Von Mont-Royal nach Bernard
Unterwegs in Montreal
Von Mont-Royal nach Bernard
Das letzte ansteigende Viertel Montreals und auch eines der buntesten, was das Völkergemisch anbelangt: besonders zahlreich vertreten sind Griechen, Portugiesen und Italiener. In einigen Straßen wohnen orthodoxe Juden. Wer südländisches Flair liebt, ist hier goldrichtig. Das von Bd. Saint-Laurent und von der Av. du Parc eingeschlossene Viereck stellt eine wahre Fundgrube für Gourmets in Form von kleinen und größeren, besonders einladenden Lokalen dar. Hier verwirrt auch die Architektur nicht wie vielerorts: jene Gastronomen, die sich neu hinzugesellt haben, tatkräftige Werbeagenturen, Modeläden mit dem Neuesten vom Neuen oder "Szene"-Friseure haben sich einfach in den alten Gemäuern und in den lange Jahre leerstehenden Kramläden eingenistet, vor allem am Bd. Saint-Laurent, zwischen Saint-Joseph und Bernard. Parc wird als "Klein-Griechenland der Gastronomie" betrachtet. Schließlich stößt man, ganz im nördlichen Teil des Viertels - in Outremont, der Wohngegend des gehobenen frankophonen Mittelstandes - auf die eher vornehmen Restaurants. Zum Abschluß der kulinarischen Rundreise bietet sich ein Verdauungsspaziergang durch diese für das ethnisch bunt zusammengewürfelte Montreal typischen Straßen an. An der U-Bahnstation "Laurier" aussteigen oder den Bus in Richtung Saint-Laurent nehmen.
Erschwinglich
Wilensky: 34, Rue Fairmount Ouest, Ecke Saint-Urbain, T. 271-02 47; M. Laurier. Montag bis Freitag von 9 bis 16h; am Wochenende und in der Zeit vom 15. bis 30 August geschlossen. Seit der Eröffnung im Jahr 1932 hat sich hier kaum etwas verändert. Eine richtige Filmkulisse; tatsächlich wurden hier schon Filmszenen, zum Beispiel mit Richard Dreyfuss, gedreht. Weder die alte Kasse noch die "Likör-Quelle" (für Säfte) wurden als Dekorationsstücke auf dem Flohmarkt erworben. Auch die Toaster wirken archaisch, was, alles zusammengenommen, ein authentisches Dreißiger-Vierziger-Jahre-Flair ergibt. Auf hohen, schmalen und recht wackligen Barhockern nehmen Neuhinzugezogene, Gören aus der Nachbarschaft und jüdische Geschäftsleute ihr Frühstück oder eine kleine Zwischenmahlzeit ein. Wer "Wilensky special" bestellt, erhält ein warmes Sandwich, belegt mit vier Sorten Salami. Ein Ort für Verliebte und alle mit Sehnsucht nach dem guten alten Amerika!
Le Pégase: 1831, Rue Gilford, T. 522-04 87. Ungewöhnliche Kneipe, fünfzehn Straßen östlich der U-Bahn-Station "Laurier". Am Samstagmittag, sonntags und am Montagabend geschlossen. Zählt zu den selten gewordenen Überbleibseln familiär geführter Restaurants aus der Vorkriegszeit. Noch immer sind die wenigen Plätze im Handumdrehn besetzt, und kein bißchen in die Jahre gekommen scheint auch die Atmosphäre. Zu einem vernünftigen Preis wird eine leckere Mahlzeit aufgefahren. Die cremige und würzige hausgemachte Suppe sowie die kleinen Tellergerichte könnten zu Hause bei Muttern nicht liebevoller zubereitet werden. Nichts wie hin also, um noch einen Tisch zu ergattern!
Kleines Kuriosum: das Maison de l´original Fairmount Bagel, 74 Fairmount, Ecke Waverly, T. 272-06 67. Der Duft nach frischem Brot weist schon den Weg in das alte Backsteinhaus, wo rund um die Uhr vorzügliche braune Bagels mit Rosinen verkauft werden. Der Anzahl der eigens deshalb angereisten Käufer nach zu schließen, dürften es die besten von ganz Montreal sein!
Mittlere Preislage
Beautys: 93, Rue Mont-Royal Ouest, Ecke Saint-Urbain. Täglich geöffnet von 7 bis 18h, sonntags ab 8h. Bietet seit 1942 den Rahmen für eines richtigen Dinner mit entsprechender Atmosphäre, ist aber unzweifelhaft mehr als das. Unglaublich, wie sich hier die Menge drängt. Vor allem am Sonntagmorgen, zum Brunch, nehmen Gäste oft lange Wartezeiten in Kauf, bevor endlich ein Tisch frei wird. Erfreulich, dass der glückliche Chef des Hauses seine Kundschaft niemals zur Eile antreibt. Unter den Stammgästen einige Montrealer Prominente wie der Sängerpoet Léonard Cohen oder Carole Laure ... Auf eine entspannte und heitere Stimmung kann man sich verlassen. Eine Einrichtung ganz in Weiß und mit viel Aluminium erhebt keinen Anspruch auf das Außergewöhnliche. Die jüdische Küche dagegen ist berühmt, stets frisch und appetitverheißend. Breite Auswahl an Sandwiches, Pfannkuchen, Salaten, Hamburgern ... Den berühmten Special Beauty (Frischkäse, Räucherlachs, Tomaten und Zwiebeln auf knusprigem Bagel) nicht versäumen. Auch die Cheese Blintzes (kleine Rouladen mit Käse und Sauerrahm) oder Mish-mash (Omelette mit Wurst, Salami, grünen Paprika und gedünsteten Zwiebeln) finden wir unwiderstehlich.
