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Umwelt in Gefahr

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Korsikas Geißeln: Müll und Waldbrände

Feige Brandstifter oder Achtlosigkeit?

1993 setzte sich Korsika auf der Liste der bestgeschützten Regionen in Frankreich an die erste Stelle. Nicht weiter verwunderlich, da das fast völlige Fehlen von Industrie die Reinhaltung der Luft und des Wassers begünstigt. Paradoxerweise zählt Korsika auch zu jenen Regionen, die am meisten Geld in den Erhalt der Umwelt stecken: die gesamte Tier- und Pflanzenwelt, darunter etliche Baumarten sowie Dutzende von Sites Classées stehen unter Naturschutz, ganz zu schweigen von den eigentlichen Naturschutzgebieten. Die korsischen Fremdenverkehrsbehörden jubeln: Korsika hat sich seine Unberührtheit erhalten!

Nun ja, ganz so rosig sieht es auf der Insel leider doch nicht aus. Ein gewichtiges Problem besteht jedenfalls nach wie vor: überall wuchern wilde Deponien, sowohl an den Berghängen als auch an ehemals paradiesischen Stränden. Ein Skandal, der oftmals von den Einwohnern mißbilligt und angezeigt, von den Behörden jedoch nicht so recht ernst genommen wird. Man reicht das Müllproblem an die Gemeinden weiter, die sich mit Geldmangel herausreden. Alte Korruptionsgerüchte werden wieder hervorgeholt, oder man schiebt die Schuld auf den Fremdenverkehr (sicher nicht ganz zu Unrecht!). Wer soll sich da auskennen?

Fest steht nur, dass Korsika eindeutig zu wenig Müllcontainer, -männer, -autos und Müllverbrennungs- sowie – man höre und staune – Recyclinganlagen besitzt. So jedenfalls die öffentliche Meinung. Dass die Korsen und ihre Besucher ganz einfach zuviel Müll erzeugen – man denke nur an die in ganz Frankreich üblichen Plastikflaschen für Mineralwasser! –, auf diesen Gedanken ist wohl noch niemand gekommen ... Wie meinte doch ein Festlandsfranzose uns gegenüber? »Man wähnt sich fast in der Dritten Welt«.

Höchste Zeit also, die Ärmel hochzukrempeln. Manch kleinere Kommune geht schon mit gutem Beispiel voran: die Einwohner wechseln sich bei der Strandreinigung ab, sobald die Saison zu Ende ist. Ein erster Schritt, der uns an gut gemeinte Müllsäuberungsaktionen bei uns – in Wald und Flur ausschwärmende Schulkinder – oder in den USA erinnert (hier ziehen ganze Familien mit Müllsäcken bewaffnet über die Autobahn!).

Was das zweite große Umweltproblem, die Wald- und Buschbrände, anbelangt, so stellt sich die Lage noch dramatischer dar. Jeden Sommer lösen sich Tausende von Hektar Wald und Macchia in Rauch auf. Längst pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass nur wenige dieser Feuersbrünste eine natürliche Ursache haben. Vielleicht gäbe es Mittel und Wege, dieser unglaublichen Naturzerstörung Einhalt zu gebieten. Aber Unehrlichkeit und vor allem Feigheit – das berühmte Gesetz des Schweigens (En Bocca cerrada no entran moscas, »In einen geschlossenen Mund kommt keine Fliege«, heißt es) – erschweren jeden Ansatz einer Lösung.

Hellsichtigere oder auch nur mutigere Korsen geben über die Schuldigen Auskunft: ein mißgünstiger Nachbar; ein Schäfer, der an eine Versicherungssumme herankommen möchte; ein Grundstückseigentümer, der keine Lust hat, sein Land urbar zu machen; ein Viehzüchter, der Weideland für sich gewinnen möchte; und ab und zu eine kleine persönliche Rache. Im größeren Rahmen spielt auch die Bodenspekulation, nicht zuletzt im Zusammenhang mit Tourismusprojekten, eine Rolle. Auf jeden Fall ist selten die vielzitierte, arglos weggeworfene Zigarettenkippe die Ursache.

Und was macht die Polizei? Solange die Korsen aus Fatalismus, Freundschaft oder Angst schweigen, wird ihre schöne Insel weiterhin von Bränden entstellt werden. Der seiner natürlichen Rückhaltevorrichtungen beraubte Boden wird Überschwemmungen keinen Einhalt mehr gebieten können und langfristig abgetragen werden. Wie so etwas dann aussieht, ist in allen, von der Bodenerosion besonders betroffenen Mittelmeerländern zu beobachten.