Verantwortung

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Grillen im Regenwald

Klassische Rollenverteilung

Übergabe der Station in Begesin

Nach zwei Wochen Einarbeitungszeit war es so weit. Heiner und Hetta übergaben uns die Station, so dass wir zusammen zu einem Mumu-Essen eingeladen wurden. Für unsere Vorgänger sollte es das Abschiedsessen, für uns das Begrüßungsessen sein. Wir liefen zusammen zum Haus des Stationsmanagers Butut, wobei uns Heiner auf dem Weg warnte: „Glaubt nur ja nicht, dass es nun bald etwas zu Essen gibt. Jetzt werden erst einmal Reden gehalten, dann noch mal Reden und noch mal Reden. Zu Essen gibt es erst irgendwann später“. So war es dann auch. Die Reden schienen kein Ende zu nehmen. Es schien, als müsse jeder seinen Teil beitragen, egal, ob das Gleiche schon vom Vorredner gesagt worden war. Das sollten wir noch häufig erleben. Aber in diesem Fall war es von Vorteil, in einer reinen Männerwelt eine Frau zu sein. Hetta und ich konnten die Männer ohne jegliche Skrupel in ihrer Männerwelt belassen und uns den viel interessanteren Vorbereitungen des Mumu-Essens widmen.


Die Männer hatten schon am Nachmittag ein Erdloch ausgehoben, wie uns die Frauen berichteten. Sie hatten auch ein Schwein geschlachtet und zerlegt. In dem Erdloch war bereits vor Stunden ein Holzfeuer entzündet und darauf Steine erhitzt worden. Damit hatte die Arbeit der Frauen begonnen. Sie hatten das gewürzte Schweinefleisch auf den Steinen ausgebreitet und Feldfrüchte wie Taro, Süßkartoffeln und Yams darauf gebettet. Nun hatten sie alles mit Bananenblättern dicht abgedeckt und Erde darüber geschaufelt. Wie lange? war meine Frage, da ich schon immer gerne von anderen Kochrezepte erfragte. „Ooo“, verlegenes Schulterzucken war die Antwort, „long taim liklik, lange Zeit ein bisschen“. Wie oft habe ich das noch gehört, aber lange gebraucht, bis ich damit umgehen konnte. Später habe ich diese Worte sogar gemocht, zeigten sie doch ein viel lockereres Verhältnis im Umgang mit Zeit im Vergleich zu unserem.


Irgendwann hatten die Männer es doch geschafft, ihre wichtigen Reden zu beenden. Sie gesellten sich zu uns Frauen und die Männer fingen an, die Erde aus der Grube vorsichtig abzutragen. Noch heute kann ich mich an den wunderbaren Duft erinnern, der sich verbreitete. Um uns herum war das Zirpen der Zikaden zu hören, daneben das „Onk onk“ der Frösche, und über allem schwebte, immer kräftiger werdend, dieser absolut köstliche Duft. Amos war in meinen Armen eingeschlafen, so dass wir ihn auf eine zusammengefaltete Decke neben der Bastmatte betteten, auf der wir hockten. Lange saßen wir mit den Stationsleuten zusammen, genossen das herrliche Mahl, und für Michael und mich war es ein Stückchen wie ein Hineinwachsen in die Stationsgemeinschaft. Dann machten wir vier uns zusammen mit unseren Kindern auf den Heimweg. Im Haus nahm jeder noch eine Eimerdusche, und wir fielen todmüde in unsere Betten.

Am nächsten Morgen war es so weit. Heiner und Hetta sollten unsere Familie verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland machen. Ein Stück Trauer fühlte ich bei dem Gedanken, von nun an ohne diese beiden Menschen hier zu leben. Aber da war auch ein Gefühl von Herausforderung in mir, jetzt unser Leben auf dieser Station in Angriff zu nehmen. Ein letztes Mal schritten wir zusammen den Weg hinunter durch das Kunaigras zum Fluss Ujapan, durchquerten ihn, kletterten den Hügel hinauf zur Graspiste. Michael hatte dem Piloten den Wetterbericht am Funkgerät durchgegeben und schon am Ende des Weges konnten wir die sich nähernde Cessna hören. Eilig stellten wir die Jungen zur „Schweinewache“ auf, warteten ein wenig, long taim liklik, lange Zeit, ein bisschen, schoss es mir durch den Kopf, und schon kam das balus, die Taube oder das Flugzeug, angeschwebt. Exakt zwei Meter nach dem Beginn der Piste hatte Terry die Cessna aufgesetzt, wie ich staunend erkannte. Heiner und Hetta mussten Hände schütteln ohne Ende, während ihr Gepäck verladen wurde, dann kam die Zeit für unseren Abschied. Wieder einmal war Abschied zu nehmen von Menschen, die uns unendlich viel gegeben hatten. Sie stiegen ins Flugzeug. Terry, der meine Trauer sah, meinte lakonisch: „You`ll manage, du wirst es schaffen“, dann stieg auch er ein und startete das Flugzeug. Plötzlich war alles Vergangenheit. Das Flugzeug hob ab, die Wochen mit den beiden flogen noch einmal an mir vorbei. Gespräche mit ihnen, Sätze, die sie gesagt hatten, Dinge, über die wir gelacht hatten – Vergangenheit. Ohne Worte, eher sprachlos, machten Michael und ich uns auf den Weg zu „unserem“ Haus, in dem wir noch tagelang die Gegenwart der Menschen vermissen würden, die es so lange mit Leben gefüllt hatten.