Unterweisungen

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Reserviertheit gegenüber Neuem

Warten auf die Weiterreise zum Bestimmungsort

Illegale Siedlungen armer Papua nahe Begesin

Täglich hatten wir Englischunterricht bei Gordon, einem ehemaligen australischen Missionar. Wegen der ganzen Kinder und deren Beaufsichtigung wurden vormittags die Männer, nachmittags die Frauen oder umgekehrt unterrichtet. Alle waren wir behaftet in einer gewissen Reserviertheit, vielleicht sogar Ignoranz, gegenüber diesem interessanten Erdteil. Als ich Jahre später von Madang nach Cairns flog, um auf der Schiffsüberfahrt nach Madang vor deutschen Touristen über das Leben in Neuguinea zu sprechen, war ich wissbegierig und offen für das Land. Jetzt warteten wir alle nur ungeduldig auf die Reise in „unser Land“. Adelaide mit seinen riesigen Vororten schien uns langweilig, wir hielten uns für anderes bestimmt, und Adelaide war nur eine Station auf dem Weg dorthin.


Mein Alltag war natürlicherweise geprägt durch Amos, meine Quelle der Freude. Täglich tat sich bei ihm etwas Neues, was mir einen willkommenen Vorwand für mein mangelndes Interesse lieferte. Ich konnte mein Schulenglisch erheblich verbessern durch Fernsehen, denn in Australien gab es bereits zu dieser Zeit viele Programme. Auch in Sendungen eingespielte Werbung war bereits üblich. Das war für mich so ungewohnt, dass ich bestimmte Werbespots noch heute im Ohr habe. Hinter dem Haus wuchs ein Orangenbaum, der gerade voll hing mit saftigen, köstlichen Orangen. Jeden Abend schnitt ich einen Teller voll mit Orangen in Schnitze, die Michael und ich beim Fernsehen zusammen aussogen.


Wir hatten einen uralten Holden (eine australische Automarke) gekauft und konnten Ausflüge in die nähere Umgebung unternehmen. Wir fuhren zum Strand, zu einem Tierpark und einmal zum Barossa Valley, wo deutschstämmige Weinbauern ein eigenartig altertümliches Deutsch sprachen und ihr Deutschtum unverdrossen pflegten. Aber letztlich war alles nur Ablenkung auf dem Weg zum Tag X, an dem wir zu unserem eigentlichen Bestimmungsort reisen würden, um endlich in die neue, andere Kultur einzutauchen.

Nachdem wir die Zeit in Adelaide mit einigermaßenem Anstand hinter uns gebracht hatten, war es so weit. Wir flogen mit Qantas von Adelaide über Port Moresby nach Lae. Wie leicht waren mir dieses Mal die Abschiede gefallen. Natürlicherweise hatte ich in der Zeit des ungeduldigen Wartens keine echten Beziehungen aufgebaut.


In Adelaide bestiegen wir nicht den erwarteten Jumbo Jet, sondern ein seltsam anmutendes, viel kleineres Flugzeug. Ich fühlte mich etwas verunsichert, als wir in Port Moresby in ein noch kleineres Flugzeug umsteigen mussten. In Lae trennten sich die Wege von uns drei Familien und es galt, wieder einmal Abschied zu nehmen. Wir trösteten uns gegenseitig damit, dass wir uns sicher bald wiedersehen würden. Unsere Familie wurde erwartet von Michaels Onkel Hermann. Er war Geschäftsmann und arbeitete für das Missionswerk als Geschäftsführer von Namasu, einer missionseigenen Handelsgesellschaft.


In Lae war gerade Übergang von der Regen- zur Trockenzeit. Schon beim Aussteigen aus dem Flugzeug klebten Hose und T-Shirt durch die hohe Luftfeuchtigkeit sehr schnell am Körper. Auf dem Weg zum Haus passierten wir verrostete Wellblechhütten, wo ehemals stolze Dorfbewohner ihr Dasein fristeten. „Squatter settlements“ nannte man laut Onkel Hermann diese illegalen Siedlungen. Dorfbewohner aus allen Teilen der Insel hatten sich hier in der Hoffnung angesiedelt, in einer Stadt am Reichtum der Weißen teilhaben zu können. Sie hatten sich selbst aus der Sicherheit, dem Eingebundensein in ihrem Stammesverband gelöst und warteten nun vergebens auf ein besseres Leben. Lethargisch ergaben sie sich in die Ausweglosigkeit dieser Lage und vegetierten unterhalb der Armutsgrenze vor sich hin. Die alten Sitten und Bräuche hatten ihre Bedeutung verloren, Arbeit fanden die wenigsten und Land, das sie hätten bebauen können, war nicht vorhanden. Gewalt und Alkoholismus waren an der Tagesordnung. Schon 1971 war das der Fall!