Von der gleichen Machart und ganz in der Nähe: Dusty´s, 4510, Av. du Parc, Ecke Mont-Royal, T. 273-54 31. Sogar noch preiswerter.
Le Lux: 5220, Bd. St.-Laurent. Täglich rund um die Uhr geöffnet. Zugleich Café wie auch Restaurant, Zeitschriftenstand und eben "Dépanneur", also rund um die Uhr geöffnet. Kinder werden sich hier sofort wohlfühlen: Karamelbonbons und Lutscher sind tonnenweise vorhanden! Das Publikum, Yuppies um die Dreißig, finden eine in Grün gehaltene Einrichtung vor, was einerseits sehr modern und andererseits nach der Strenge eines Schulspeisesaals riecht und, alles in allem, etwas nach Theaterkulisse. Hier kehrt man ein, um zu sehen und gesehen zu werden; die letztlich einfallslose Speisekarte (Pommes, Sandwiches ... ) ist dabei nur Nebensache. Überdies eher teuer.
Kilo: 5206, Bd. St.-Laurent, Ecke Fairmount, T. 277-50 39. Jeden Tag bis Mitternacht, am Wochenende bis 4h. Im kahlen Innern herrscht Weiß vor. Sammelpunkt für alle vom Lux Enttäuschten sowie für alle mit großem Hunger. Bonbons, Naschwerk, Schokolade und teuflisch leckere Kuchen (mit Himmbeercreme, Käsekuchen usw.) verführen auch jene, die auf die schlanke Linie achten. Ein Angebot an gelungenen Salaten und Sandwiches steht aber als Ausweichmöglichkeit zur Verfügung. Wirklich Spitze, nur leider nichts für sparsame Schwaben.
Laurier-Bar-b-Q: 381, Rue Laurier Ouest, T. 273-36 71. Täglich von 11 bis 23h, am Wochenende bis Mitternacht. Seit 1934 gibt´s hier Hähnchen vom Grill; Einvernehmen herrscht darüber, dass diese hier am besten schmecken. Naschkatzen werden ihre Freude an den Nachtischen haben. Leider scheint die Versuchung groß, mit wachsendem Erfolg auch die Preise anzuheben. Trotzdem sprengt die Einkehr kaum den Rahmen des finanziell Möglichen. Weitere Pluspunkte sind der gemütliche äußere Rahmen und die nette Bedienung. Also unbedingt mal vorbeischauen, wie alle Leute aus dem Viertel.
Griechische Restaurants auf der Av. du Parc, von Laurier bis Van-Horne.
Die Qual der Wahl!
La Moulerie: 1249, Av. Bernard, Ecke Champagneur, T. 273-81 32; M. Rosemont, oder Outremont. Täglich von 11.30h bis Mitternacht. Erfreut sich im gesamten nördlichen Teil Montreals hoher Beliebtheit. Wie der Name andeutet ("la moule" bedeutet "Muschel"), stehen vor allem Muschelgerichte auf der Speisekarte. Die Küche versteht sich auf über zehn verschiedene Zubereitungsarten, darunter Muscheln auf indische Art, auf italienische Art, als Salat (nicht aber als Nachtisch!). Die Einrichtung erinnert an ein gepflegtes Bistro. Stets belebt, besonders am Wochenende. Auch hier gilt: sehen und gesehen werden ...
Prégo: 5142, Rue St.-Laurent, Ecke Fairmount, T. 271-32 34. Einlaß nur abends bis 23h; von Donnerstag bis Samstag bis Mitternacht. Eleganter äußerer Rahmen für die sicherlich hervorragende, im Verhältnis aber trotzdem teure italienische Küche. Als Alternative bietet sich die benachbarte La Cucina an, 5134, Blvd. St.-Laurent, T. 495-11 31. Praktiziert eine nicht minder solide Küche, allerdings mit weniger vornehmer Einrichtung, was sich im Preis merklich niederschlägt. Über Mittag wird ein preiswertes Tagesgericht angeboten.
Vornehm, vornehm ...
L´Impromptu: 1265, Av. Bernard, im Outremont-Viertel, T. 270-24 11; M. Rosemont. Nur mittags geöffnet und dann erst wieder abends bis 22.30h. Am Samstagmittag und am Sonntag bleibt die Küche kalt. Ohne Vorbestellung läuft zudem gar nix. Die (französische) Küche des geschmackvoll gestalteten Restaurants zählt zu den kulinarischen Höhepunkten Montreals. Die hohen Preise verstehen sich da natürlich von selbst, aber hier ist nun mal der Ort, um den oder die Angebetene zu umwerben, eine neue Arbeitsstelle zu begießen oder um die Promotion zu feiern. Für derlei Anlässe werden wahre Gedichte aufgetischt: Hummer-Platten mit bunten Kammmuscheln und Krabben, Rinderlendchen in Roquefort-Sauce, Kalbsbries in Blätterteig mit Morcheln ... Das deliziöse Überraschungs-Menü kreiert der Küchenchef übrigens persönlich.
Rückwärts |
Inhalt |
Vorwärts |