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Jagdrevier für einige wenige

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Jagdrevier für einige wenige

Das Wohl des schottischen Hochlands liegt nicht in überstiegener Industrialisierung.
Damit die Highlands leben, muß vor allem die Erde befreit, von Blutsaugern
gereinigt und dem Menschen zurückgegeben werden. Den Verhältnissen
entsprechend grassiert dort die Latifundienwirtschaft genauso wie in der südamerikanischen
Pampa: hundertvierzig Einzelbesitzer oder Gesellschaften halten die Hälfte
der Fläche in den Highlands in ihrer Hand; sechsundfünfzig von ihnen
regieren über ein Drittel der Region; zehn nehmen ein Achtel für
sich in Anspruch. An der Spitze dieser Großgrundbesitzer steht der Herzog
von Buccleugh
(120.000 Hektar), gefolgt von den Wills (Tabakgroßhändler),
Lord Seafield, der Gräfin von Sutherland, usw. Der Herzog
von Argyll
, Nachfahre der Campbells von Argyll, jenen erstaunlichen Landerwerbern,
muß sich mit einem verhältnismäßig bescheidenen Landbesitz
von 35.000 Hektar zufriedengeben und ist soweit heruntergekommen, dass
er bei den Campbells in der ganzen Welt um eine wohltätige Gabe bettelte,
um sein 1972 bei einem Brand verwüstetes Schloß in Inveraray zu
restaurieren. Sofort nach Veröffentlichung dieser Zahlen im Jahre 1977
verfaßte die SNP ein Manifest, in dem eine offizielle Bestandsaufnahme
aller nicht in Wert gesetzten Ländereien gefordert wird, mit der Absicht,
ihre Besitzer durch strenge Steuermaßnahmen zum Verkauf anzuhalten.
Ferner über den Verkauf riesiger Landgüter an deutsche, schweizerische,
niederländische und saudiarabische Gesellschaften beunruhigt, schlagen
die Nationalisten vor, dass ausschließlich Firmen, die mindestens
zu achtzig Prozent von schottischen Aktionären besessen werden, als Käufer
kaledonischen Landes auftreten dürfen.

Bis jetzt hütete sich das Development Board streng, die Kaste
der Großgrundbesitzer vor den Kopf zu stoßen. Ein Beispiel unter
vielen: im Jahr 1961 kaufte ein Londoner Geschäftsmann dem schottischen
Ministerium für Landwirtschaft und Fischfang für ein Butterbrot
die besten Landstücke auf der kleinen Insel Raasay ab, östlich der
Insel Skye. Anschließend verlor er das Interesse an seinem Landbesitz,
und zwar so beträchtlich, dass in den folgenden fünfzehn Jahren
die Hälfte der dreihundert Einwohner ihr Glück woanders suchen mußte.
Es kam noch ärger, denn er weigerte sich, der Grafschaft Inverness den
halben Hektar zu verkaufen, der unverzichtbar war für den Bau einer für
die Insel lebenswichtigen Landungsbrücke. Kein Problem, wird mancher
sagen, das Board bräuchte diesen absentee landlord, doch
nur, wozu es das Gesetz ermächtigt, zu enteignen, diesen Prototyp des
ständig abwesenden Grundbesitzers, unter denen die Highlands in den letzten
zweihundert Jahren so gelitten haben. Nichts dergleichen! Acht Jahre lang
besaß er den Takt, wegen dieses unglückseligen Morgen Lands zu
verhandeln. Als man sich endlich zur Enteignung entschloß, hatte die
Geldentwertung den Landungssteg längst unerschwinglich werden lassen.

