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Stolz wie ein Schotte

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Distel, Lilie und Rose

»Ah! Fredome is a noble thing!

Fredome mays man to haiff liking.«

»Oh! Freiheit ist ein gar kostbar´ Gut!

Freiheit erst läßt den Menschen wählen.«

John Barbour (1320-1395)

Stolz wie ein Schotte

Suchen Sie sich zunächst einmal einen Durchschnittspub heraus, einen
von denen, die Kunststoff und Resopal trotzen, was ihnen die großen
Brauereien versuchen aufzuzwingen, und die gleichzeitig etwas von einer Bahnhofshalle
und dem Maschinenraum eines Frachters an sich haben. Stoßen Sie die
schwere Tür auf, die mit einer imposanten Milchglasscheibe ausgestattet
ist – einem Überbleibsel aus der Edward´schen Belle Epoque, als sich
die trinkenden Ehemänner auf dem Weg zur Hölle den prüfenden
Blicken der Passanten entziehen wollten – und dringen Sie in die Höhle
des Löwen vor.

Haben sich die Augen dann einmal an die Dunkelheit und an die verrauchte
Luft gewöhnt, schauen Sie sich an der Theke nach einem Durchschnittsgast
um – weibliche Gäste sind eine äußerst rare Gattung, obgleich
sie zahlenmäßig allmählich zunehmen. Wählen Sie aus Vorsichtsgründen
keinen, der zu angetrunken ist, aber andererseits auch keinen zu nüchternen,
damit die Probeauswahl auch möglichst repräsentativ ist. Lehnen
Sie sich in seiner Nähe an die Bar und lassen Sie mit einem Akzent, der
so wenig wie möglich nach Oxford klingen sollte, einige banale Reflexionen
über das Wetter und die Lebenshaltungskosten vom Stapel. Dann, wenn das
Eis einmal gebrochen und Ihre »kontinentale« Identität klar zutage liegt,
fragen Sie Ihren Thekennachbarn, warum er sich nicht als Engländer fühlt.

Die Antworten wechseln je nach Alter, Bildung, Beruf, Religion und Alkoholisierungsgrad
des Befragten; aber sie enthalten mit hoher Wahrscheinlichkeit fast ausnahmslos
die Form eines Zauberspruchs, in dem Bannockburn, Bonnie Prince Charlie, der
Fußball oder Rugby und das Erdöl angerufen werden. Hat ihn der
Whisky in trübsinnige Stimmung versetzt, so wird Ihr Gesprächspartner
den Patrioten William Wallace beweinen, den die Sassenachs entmannt
und dann viergeteilt hatten. Er schwört, diese Scharte auszuwetzen sowie
auch Flodden und Culloden, und all die in Hampden und Wembley erlitten Niederlagen
– oder für die Liebhaber des ovalen Balls, in Murrayfield und in Twickenham
– wenn einen das Pech verfolgt und der Schiedsrichter gekauft ist. Wenn er
schließlich meint, es sei höchste Zeit, dass sein Gegenüber
eine Runde ausgebe und dieser dann auch noch Franzose wäre, würde
er die Vorzüge der franko-schottischen Allianz rühmen, die beide
Länder fast drei Jahrhunderte lang im gemeinsamen Kampf gegen den englischen
Erbfeind verband, und sein Glas auf Maria Stuart erheben, obschon die aufrichtigen
Presbyterianer ihr ihre übertriebene sentimentale Seite vorwerfen, untrügliches
Zeichen ihrer aufsteigenden französischen Linie. Summa summarum zählt
Ihr Nachbar, abgesehen von dieser kurzen Anspielung auf die Liebesabenteuer,
einen recht kriegerischen Katalog auf. Läßt er zufällig den
Waffenbereich aus, so behält seine Aufzählung dennoch den Anstrich
einer Liste von Olympiasieger: Robert Burns, Walter Scott, John Knox, Johnnie
Walker, David Livingstone, Kenny Dalglish, Eurhythmics und die Queen Mary,
am Clyde von Stapel gelaufen, werden in ihrer jeweiligen Kategorie wie Sieger
präsentiert. Die Schotten sind sogar stolz darauf, zu ihren Autoren auch
»den besten der schlechten Dichter« William McGonagall zu zählen, den
unbeschreiblichen Barden aus dem viktorianischen Dundee.

»Stolz wie ein Schotte«, pflegte man am Hofe Ludwig XI. zu sagen. Mußte
man unter einem recht empfindlichen Stolz verstehen: »Scotus est, piper
in naso!
«? – »Er fängt schon an, sich zu schlagen, noch bevor er
seine Befehle für die Schlacht erteilt hat«, schrieb der spanische Botschafter
Pedro de Ayala eher bewundernd als tadelnd anläßlich dieses Anfalls
von furia scozzese über den in Flodden besiegten Jakob IV. Vom
Haudegen bis zum General bildeten die Krieger lange Zeit das Hauptausfuhrerzeugnis
des Landes. Der listige französische König Ludwig XI. überlegte
sich, dass es besser sei, diese tapferen Kämpfer in seinem Lager
zu haben, und beeilte sich, die schottische Garde zu gründen. Die amerikanische
und die russische Marine wurden in ihren Anfängen von zwei schottischen
Seefahrern organisiert, von John Paul Jones und Samuel Greig. Man erinnert
noch heute in Aberdeen an eine gewisse russisch-türkische Militärkonferenz
des 19. Jahrhunderts, bei der der »slawische« General und sein »osmanischer«
Kollege die Klauseln eines Vertrage im Dialekt von Buchan debattierten.

Am Abend des Sankt-Andreas Tages, dem heiligen Landespatron, bringen tausende
von Schotten in der ganzen Welt den folgenden Toast auf ihr Volk aus: »Here´s
tae us, Wha´s like us? Gey few, and they´re all deid
« (»Auf uns, wer kommt
uns gleich? Nur wenige, und sie sind alle tot«). Eine Behauptung, die von
den Glasgower Sportfans im Chor wieder aufgenommen wird, wenn sie im Stadion
skandieren: »We arra people«: »Wir sind das (auserwählte) Volk;
wir sind die besten!« Arroganz? Kriegerische Gesinnung? Minderwertigkeitskomplexe?
Etwas von allem ohne Zweifel, aber auch eine Wut im Bauch, um in einer feindlichen
Umwelt zu überleben – das Modell zu Defoes Robinson Crusoe war
ein wirklich existierender, schottischer Seefahrer namens Alexander Selkirk
– und der Wunsch, sich zu behaupten angesichts eines störenden Nachbarn.
Darin mischen sich Stolz, Herausforderung und gediegene Streitsucht – jene
Mischung – von Sportchronisten gerne Männlichkeit genannt, die aus den
Schotten, ihren eigenen Worten zufolge, a tough breed macht, eine zähe
Rasse.