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Fussball

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Verrückt nach Fußball

Abgesehen von der Kneipe treffen sich die Männer auch gerne in einer
anderen Höhle, in deren Inneres sich nur wenige Eindringlinge wagen:
im Fußballstadtion. Mit seinen jeweils über hunderttausend Zuschauer
platzbietenden drei Stadien Hampden, Ibrox und Celtic Park, deren Kapazität
in letzter Zeit aus Sicherheitsgründen verringert wurde, hält Glasgow
mit weitem Abstand den Weltrekord in dieser Kategorie. Sie ist auch die erste
Stadt der Welt, in der bereits vor 1914 der Fußball zum Massenereignis
wurde. Der Glasgower ist fitba´ daft, fußballverrückt. Schnörkel
verachtend schätzt er vor allem körperlichen und moralischen Einsatz.
Auf dem Rasen äußert sich das durch eine schnelle, muntere und
»männliche« Spielweise, die – dank der recht keltischen Kunststücke,
die ziemlich kleine, quirlige Spieler, wie Bremner, Gemmill und Johnstone
um ihre Gegner herum vollführen – weniger schwerfällig ausfällt
als der englische Fußball (der sich dadurch rächt, dass er
die besten schottischen Kicker kauft), aber genauso stereotyp ist. Auf den
Rängen macht sich das dagegen durch eine ständige Kakophonie aus
Hymnen, Schlachtrufen, Klappern, Schmähungen und Triumphgeheul bemerkbar,
wobei das Ganze dann im gefürchteten hampden roar seinen Höhepunkt
findet, jenem Gebrüll, von dem man behauptet, dass es die Gastmannschaft
ein Handicap von mindestens einem Tor kostet. (Das hat sich nicht immerfort
als wahr herausgestellt, denn manche kaledonischen Fußballspieler, Kalvinisten
bis in die Zehenspitzen, scheinen eine Ehrensache daraus zu machen, sich ein
Ausgleichshandicap aufzuerlegen, indem sie sich am Vorabend eines Spiels mit
Whisky »dopen« – was sie einem eher sympathisch macht in einem Sport, der
zu stark dazu tendiert, sich ernst zu nehmen.)

Aber Vorsicht: man darf nicht das Ganze mit seinen Bestandteilen verwechseln.
Das Stimmengewirr in einem schottischen Stadion besteht nicht nur aus hysterischen
Schreien. Hören Sie, wie Ihre Nachbarn eine Spielphase kommentieren,
und Sie werden so manche Elemente der Glasgower Kultur wahrnehmen: die Mischung
aus Anziehung und Abneigung bezüglich der Niederlage, der Stellenwert
der vergeblichen Bemühung, die Achtung gegenüber enzyklopädischem
Wissen, das Seelenbündnis in den Mythen, kritischen Geist nicht ausschließend,
und vor allem der Sinn fürs Fest, fürs kathartische, dramatische
und ästhetische happening. Letztendlich ist doch eine gelungene
Vorstellung von Dalglish genauso viel wert wie eine gelungene Vorstellung
von der Callas.

Erstere besitzt allerdings nicht die besänftigenden Tugenden letzterer.
Schon von 1925 an gewöhnte sich die berittene Polizei an, den Anhängern
der Rangers und von Celtic bestimmte Wegstrecken vorzuschreiben, wenn diese
sich zum Lokalderby aufmachten, bei dem sich die beiden Rivalen gegenübertraten;
selbst wenn man zugeben muß, dass heute die englischen hooligans
wesentlich gefürchteter sind als ihre Kollegen jenseits des Tweeds –
Glasgow bleibt nichtsdestotrotz eine gewalttätige Stadt. Die Gewalt,
den dem Schottland der Clans, der Söldner und der rivalisierenden Cliquen
innewohnt, wurde an den Ufern des Clydes verschärft durch einen irrsinnigen
Bevölkerungszuwachs, durch fürchterliche Lebens- und Arbeitsbedingungen
sowie durch die Anwesenheit eines bequemen Sündenbocks, die irische Bevölkerungsgruppe
nämlich.