Neue Kirchen
Religiöse Baukunst auf Korsika
Die Pisaner als Architekten
Die Pisaner ließen an den alten Plätzen die zerstörten Kirchen und Kapellen wieder aufbauen; Architekten, Maurer und Bildhauer kamen vom italienischen Festland herüber und brachten ihre Kenntnisse mit. Dadurch waren die korsischen Kirchen insbesondere im Nebbio, in der Castagniccia und in der Balagne zwar voll dem pisanischen Einfluß unterworfen, doch darf man von diesen Bauwerken weder die Eleganz der Proportionen noch die Feinheit der Ornamente erwarten, die jene Meisterwerke auf dem Festland besitzen. Was ihre Besonderheit ausmacht, ist die Originalität dieser strengen, blockhaft wirkenden, meist kleineren Bauwerke, die Schönheit einfacher Formen mit ihren schlichten Fassaden von höchst seltener Eigentümlichkeit. Der korsische Landschaftsraum und die Mentalität seiner Bewohner haben die Bauwerke bodenständig gewandelt, was sich nicht zuletzt durch die Art und Qualität des vorhandenen Baumaterials ergab.
Durch Verzicht auf eine vielgestaltige Gliederung erreichen die Gotteshäuser ein geschlossenes übersichtliches Raumbild. Während die Wände romanischer Kirchen andernorts außen und innen gewöhnlich von Lisenen und Gesimsen unterteilt sind, kommt diese Aufteilung auf Korsika weit seltener vor, dafür breiten sich weite Flächen aus. Als in Pisa im Jahre 1125 der Architekt und Bildhauer Rainaldo die Arbeit von Buscheto fortsetzte, wurde seine Arbeit durch neue Formen deutlich. Diese beeinflußten auch die Arbeiten an den zukünftigen korsischen Kirchen durch dekorative Elemente; Skulpturen schmücken nunmehr die Fassaden, den unteren Dachrand und die Fensterumrahmungen.
Ab 1135 verleihen verschiedenfarbige Gesteinsarten neue Muster im Mauerwerk. Es werden graue oder goldgelbe Kalkschieferplatten, weiße Keilsteine aus Kalktuff, grüner, brauner, graugrüner Schiefer, gelber Tuffstein, bläulichgrünes Serpentingestein oder farbige Granitblöcke verbaut. Voraussetzung war die in der Umgebung anstehende Gesteinsart. So ist die Kirche von Sisco (Cap Corse) aus Schiefergestein, die Kathedrale »La Canonica« bei Mariana aus Kalkstein und die Kirche von Carbini (Südkorsika) aus Granit.
Einen ersten Hinweis auf die Entstehungszeit eines solchen Baus gibt das Mauerwerk. Während die ältesten Kirchen des elften Jahrhunderts aus roh behauenen Steinen errichtet wurden, setzt sich im zwölften Jahrhundert die präzise Bearbeitung der Quadersteine, der »Lapis quadratus«, durch. Vom Grundriß her können drei verschieden Bauformen unterschieden werden: die dreischiffige Basilika, der rechteckige Grundriß und die Doppelapsis. Die Dachkonstuktionen sind aus Holz und mit »teghie«, Schindeln aus örtlichem Gesteinsmaterial gedeckt. Steinwölbungen beschränken sich nur auf die Halbkuppeln der Apsiden und auf die Glockentürme.