Ankunft Begesin

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Endlose Landschaften bei Begesin

Ungewöhnliche Landebahnen

Schöne, doch ungewohnte Umgebung

Neben dem Flughafen von Madang hatte die Mission ihren Hangar für die Cessnas gebaut, mit denen die Außenstationen angeflogen wurden. Schon bei der Ankunft im Land war ich in Port Moresby etwas ängstlich in das Flugzeug nach Lae gestiegen. Es war mir so klein erschienen. Als ich nun zum ersten Mal eine Cessna sah, konnte ich mir nicht vorstellen, dass in solch einem winzigen Flugzeug mehrere Menschen und auch noch Fracht Platz finden sollten. Aber die Arbeiter waren bereits dabei, unsere Überseetonnen in den unteren Teil der Cessna zu verstauen. Sie nannten es „den Bauch des Vogels füllen“. Inzwischen schien es mir selbstverständlich, dass in Tok Pisin das Wort für Taube und Flugzeug dasselbe war. Zu meinem Schrecken wurde auch Dolly, unsere kleine Hündin, die wir in Biliau geschenkt bekommen hatten, im Bauch der Cessna in einer Box verladen. Terry, der australische Pilot, forderte uns nun zum Einsteigen auf und überprüfte selbst das Anlegen der Sicherheitsgurte. Wir rollten auf die Startpiste, nahmen Fahrt auf, und bald hob der kleine Vogel ab. Wir waren auf dem Weg zu „unserer“ Station.


Zum ersten Mal flog ich über eine endlos scheinende Landschaft aus Regenwald – sie kam mir überwältigend schön vor. Michael saß auf dem Vordersitz neben Terry und unterhielt sich mit ihm. Nach ein paar Minuten stellte er offensichtlich eine Frage nach einem Dorf im Busch, das wir gerade überflogen. Auf einmal lag die kleine Cessna und wir in ihr auf der Seite und mir blieb fast die Luft weg! Nach einer guten halben Stunde drehte Michael sich um und bedeutete mir, nach vorne zu schauen. Ich sah ein kleines Dorf, daneben eine Grasbahn, in weiterer Entfernung einen Fluss, und jenseits davon glitzerten mehrere Wellblechdächer im Sonnenlicht. Wir waren im Anflug auf Begesin. Erst später wurde mir klar, warum Terry plötzlich so angespannt gewirkt hatte bei dieser Landung. Der „Flugplatz“ in Begesin war nur eine Graspiste und erschwerend kam hinzu, dass gleich am Anfang der Bahn ein Graben und am Ende ein Hügel lag. Der Pilot musste die Cessna sehr präzise am Beginn der Landebahn aufsetzen, um die Bremsung auf der kurzen Graspiste zu schaffen.


Wir stiegen aus, Hitze schlug uns entgegen, fremde dunkle Gesichter blickten uns neugierig an. Ein Weißer bewegte sich auf uns zu und begrüßte uns freundlich auf Deutsch. Das war Heiner, der Vorgänger von Michael, der nach einer kurzen Einweisung nach Deutschland zurückkehren sollte. Unsere Überseetonnen wurden ausgeladen. Endlich sprang auch wieder Dolly aufgeregt um Amos herum. Junge, kräftige Männer luden sich unsere Habseligkeiten auf, und wir folgten Heiner einen Trampelpfad hinunter zu einem Fluss. Ich war etwas ängstlich, als Heiner einfach in den Fluss stieg und ihn durchschritt. „Da musst du von jetzt an immer durch, wenn du von hier weg willst!“ rief Heiner, im Umdrehen in mein verblüfftes Gesicht. „Gefährlich ist das nur in der Regenzeit, wenn der Ujapan Hochwasser führt oder nachts wegen der Schlangen!“ setzte er hinzu. Na toll, dachte ich, aber von nun an wirst du mir keine Unsicherheit mehr anmerken. Nach Durchquerung des Flusses ging es wieder einen Pfad durch Kunaigras bergauf. Brütende Hitze lag über dem Kunaigras, die Luft flimmerte vor meinen Augen. Auf der Anhöhe angekommen, begrüßte uns Hetta, die Frau von Heiner. Sie würde mich in meinen Teil der zu übernehmenden Arbeit einweisen. Jetzt waren erst einmal die Lastträger zu entlohnen, deshalb stand sie vor dem salthouse, einer kleinen Buschhütte neben dem Stationshaus.

Noch jetzt kann ich die Beklemmung spüren, die mich bei der Ankunft in Begesin überfiel. Durch ein Zusammenwirken von Eindrücken war mir deutlich geworden, dass ich mich hier niemals so zu Hause fühlen würde wie in Biliau. Ich kann nicht benennen, was im Einzelnen dieses Gefühl ausgelöst hat. Es war diffus da. War es das Abgeschnittensein von der Außenwelt durch die nichtvorhandene Straßenverbindung, war es der Weg vom Flugplatz zum Haus, oder der Anblick meiner sichtlich am Ende ihrer Nerven angelangten Vorgängerin? Während ich in Biliau jeden Tag als kleine Kostbarkeit erlebt hatte, wurde mir hier plötzlich bewusst, auf einer Insel zu wohnen. Ich versuchte, auf dieser Station heimisch zu werden, wobei mir mein herrlich erfrischendes Kind eine große Hilfe war. Aber die Magie des unbeschwerten Glücklichseins ist nicht zurückgekehrt.


Die Missionsstation bestand aus einem wellblechgedeckten Holzhaus in U-Form auf Betonpfosten. Alle Zimmer der Vorderfront mündeten auf eine überdachte Veranda, von Heiner freundlich in Rot und Weiß gestrichen. Gleich rechts daneben lag das Waschhaus, ein Gebäude ohne Wände, ebenfalls mit einem Dach aus Wellblech. Gegenüber dem Missionshaus befand sich das „Mädchenhaus“, dessen Fenster wie beim Missionshaus alle mit Fliegengittern versehen waren. Zwischen Wasch- und Mädchenhaus wuchs ein riesiger Brotfruchtbaum. Vor dem Küchenfenster des Missionshauses erhob sich ein Guavabaum, an dem Heiner für seine Kinder eine Schaukel angebracht hatte. Südlich vom Missionshaus lag der von Hetta angelegte Ananasgarten, den ich weiter bepflanzte. Das war eigentlich keine Arbeit, es bedeutete lediglich: von einer geernteten Ananas die stachelige Blüte abdrehen, einpflanzen, einige Monate zu warten – und der Ananasgarten wuchs und gedieh. Gleich hinter dem Ananasgarten war der workshop, der Arbeits- und Geräteschuppen. In ihm war der dieselbetriebene Generator untergebracht, zusammen mit den Arbeitsgeräten, wie z.B. der Rasenmäher. Gegenüber stand das salthouse, eine Buschhütte, in der Dinge gelagert wurden, um die Lastträger für die Transporte vom Flugplatz zur Station auszuzahlen. Das waren Grundmittel des täglichen Lebens wie Streichhölzer, Salz (daher der Name salthouse), Schmierseife und Reis sowie eine Waage, um das Gewicht der getragenen Lasten zu wiegen. Etwas außerhalb stand der store, der stationseigene Einkaufsladen, ein Wellblechschuppen, wo Grundnahrungsmittel sowie einige einfache Textilien zum Verkauf angeboten wurden.