Wenn diese ausgedehnten Landgüter doch wenigstens nur in Wert gesetzt
würden! Seit einem Jahrhundert dienen sie nur als Tummelplatz für
die Reichen der westlichen Welt, die sich zu horrenden Preisen um das Recht
reißen, dorthin zu kommen, um Forellen und Lachse nachzustellen, oder
– noch exklusiver! – das Recht, dort schottische Moorhühner, Schneehühner,
Damhirsche, Hirsche und Rehe abzuschlachten. Die Hochlandjagd – Mitte des
vorigen Jahrhunderts durch Viktoria und Albert in Gang gebracht, die sich
das im »schottischen Baronenstil« gehaltene Schloß Balmoral im oberen
Tal des Dee geleistet hatten – wurde bald zur Pflichtveranstaltung für
denjenigen, dem nach dem internationalen Adelskalender verlangte. Sie bleibt
ein must für denjenigen, der sich als Mitglied des jet-set
versteht. Die Großgrundbesitzer spürten recht schnell, dass
sich aus dieser übertriebenen Begeisterung Nutzen ziehen ließ,
noch rentabler, als der Schafzuchtboom. Die Folge davon ist, dass es
nicht weniger als zweihunderttausend Hirsche durch die schottische Heidelandschaft
irren, doppelt soviele wie Schafe und hundertmal soviele wie Rinder! Als Konsequenz
werden nur sieben Prozent der Nutzflächen (zwei Prozent in Sutherland!)
bearbeitet, was der Hälfte des landwirtschaftlichen Potentials in den
Highlands entspricht. Berechnungen zufolge trugen die den auserlesenen Gewehren
vorbehaltenen verödeten Landstriche jahraus jahrein das lächerliche
Ergebnis von fünf bis sechs Kilogramm Wild pro Hektar ein.

Diese weitläufigen Flächen sind jedoch nicht unweigerlich zur Brache
verurteilt. Die überraschende Bestätigung dafür erfuhr ich
an einem dieser frühen Herbstmorgen, wie man sie nur noch in meernahen
Gegenden erleben kann, wenn ein jäher Windstoß heimlich einige
Sekunden lang die berührbare Nebelhaube lüftet, die schon seit Stunden
droht, Sie zu erdrücken: flüchtige Enthüllung einer beunruhigenden
Kulisse aus Pappmaché, dorthin gestellt ohne Vergangenheit und Abstand,
ohne Hintergrund und Perspektive, das Auftauchen eines Jenseits, das kaum
gesichtet, sich bereits wieder verbirgt, so als wolle es Ihnen besser die
Stirn bieten. Ich war gerade mit diesen metaphysischen Betrachtungen beschäftigt,
irgendwo auf einem der violetten Hänge des Ben Cairngorm, als eine plötzliche
Aufheiterung mir nur zwei Schritte weiter die ängstlichen Umrisse mehrere
Rentiere enthüllte, einer Hirschart, die schon in der Antike vor der
kaledonischen Hitze feige geflüchtet sein soll, um Zuflucht zu nehmen
zu den weichen Rauhreifnebeln Skandinaviens. »Verflucht, sagte ich zur mir
selbst, bin ich jetzt auf einmal in Lappland? Das ist ja noch stärkerer
Tobak als die Gänse von Nils Holgerson. Das wird mich künftig davor
bewahren, einen puren malt Whisky mit ordinärem blended
zu verschneiden!«

Kaum hatte ich einen vorsichtigen Rückzug begonnen – erst Rentiere,
und dann Eisbären? – als ich plötzlich von Angesicht zu Angesicht
einem echten Lappen aus Schweden gegenüberstand, der versuchte, mich
zu beruhigen: nachdem beobachtet worden war, dass die Vegetationsdecke
der Highlands mit der Skandinaviens verwandt ist, hatte ihn ein Verantwortlicher
des Boards gebeten zu versuchen, ob das Rentier nicht wieder in den
Cairngorms heimisch gemacht werden könne. Ein voller Erfolg: Mikel Utsi
kam 1966 mit über zwanzig Stück an und besitzte inzwischen ... unendlich
viel mehr Tiere. Einen Lappen zu bitten, die Größe seiner Herde
preiszugeben, ist genauso erfolgversprechend wie jemanden aus Aberdeen zu
bitten, sein Sparbuch zu offenbaren. Er sah bereits bens und glens
zu neuem Leben erwacht durch Tausende von schüchternen nordischen Hirschen,
die Leder, Häute, Milch, Steaks und Arbeitsplätze liefern, ohne
dabei im Gegensatz zu den plündernden Hirschen weder die Wiederaufforstung
noch die Versuchskulturen anzugreifen. Ach! Nachdem sie höflich dem Experiment
des Schweden Beifall gespendet hatten, stellten sich die bedeutenden lairds
gegen seine Ausweitung: wer zur Rentierjagd geht, verliert seinen Platz im
Adelskalender der Nemrods.