Zentralschottland
Eisengießereien
Carron, Stirling*
Nationaltracht
Rasch ging es vorwärts auf ebenem Wege, durch ein schön kultiviertes, nicht sehr bergiges Land. Bald erblickten wir von weitem viele große Gebäude, mit abenteuerlichen, hohen Schornsteinen. Dicke schwarze Rauchwolken stiegen aus diesen empor und wälzten sich verfinsternd über die blühende Gegend; hoch aufsprühende Flammen blitzten aus dem Dampfe gen Himmel.
Es waren die berühmten Eisengießereien von Carron, denen wir uns nahten, vielleicht die größten in aller Welt. Hier werden Kanonen, Mörser, große Kessel und alles mögliche Eisenwerk gegossen. Seit einigen Jahren wird Fremden der Eintritt in diese Kyklopenwohnung nicht mehr gestattet, auch uns ward er verweigert. Wir waren eben nicht unzufrieden darüber, denn auf Reisen sieht man manches, weil man einmal da ist, ohne Freude und Anteil, aus einer Art von Pflichtgefühl, und wäre zuweilen gern der Mühe überhoben. Das ganze hat hier, bei aller ungeheuren Größe, dennoch wenig Einladendes. Der Steinkohlendampf versetzte uns den Atem, betäubendes Getöse und Gehämmer erscholl aus dem Innern der Gebäude; ewige Dämmerung herrscht in diesen Rauchwolken, die weit und breit mit Asche und Ruß Bäume und Pflanzen bedecken und die Vegetation ins Gewand der Trauer hüllen.
Nicht weit von Carron sahen wir einen großen Kanal, der die beiden Ströme Clyde und Forth verbindet und für den inneren Handel von unbeschreiblichem Nutzen ist. Gegen Abend erreichten wir Stirling.
Diese ziemlich große, lebhafte Stadt wird schon zu den Hochlanden gerechnet. Jetzt war sie voller Soldaten, und Straßen und Häuser umso lebendiger. Ihre Lage am Fuße eines hohen Felsen ist sehr schön. Einige Straßen führen gerade den Fels hinauf, auf dessen höchstem Gipfel ein altes Schloß thront. Jetzt ist es zum Teil zu Kasernen, zum Teil zu Offizierswohnungen eingerichtet.
Von der Terrasse vor dem Schlosse genossen wir einer wunderschönen Aussicht. Ein breites, fruchtbares Tal lag vor uns in aller Pracht der höchsten Kultur, der üppigsten Vegetation, mit einzelnen Wohnungen, Dörfern, stattlichen Bäumen wie besät. In den mannigfaltigsten Krümmungen windet der Fluß Forth sich durch die lachende Gegend; bald geht er vorwärts, bald kehrt er auf lange Strecken zurück und schleicht dann wieder zögernd weiter, als sträube er sich, dies Paradies zu verlassen. Eine schöne, steinerne Brücke, dicht vor der zu unseren Füßen liegenden Stadt, macht die Landschaft noch malerischer. In der Ferne sieht man die Rauchwolken von Carron wie aus einem Vulkan emporsteigen. Schöne blaudämmernde Berge schließen von zwei Seiten die Perspektive, geradeaus ist sie unbegrenzt.
Stirling besitzt viele Fabriken, sehr schöne Teppiche aller Art werden hier gemacht; auch das vielfarbige, gewürfelte Wollenzeuch, worin die Bergschotten sich kleiden. Wir besahen eine dieser Fabriken und waren aufs neue gezwungen, den erfindungsreichen Geist zu bewundern, welcher in diesem Lande alle Arbeiten auf so mannigfaltige Weise vereinfacht und erleichtert. Als zuvor noch nie gesehen bemerkten wir hier eine Maschine, mit welcher ein Mädchen mehr als fünfzig Spulen Wolle zugleich abhaspelte. Die Spulen waren in einem großen Zirkel nebeneinander befestigt, und der Faden jeder dieser Spulen an die darüber stehende sehr große Haspel gebunden; das Mädchen setzte mittelst eines Rades die sehr einfache Maschine auf das zweckmäßigste und mit der größten Leichtigkeit in Bewegung.
Auch die Hunde werden hier zur Industrie gezwungen. Wir sahen einen sehr schönen großen Hund, welcher in einem Rade herumsteigen mußte, wie ein Eichhörnchen, um eine Mühle zur Reibung der Farben zu treiben. Diese Arbeit schien ihn aber nicht sonderlich zu amüsieren, er nahm seinen Augenblick wahr und entwischte mit unglaublicher Behendigkeit, gerade wie er uns seine Künste vormachen mußte. Jung und alt lief mit großem Geschrei hinter ihm her, aber er entkam glücklich seinen Verfolgern zu unserer großen Freude und zum großen Leidwesen seines Herrn.
In Edinburgh wird die Nationaltracht der Bergschotten weit weniger gesehen als hier in Stirling, wo dieses schon sehr häufig der Fall ist. Die Männer tragen enge, blaue Mützen, oben mit einer roten Quaste, bisweilen auch mit einer Feder geziert, mit einem Aufschlage von rot und weiß gewürfeltem Zeuch; eine ziemlich lange Jacke und darunter ein nicht ganz bis zu den Knien reichendes, sehr faltenreiches Röckchen oder Schurz von dem bekannten, bunt gewürfelten, schottischen wollenen Zeuche. Ein Gürtel, in welchem oft eine Art von Dolch steckt, befestigt diesen Schurz um die Hüften; auch hängt ein lederner, mit Troddeln gezierter Beutel daran, in welchem die Schotten Tabak und Geld verwahren. Ihre Fußbekleidung besteht in rot und weiß gewürfelten, unten mit einer starken ledernen Sohle versehenen Strümpfen, welche auch nur bis etwa über die Hälfte der Wade reichen; von da an bis über das Knie sind die Beine ganz bloß. Diese Fußbekleidung gibt den Schotten etwas sehr Fremdartiges; sie sehen damit aus wie die römischen Soldaten in der Oper, und die roten Streifen in den Strümpfen haben das Ansehen von übergeschnürten roten Bändern.