, gab den Engländern die Gelegenheit, den Franzosen das Eingeständnis ihrer gescheiterten Kolonialpolitik in Nordamerika abzuverlangen. Mit dem Vertrag trat Frankreich die Hudson Bay, Neufundland und Nova-Scotia (Neuschottland) an England ab. 1755 beschließen dann die nimmersatten Briten, die französischsprachigen Bewohner Nova-Scotias - die »Akadier« - von dort zu vertreiben. Die Frankokanadier sprechen in diesem Zusammenhang vom »Grand Dérangement«. Viele Akadier werden verschleppt, andere fliehen nach Louisiana oder kehren nach Frankreich zurück, wo sie die Belle-Ile bevölkern.

Dieses Ereignis wirkt sich auf den Ausbruch des siebenjährigen Krieges aus - in Kanada spricht man vom »French and Indian War« - in dessen Verlauf sich die Überlegenheit der englischen Flotte als entscheidend herausstellen sollte. Die Engländer sind mit den Irokesen, die Franzosen mit den Huronen verbündet. 1759 wird die von Montcalm angeführte französische Armee in Quebec geschlagen, und Frankreich verliert all seine kanadischen und den größten Teil seiner indischen Besitzungen, bis auf die Insel Saint-Pierre-et-Miquelon als Trostpflaster (Friedensvertrag von Paris 1763).

Nach einhundertfünfzigjähriger Besiedlung eines unwirtlichen Landes mußte »Neu-Frankreich« also aufgegeben werden. Die französische Armee kehrt, nachdem sie alle Brücken hinter sich abgebrochen hat, nach Frankreich zurück und mit ihr fast alle Würdenträger und Kaufleute der Kolonie. Zurück bleibt der größere Anteil der, nun den Engländern schutzlos ausgesetzten, ärmeren Franzosen, die natürlich den größeren Bevölkerungsteil ausmachten.

Die britischen Siedler zieht es jedoch nicht so sehr in den Winter Quebecs, und der neue Gouverneur James Murray muß sich mit den Franzosen, die er wegen ihres Mutes bewundert, arrangieren, um Spannungen in den ehemals französischen Provinzen zu mildern. Die »Quebec-Akte« (Quebec Act) führt 1774 die Vorrechte, darunter den Zehnten, des katholischen Klerus wieder ein, obwohl die offizielle Landeskirche anglikanisch ist. Außerdem gilt das französische Zivilrecht, der »Code Civil«, weiter, während in den übrigen Provinzen das englische »Common Law« angewendet wird - die Gesetze des englischen Zivilrechts beruhen auf der Rechtstraditon (germanisches Fallrecht), stützen sich auf Präzedenzfälle und liegen vielfach nicht in schriftlicher Form vor!; Im Regierungsrat sind auch Sitze für die Frankokanadier vorgesehen.



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