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Kulisse

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Geisterstadt Walvis Bay?

Die Rache des Kuiseb

Die Geschichte steckt voll abschreckender Beispiele, was geschehen kann, wenn der Mensch einem Fluß seinen Willen aufzwingt. Eine der härtesten Lektionen könnte bald Walvis Bay (Walfischbucht) betreffen. Sein Standort, eingeklemmt zwischen Kuisebmündung, Namib-Sandmeer und dem Schotter der Welwitschiaebene, ist prekär genug. Wissenschaftler sprechen gar davon, dass die Stadt nie an dieser Stelle hätte errichtet werden dürfen. Alljährlich schleppt der Oranje bis zu 50 Millionen Tonnen Sand an seine Mündung.

Doch bevor der Sand in den Tiefen des Atlantiks verschwindet, spülen Meeresströmung und Wind den größten Teil in die Namib. Hier formt er sich zu gutartigen Sandhügeln, beweglichen Lineardünen oder verschlingenden Sicheldünen (Barchanen), die bis zu 20 m pro Jahr zurücklegen. Der vorherrschende Südwind treibt sie nordwärts zur Schotterebene. Doch seit Jahrmillionen zieht der Kuiseb eine scharfe Trennlinie. Alle paar Jahre, wenn er Wasser führt, schaufelt der Fluß den Sand ins Meer und schafft die Voraussetzung für eine Pflanzendecke, die die Dünen zusätzlich in Schach hält.

An diesem Punkt nun tritt der Mensch auf. Und mit ihm das Problem. Seit der Besiedlung entstanden im Khomashochland, dem Quellgebiet des Kuiseb, mehrere Staudämme für die Bewässerung und als Trinkwasserspeicher. Damit stößt immer weniger Wasser zur Mündung vor. In den Jahren 1873-93 führt der Kuiseb alle 6,6 Jahre durchgehend Wasser. Zwischen 1893 und 1942 fällt dieser Schnitt auf 8,2 Jahre. Nach 1942 geschieht dieses Wunder nur noch ganze zwei Mal. Also schwindet die Pflanzendecke im Mündungsbereich, und die Salzmarschen verringern sich seit 1980 um die Hälfte.

Das Dünenareal beginnt sich auszubreiten. Seine Vorläufer erreichen bereits die Wohngebiete von Walvis Bay. Sand reibt sich an Gebäuden und Mauern, dringt in Gärten vor und läßt Dachgebälk bedenklich knirschen. In windigen Zeiten müssen Gärten dreimal pro Woche entsandet werden. Noch fieser ist der Sandstaub, der durch Fensterrahmen und unter Türen in die Wohnungen kriecht und sich in Teppichen, Möbeln, Bettzeug festsetzt. Bewohner berichten von Schäden an Kanalrohren, Türschlössern, Waschmaschinen, Elektrik. Immer häufiger verschwinden Verbindungspisten unter einem Sandschleier. Inzwischen wendet die Stadtkasse eine viertel Million Euro pro Jahr auf, um die Dünen im Zaum zu halten.

Wissenschaftler haben das schwärzeste Szenario bereits entworfen. Wenn nicht alle Dämme am Kuiseb gesprengt würden, sei der Prozeß der Verwüstung nicht zu stoppen. Dann könnten Touristen eines nicht fernen Tages Walvis Bay genauso besuchen wie heute Kolmanskop - mit dem faszinierten Schauder, dass in dieser Geisterstadt, unter diesen Sandbergen einmal Menschen gelebt haben sollen. Alles rächt sich ...