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Devolution: Dezentralisierung auf Britisch

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»Devolution«: Dezentralisierung auf Britisch

Keine der beiden großen britischen Parteien kann tatenlos dabei zusehen,
wie Schottland einen »unabhängigen Status« erreicht. Die Konservativen
gelten als entschiedene Anhänger der Union, nach dem Muster des Großunternehmertums
und der multinationalen Konzerne. Kürzlich noch Autonomisten, haben die
Vertreter der Labourpartei nun die Farben gewechselt. Und das nicht ohne Grund:
England ist den Konservativen ergeben. Mehrmals hatte es die Labourpartei
der Unterstützung durch schottische und walisische Wahlkreise zu verdanken,
dass sie aus Unterhauswahlen als Halterin der Mehrheit hervorging. Als
sie spürte, dass die früheren Hochburgen ihr entglitten, stürzte
sich Harold Wilsons Partei von 1974 an in ein äußerst zynisches
Unterfangen, um Stimmen zurückzugewinnen: genug Konzessionen machen,
damit die Schotten die SNP im Stich lassen, ohne ihnen jedoch die politische
oder finanzielle Autonomie zu gewähren.

Daher auch das devolution-Projekt (Dezentralisierung der Staatsgewalt),
vom Parlament 1978 nach einer Reihe von Metamorphosen verabschiedet, die eher
auf Machiavellismus und Streitigkeiten im Inneren der Arbeiterpartei zurückzuführen
sind, als auf eine klare und rationale Absicht, das Funktionieren der britischen
Institutionen zu verbessern. Als wenig anziehende Mischung aus verfälschtem
Föderalismus und schlecht verdautem Jakobinertum sollte die devolution
eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Versammlung und eine schottische
Exekutive einführen, ausgestattet mit nicht unerheblicher Macht in den
Bereichen Gesundheit, Sozialwesen, Wohnungsbau, Umwelt, Verkehr und Erziehung
– die Universitäten ausgenommen. Über Diplomatie und Armee hinaus,
blieben Industrie, Handel und Finanzen jedoch Sache Londons. Das schottische
Parlament durfte nicht die geringste Steuer erheben, noch nicht einmal auf
Erdöl. Schlimmer noch: seine Entscheidungen mußten dem Schottland-Minister
unterbreitet werden, den einige von da an mit »Gouverneur« oder »Vizekönig«
titulierten, und der sein Veto einlegen konnte, wenn er sie als gegen die
Interessen des Vereinigten Königreichs gerichtet erachtete! Es verwundert
unter diesen Umständen kaum, dass selbst die gemäßigten
Verfechter einer Autonomie, wie die Kirche von Schottland und der Scottish
Trades Union Congress
, die Zentrale der schottischen Gewerkschaften, diese
Scheinemanzipation als »Beleidigung für die Würde des schottischen
Volkes« empfanden – was sie indes nicht daran hinderte, eine Kampagne für
das Ja zum Volksentscheid im März 1979 in die Wege zu leiten, bei dem
Schotten und Waliser die devolution billigen oder ablehnen sollten,
die ihnen die Regierung von oben herab anbot. Die verwirrenden Ergebnisse
entsprachen der Albernheit des Vorhabens und der schwach inszenierten Kampagne,
denn Schottland spaltete sich in drei ungefähr gleich starke Lager: 33%
mit Ja, 31% mit Nein, 36% Enthaltungen).

Ob die Ja-Stimmen wirklich für die Dezentralisierung waren oder für
die Unabhängigkeit, die Neinstimmen dagegen oder für eine besser
ausgearbeitete Gesetzgebung und die Anhänger des »ja, aber«, des »nein,
aber« gleichgültig, angewidert oder von höherer Intelligenz – wer
hätte das zu behaupten vermocht. Ein um so peinlicheres Ergebnis, als
aufgrund eines im House of Commons (Unterhaus) beschlossenen, niederträchtigen
Zusatzes 40% der Wahlberechtigten – und nicht der tatsächlichen Wähler!
– für das Gesetz stimmen mußten, damit es in Kraft treten konnte.
Folgerichtig wurde der Devolution Act von 1978 niemals verkündet,
obgleich ihn nahezu 52% der schottischen Wähler begrüßten.