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Geschichte der Insel Lewis

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Von Schafen und Menschen

»Solitudinem faciunt, pacem appellant.«

Tacitus

Geschichte der Insel Lewis

Es war einmal ein Zauberer aus England, Lord Leverhulme, von den Unilever
Waschmitteln, der darauf brannte, den Schatz, den ihm der Handel mit Waschpulver
erbracht hatte, dazu bereitzustellen, das Elend auf der Welt zu lindern –
ohne es bei der gleichen Gelegenheit zu versäumen, seinen Ruf etwas aufzuschäumen.
Er vernarrte sich in die Insel Lewis, der nördlichsten der Äußeren
Hebriden, die zu jener Zeit also kurz nach dem Ersten Weltkrieg – von den
Schurken Arbeitslosigkeit, Elend und Emigration verwüstet wurde. Milord
legte den Schwur ab, ihnen mit seinem magischen Besen den Garaus zu machen
und stellte zu diesem Zweck seinen Schlachtplan vor: er hatte die Absicht,
den Hafen von Stornoway zu erweitern, eine Heringskonservenfabrik zu errichten
und die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe, die crofts, zusammenzulegen.
Alles schien auf den Anbruch neuer Zeiten hinzudeuten – bis auf eine Kleinigkeit:
die Gälen (denn so hieß das Volk auf den Inseln) wollten dies nicht.
Sie schmollten. Sogar die jungen Leute, die bei ihrer Rückkehr vom Krieg
doch nur die Arbeitslosigkeit als Empfangskomitee gehabt hatten, verschmähten
das feste Gehalt, das ihr Wohltäter ihnen in schillernden Farben schilderte.
Diese Dummköpfe versteiften sich darauf, auf dem Brachland, seit Generationen
im Besitz ferner und desinteressierter Eigentümer, squatting zu
betreiben. »Pfui den Fabriken, pfui der Flurbereinigung, lautete ihr Gesuch;
wir sind Bauern, crofters, die aus Frankreich zurückgekehrt sind,
wo wir uns für dieses Land auf Lewis geschlagen haben. Wir wollen keine
Industrie, wir wollen ganz einfach unsere Erde.«

Ziemlich geplättet warf der großzügige Zauberer das Handtuch:
er bot den Einheimischen an, ihnen den Besitz der Insel zu überlassen,
ein Geschenk, das sie – das war dann der Gipfel der Dummheit – ablehnten,
weil sie es für ein faules Ei hielten. »Bande von Faulpelzen!« riefen
die Lords und andere Philanthropen im Chor. »Gälische Spitzbuben«, schimpften,
weniger boshaft, die Presse und die öffentliche Meinung Englands und
der Lowlands, wo die Highlandbewohner als große Kinder galten. »Die
ökologischen guten Wilden!« äußert man heute laut seine Bewunderung
in diesem Zusammenhang.

»Es gibt in Großbritannien keinen anderen Ort, wo man soviel Geld
für so armselige Ergebnisse ausgegeben hat«, schäumte 1945 Alastair
Alpin MacGregor, gebürtig von der Insel Lewis und Autor eines Führers
über die Äußeren Hebriden (The Western Isles). »In
Wahrheit, so fährt er fort, zweifle ich stark daran, dass es möglich
ist, die breite Masse der Bewohner zu verbessern, solange sie daran festhalten,
sich oberhalb ihrer Möglichkeiten zu reproduzieren, und sich weigern,
auch nur die geringste bürgerliche Verpflichtung als Gegenleistung für
Darlehen, Subventionen und sogar für gute Gehälterzu akzeptieren.
Sie bilden eine wahre Last für all diejenigen, die wirklich arbeiten
und produktiv sind« (sic!).

»Die crofters sind eine resignierte und apathische Rasse (sic!)
Mit dieser Behauptung ging Farquhar Gillanders noch einen Schritt weiter.
Es handelt sich bei ihm um einen weiteren Highlander, der wenig sanft mit
seinen Artgenossen umspringt und sich in The Future of the Highlands,
einer Sammlung von acht Essais verschiedener Autoren, 1968 veröffentlicht,
über ihre herrliche Verachtung für die doch universalen Gesetze
der Wirtschaftswissenschaft ereifert: »Es ist eine ökonomische Binsenwahrheit,
dass es ohne Opfer keinen Fortschritt geben kann ... in den Highlands,
in Schottland oder sonst irgendwo. Aber die Highlander sind eine Rasse, die
klare und deutliche Worte nicht mag. Bei ihnen ist der Euphemismus eine Lebensart
und sie sorgen sich kaum um wirtschaftliche Gegebenheiten.«

Ein weiteres Element, das der Akte »Probleme in den Highlands« beizugefügt
werden kann, in der sich Anklagepunkte und Beweisstücke anhäufen:
Auswanderung, Arbeitslosigkeit, Überalterung, Mutlosigkeit, Obskurantismus,
Alkoholismus, aber auch Kolonisierung, Ausbeutung, Zerstörung, Großbesitztum,
Paternalismus, Fernbleiben von der Arbeitsstelle, Rentabilität und Finanzspekulation.
Eine prallgefüllte Akte, widerspenstig gegenüber Allheilmitteln,
die von außen auferlegt werden – ob dies nun von Brüssel, London
oder Edinburgh aus geschieht.

Das liegt daran, dass die violette Linie der Highlands, die sich am
Mull of Kentyre abzeichnet, unweit vor der nordirischen Küste, und die
Mündung des Clyde hinauf verläuft, dann Glasgow, Perth, Aberdeen
und Inverness streift, anschließend zu den Steilklippen des Pentland
Forth hin abklingt, wobei sie zur rechten Seite die flachen Gebiete um Cromarty
und Caithness hinter sich läßt – dass diese Linie deutlich
mehr als eine geographische Schranke darstellt, so beeindruckend sie auch
sein mag.