Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Aussichtspunkte

Body: 

Die ganze Pracht zu Füßen

Michelangelo und der Orangenhain vom Aventin

Gedenken aus der Kaiserzeit - der Circus Maximus

Bevor wir eintauchen in das Gassengewirr der Altstadt oder uns in das Geschubse des größten Museums der Welt im winzigen Vatikanstaat begeben, um die renovierte Sixtinische Kapelle zu bestaunen, sollten wir uns einen Blick aus der Höhe gönnen. Roms Hügel sind wie geschaffen, um sich die Pracht dreier Jahrtausende zu Füßen zu legen. Im Nu wird einem dort oben klar, dass Auswählen die wichtigste Maxime ist in einer Stadt, die so viele Kirchtürme zählt wie andere Städte Telefonzellen, so viele herrschaftliche Paläste wie andere Supermärkte und die mehr archäologische Schätze birgt als jeder andere Ort auf der Welt.

Hier einige empfehlenswerte Aussichtspunkte, wohin es an lauschigen Abenden auch eingesessene Römer immer wieder zieht.

Aventin – Dieser südlich des Kolosseums gelegene Hügel beschert zwei besonders reizvolle Ausblicke. Empfehlenswert vor allem abends ist der Orangenhain (bis Mitternacht geöffnet) neben der würdevollen, frühchristlichen Kirche Santa Sabina. Unter uns spiegeln sich die gelben Lichter im Fluß, und das Auge reicht von der Tiberinsel über Michelangelos Peterskuppel bis hinüber zum Gianicolo. Ein kleines Stück weiter, an der von Piranesi entworfenen Piazza dei Cavalieri di Malta, kann man durchs Gartentor einen Blick durch Roms berühmtestes Schlüsselloch riskieren. Durch das Loch in der Eingangspforte der Malteser-Villa schaut man auf einen von Bäumen gesäumten weißen Kiesweg, der unmittelbar vor der Peterskuppel zu enden scheint: die Kuppel des Doms als Miniatur – eine perspektivische Überraschung.

Von der Piazzale Ugo La Malfa (Ex-Piazzale Romolo e Remo) zu Füßen des Mazzinidenkmals und oberhalb des Circus Maximus, wo zur römischen Kaiserzeit dreihunderttausend Zuschauer Wettkämpfen und Schauschlachten beiwohnten, öffnet sich ein weiterer Blick: in die Albaner Berge, mit dem häßlichen Komplex der FAO (Food and Agricultural Organisation der UNO) im Vordergrund, daneben der Obelisk von Axum, die Pinien der Passeggiata Archeologica, auf den Palatinhügel mit seinen eindrucksvollen antiken Trümmern, rechts davon auf die Pinienlandschaft des Caelius mit der Villa Celimontana zwischen den Bäumen, auf das romanische Kloster der SS. Apostoli Giovanni e Paolo am Hang, das Tal zwischen Caelius und Palatin, auf dem einst Triumphzüge, am Kolosseum vorbei, auf das Forum und Kapitol zogen, dann auf das Kapitol selbst. Schließlich schweift der Blick links zum Tiber hinüber auf den schmucken romanischen Kirchturm von Santa Maria in Cosmedin mit einem der schönsten romanischen Kirchtürme, auf die Synagoge neben der Tiberinsel und natürlich auf die Peterskirche.

Der Blick über die drei der sieben Hügel, Caelius, Palatin, Kapitol, wandert über einen Landstrich, der über ein Jahrtausend reine Ruinenlandschaft war, durchsetzt mit Klöstern und Gärten, aber ohne Wohnhäuser. Zu Anfang des Jahrhunderts wandelte sich der Aventin zu einem Villenviertel mit viel Grün, und erst der Faschismus und die Spekulation nach dem Zweiten Weltkrieg ruinierten ihn. Der FAO-Bau war unter Mussolini als Afrikaministerium geplant und teils ausgeführt worden. Die Fertigstellung erfolgte 1951. Neben dem Bau ließ er als Siegestrophäe den aus Äthiophien verschleppten Obelisken von Axum aufstellen. Axum war einst Hauptstadt des äthiopischen Reiches und soll von Abraham selbst gegründet worden sein. Nach seiner Zerstörung im Mittelalter war es eine heilige Stadt, »wo auch heute noch alle Fehden ruhen müssen«, berichtet der Brockhaus von 1895. Mit dieser Idylle räumten englische und italienische Kolonisten in der Folge gründlich auf. Der Obelisk aus dem 4. Jh. n.Chr. steht heute etwas seltsam und unbeachtet da. Warum hier? Die gewollte Symbolik erforderte diesen Standort, denn hier nahm die Via Appia ihren Anfang, auf der die römischen Legionen ihre Sieges- oder Raubzüge – je nach Blickwinkel – nach Süden antraten. Von hier plante Mussolini eine Prachtstraße zum »Mare Nostrum« nach Ostia, die heutige Via Cristofero Colombo. Das Gelände um die noch innerhalb der Aurelianischen Mauern liegende Via Appia wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg als Park angelegt und führt, im Tal zwischen Caelius und kleinem Aventin, zu den Caracallathermen.

Gianicolo – Von der anderen Tiberseite aus ist die Altstadt am besten zu überblicken. Vom Hügel oberhalb Trasteveres (Piazzale Garibaldi) wird man sich eines Panoramas erfreuen, das bisher von modernen Betonklötzen verschont blieb. Im sanften Abendlicht leuchten Paläste und Kuppeln in warmem Ockertönen. Bei Sonnenuntergang ist dies ein Treffpunkt römischer Liebespaare. Frühaufsteher erleben hier, wie die ersten Sonnenstrahlen Turmspitzen und Hügel berühren. Lohnenswert ist der Aufstieg zu Fuß über die Via Luciano Manara, die anschließende Treppe, vorbei an der Kirche San Pietro in Montorio und der Fontana Paola und schließlich die Passeggiata del Gianicolo hinauf.