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Keltischer Zauber

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Keltischer Zauber

In dieser Landschaft aus Bergen, Hügeln und Hochebenen – geprenkelt
mit Seen und Sturzbächen, zwischen denen sich Heidelandschaften und Torfmoore
sich bis zur Küste hin fortsetzen, die wiederum ausgefranst ist durch
Inselgruppen, Halbinseln, Fjorde und Vorgebirge – wurden erst im 18. Jh. von
den Männern General Wades nach dem mißlungenen Jakobitenaufstand
von 1715 die ersten Straßen trassiert.

Jenseits des Glen Mor, dem Großen Tal, einer Spalte aus drei hintereinander
liegenden Seen gebildet (Lochy, Oich und Ness), die der Kaledonische Kanal
mit der Nordsee und dem Atlantik verbindet, schlängeln sich die nordwestlichen
Highlands bis zum Meer hin, etwas weniger hoch (1.109 Meter auf dem Sgurr
Mor), aber noch wilder, grandioser – und feuchter – als die Highlands im Innern
(1.310 Meter auf dem Ben Macdhui) und im Westen (1.343 Meter auf dem Ben Navis,
dem höchsten Punkt der britischen Inseln). Dort schlängeln sich
nur die berüchtigten einspurigen Straßen durch die Landschaft sowie
die beiden malerischsten Eisenbahnlinien des ganzen Königreichs, die
von Fort William und Inverness aus nach Mallaig bzw. nach Kyle of Lochalsh
führen, den Verschiffungshäfen zu den Inneren und Äußeren
Hebriden. Erstere, von den die bekanntesten Skye, Mull, Jura und Iona heißen,
liegen unweit der Küste und sind relativ leicht zu erreichen. Letztere
dagegen, die sich in einem zweihundert Kilometer langen Halbkreis ausbreiten,
von der flachen, aber dennoch spektakulären) Insel Lewis bis zur wellenförmigen
Insel Barra, muß man sich erst durch die Fahrt über einen jähzornigen
Arm des Atlantiks, den Minch, verdienen. Ähnliches gilt für die
beiden anderen schottischen Archipele, die Orkney- und die Shetlandinseln,
die aus rein wirtschaftlichen Gründen zu den Highlands gehören.
Der Pentland Forth, der die Orkneyinseln von der Grafschaft Caithness trennt,
ist eine gefürchtete Meeresenge, wo die wütende Nordsee einen ununterbrochenen
Kampf liefert, bevor sie sich von ihrem atlantischen Nachbarn verschlingen
läßt. Was die Shetlandinseln angeht, hundert Kilometer nördlich
der Orkneyinseln und auf halber Strecke zwischen Norwegen und den Färöer-Inseln
gelegen, so erstrecken sich diese zum Nordpol hin ausgerichtet in eines der
stürmischsten Meeresgebiete der Welt.

Was diese verschiedenartigen Regionen vereint und sie von den Lowlands abhebt,
ist – mehr noch als die Sprache (das Gälische ist das Erbe einer Minderheit
von Highlandern), die Rasse (Mischling), die Wirtschaft (mitten im Umbruch
begriffen) oder sogar die Höhe (die meisten Highlander leben auf Meeresspiegelhöhe
und die höchsten Dörfer Schottlands liegen in ... den Lowlands)
– eine besondere Eigenschaft, die von den Elementen, den Menschen, den Tieren
und den Erinnerungen ausströmt: ihr Zauber. Was nicht heißen soll,
dass das Hochland ein »zauberhaftes« Land sei und auch nicht, dass
das Tiefland das Gegenteil davon sei. Seit Walter Scott und später dann
Queen Victoria es idealisiert hatten, wurden die Highlander nur zu oft als
gute, tapfere und »zauberhafte« Wilde betrachtet. Ihr Land als so charming
zu behandeln, wäre eine Platitüde, die fast einem Affront gleich
käme. Enchanting wäre treffender: die Highlands sind das
Land der Zauberkräfte.

Die zischenden Laute der gälischen Sprache; das melodiöse Timbre
des Englischen, so wie man es in Inverness säuselt – das reinste Englisch
des Königreichs, wie Sprachwissenschaftler versichern – die veraltete
Umständlichkeit gälischer Höflichkeit und Beredsamkeit; der
verführerische und sinnliche Duft ihres Lieblingsgebräus, das Mitreißende
an ihrer Musik und ihren Tänzen; die überladene Farbenfreude der
Tartans und der Berghänge; überirdisches Lichterspiel auf den Hebriden,
wässerig und durchsichtig; die geheimnsvoll gedämpften, nebelverschleierten
Umrisse eines ben; ausgelassenes Umhertollen der Lämmer mit den
schwarzen Köpfen, der Kälber mit dem roten Fell, der Meeresungeheuer
und Gespenster jeder Art; die Verhaltenheit der Bäuerinnen, die Störrigkeit
der vorzeitig verbrauchten Lasttiere; die wohltuende oder unheilvolle Zauberkraft
der Wahrsager, Seher, Heiler und anderen Hexer – wer auf den Hebriden krank
wird, suche den siebten Sohn eines siebten Sohnes auf! – die beunruhigende
Kraft eines Volkes, das von den keltischen und nordischen Rassen den Enthusiasmus
und die Leidenschaft hat, die Raserei und die Verzweiflung, den Schwung und
den Fatalismus, die Euphorie und die Melancholie; das Pathos einer Gesellschaft,
bestehend aus ihrer Ländereien beraubten Bauern, aus Dichtern, deren
Sprache verstümmelt wurde, aus von ihren Anführern verratenen Kriegern,
aus ihrer Feste beraubten Galanten, aus Rednern, die auf Ladentischsprache
reduziert wurden, aus mit einer prosaischen Religion ausstaffierten Mystikern,
aus freien Männern, die bis gestern niemals die Knechtschaft kennengelernt
hatten und die heute dazu gezwungen sind, um Anstellung, Subventionen und
Darlehen zu betteln; der bewegende Zauber des alten Erzählers, dem niemand
mehr lauscht, nicht einmal seine Enkel – sie wanderten nach Kanada aus. Der
diskrete Zauber von Völkern, die im Aussterben begriffen sind?

Der betörende Charme der unberührten Flächen im Hochland versetzt
den Liebhaber von Natur und Einsamkeit in Euphorie; er hinterläßt
jedoch auch einen bitteren Nachgeschmack bei dem, der die Geschichte dieser
Landschaft kennt. Die schreckliche Anklage, die Tacitus den Legionen durch
den Piktenanführer Calgacus entgegenhielt: »Sie haben eine Wüste
hinterlassen und nennen das Frieden«, prophezeite die Zukunft der Highlands:
es war der Mensch, der sie in eine Wüste verwandelte.