Alberta
Überwältigende Ruhe
High Prairie
Angelscheine im Supermarkt - Bisons
Am Nachmittag bleiben wir auf einem Campingplatz stehen, zwar privat, aber wunderschön gelegen, an einem mittelgroßen See. Kurz vorher gab es starke Regenfälle, erzählt man uns und die überflutungsgefährdeten Campstellen stehen teilweise immer noch unter Wasser. Das Wetter ist auch zu diesem Zeitpunkt sehr durchwachsen, es regnet zwar nicht, aber es hängen dunkle Wolken am Himmel. Der Camp Ground ist riesengroß, und wir suchen uns eine trockene Stelle, rundum gut eingewachsen, wo wir keine Nachbarn haben. Die Sorge ist unbegründet, denn es treffen an diesem Tag kaum noch Leute auf dem Camp Ground ein. Vielleicht liegt es daran, dass dieser Camp Ground zwar wunderschön an einem See gelegen ist, man aber kilometerlang über eine zur Zeit schmierige Straße fahren muß, deren Oberflächenbeschaffenheit nach den starken Regenfällen nicht gerade einen Vertrauen erweckenden Eindruck macht. Dabei stellen wir fest, dass unser Fahrzeug, obwohl es nur einen Zweiradantrieb hat, und keinen Vierradantrieb wie das letzte Mal, auch diesen Widrigkeiten gut gewachsen ist.
Am Abend kommt starker Wind auf, und da wir durch die Zeitumstellung doch recht müde sind, gehen wir nicht allzu spät ins Bett und lassen uns bei offenen Camperfenstern von den rauschenden Wellen des Sees in den Schlaf wiegen. Wir fühlen uns so wohl, wie man es sich nur vorstellen kann, und verlieren keinen Gedanken an die Heimat. Die große kanadische Ruhe breitet sich wieder in uns aus. Am nächsten Tag erwachen wir zu früher Stunde, ausgeruht und glücklich und machen uns nach einem typisch kanadischen Frühstück mit Speck und Eiern wieder auf den Weg.
Auch die Landschaft von Alberta hat ihre Reize, wie wir bald feststellen. Wiesen ohne Ende, soweit das Auge reicht. Die Straßen von Alberta wurden vom grünen Tisch aus geplant und führen schachbrettartig und schnurgerade durch die Landschaft. Oftmals sind Kreuzungen rechtzeitig vorher angekündigt, damit man sie überhaupt bemerkt, da man sonst nur geradeaus fahren würde. Das Gelände ist bis auf kleinere Hügel relativ eben, aber es hat durchaus einen gewissen Reiz. Man fährt immer geradeaus, rechts und links die schönsten Rinder- und Pferdewiesen, unterbrochen alle paar Kilometer von einem Weg, der seitwärts zu einer großen Farm führt, dessen Bewohner dieses Land bewirtschaften. So kommen wir nach High Prairie, einen der wenigen Orte, die man als solche bezeichnen kann. Solche Orte bestehen meist nur aus einer Hauptstraße, an der die Häuser rechts und links aufgereiht sind. Da einige sehr hübsche Häuser dabei sind, machen wir ein paar Fotos, unter anderem, als wir an einer roten Ampel stehenbleiben müssen. Direkt daneben gibt es ein Restaurant in einem recht ansprechenden Gebäude. Als zwei ältere Männer, die davor entlang laufen, sehen, dass ich fotografieren will, winken sie mir zu und fangen an, auf echt amerikanische Art ein paar Tanzschritte zu machen. Ich fotografiere sie lachend, winke ihnen zu und bei Grün fahren wir weiter. Wir freuen uns darüber solch spontane und herzliche Menschen zu treffen.
Die Weiterfahrt bringt uns nach Valleyview, wo wir bei unserer Rast ein geniales Geschäft mit Ledersachen finden. Die Sachen sind so gigantisch schön, dass wir sofort in einen Kaufrausch verfallen. Lederjacken und Lederwesten, für die man in Deutschland ein Vielfaches bezahlen müßte.
Wir haben uns diesmal vorgenommen, die Tagesetappen nicht ganz so lang wie das letzte Mal zu gestalten, sondern außer den Besichtigungen tagsüber, auch einmal früher einen Camp Ground anzufahren oder, wenn es uns irgendwo besonders gut gefällt, ein paar Tage an einem Ort zu bleiben. So fahren wir bei leicht regnerischem Wetter auf den Williamson Provincial Park, einen großen Camp Ground, wieder an einem See gelegen. Unsere Campsite ist mit riesengroßen Nadelbäumen eingewachsen, der gesamte Park ist sehr großzügig angelegt, aber nicht stark frequentiert. Wir erfahren, dass um diese Zeit, es ist fast Mitte Juli, normalerweise viel schöneres Wetter herrscht und dass es in letzter Zeit untypisch starke Regenfälle gegeben hat. Wir wollen angeln gehen, stellen aber gerade noch rechtzeitig fest, dass man für Alberta eine andere Genehmigung braucht als für British Columbia und beschließen, mit dem Angeln noch ein wenig zu warten, zumal die Gewässer hier durch die starken Regenfälle völlig verschmutzt sind. Die Angelgenehmigung, die für jede Provinz erhältlich ist, kann man in vielen Geschäften, zum Teil sogar im Supermarkt kaufen, ohne einen besonderen Nachweis erbringen zu müssen. Allerdings hat auch Kanada gewisse Fangbegrenzungen, da in den vergangenen Jahren viele Trophäenfischer aus dem Ausland Gewässer leergefischt haben.
Am nächsten Morgen fahren wir weiter und sehen nach ein paar Kilometern die ersten Bisons unseres Lebens. Die Bisons sind in einem mehrere Hektar großen Gehege untergebracht und sehen sehr eindrucksvoll aus. Im Norden von Alberta gibt es in einem großen Naturpark noch völlig frei lebende Präriebisons, aber selbst hinter einem Zaun macht eine so große Herde einen überwältigenden Eindruck. Immer noch bleibt das Land relativ eben, und wir fahren immer wieder vom Highway ab, um Nebenstrecken zu erkunden und uns das Hinterland anzusehen.