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Baden in Nagada
Selbstmachen ist wieder angesagt
Niemals die Dinge für selbstverständlich halten
Als Familie entwickelten wir in dieser glücklichen Zeit einen neuen Rhythmus. Wir nahmen mittags in der Hitze nur einen kleinen lunch zu uns, den Kindern hatte ich ein wenig Obst und belegte Brote mitgegeben, und nachmittags, wenn Janna und Amos von der Schule zurück waren, fuhren wir nach Nagada zum Baden. Nagada war, auf halbem Weg von Madang nach Amron abzweigend, ein winziger Küstenort mit nur wenigen, von Kirchenmitarbeitern bewohnten Häusern. Nach der Abzweigung durchquerte man zunächst Kokosplantagen, bis sich der Blick auf diesen idyllischen, an einer Meeresbucht liegenden Ort, auftat. Hier lernten wir Angestellte von Kristen Pres, einer Druckerei der lutherischen Kirche, kennen und trafen uns mit Freunden am weißen Sandstrand zum Baden und Kaffetrinken. Wenn dann in der Dämmerung die Moskitos lästig wurden, kehrten wir zurück nach Amron, um unser Abendprogramm zu gestalten. Ich bereitete unsere Hauptmahlzeit zu, das dinner, während Michael mit Amos und Janna Karten- oder Brettspiele spielte. Abends machten wir hinter dem Waschhaus Feuer oder wir saßen zusammen im Wohnzimmer und erzählten Geschichten oder machten Spiele, oder Janna wollte mit mir auf ihrem Bett tratschen, während Amos Kassetten hörte es wurde uns nie langweilig.
Ich nahm das Brotbacken wieder auf, denn noch immer gab es in Madang von der Bäckerei nur das übliche, floppige Toastbrot. Überhaupt war wieder Selbstmachen angesagt. Ich hatte von einem Metzger in Ostheim das Rezept für Leberwurst bekommen und hatte gleich die Dosen zum Einkochen in unseren Überseetonnen mitgebracht. Michael baute hinter dem Waschhaus einen drumstove, das war eine mit Zement ummauerte Blechtonne mit einer eingemauerten Feuerstelle, die von unten die Tonne beheizte, wodurch diese eine unglaubliche Hitze aufnahm. Der Deckel der Tonne war meine Ofentüre. Hier konnte ich Brot backen oder meine Dosen mit Wurst einkochen, ohne teueres Gas zu verbrauchen. In Nagada lernte ich die deutsche Frau eines Angestellten von Kristen Pres kennen, die sich begeistert über meine selbstgemachte Leberwurst zeigte. Alle paar Monate kauften wir in Madang bei Gert, einem deutschen Metzger, der mit einer Einheimischen verheiratet war, Leber und Schweinebauch ein, um sie dann in Amron zu verwursten.
Noch heute sagt mein Bruder, der uns einmal in Niugini besucht hat, ich müsse unbedingt wieder mal Leberwurst machen. Natürlich kommt mir das hier in Deutschland, wo ich sowohl alle Sorten Brot als auch Wurst jederzeit kaufen kann, keineswegs erstrebenswert vor. Es scheint, dass wir immer die Dinge für wertvoll erachten, die da, wo wir uns gerade aufhalten, etwas Exotisches haben oder schwer zu ergattern sind. Heute bekomme ich glänzende Augen beim Anblick einer Passionsfrucht in der Obstabteilung eines Supermarktes und muss gleich einen Obstsalat mit allen erdenklichen exotischen Früchten auf den Tisch zaubern. In Amron pflanzte ich gleich neben dem Haus einen Passionsfruchtstrauch, Michael spannte ein paar Drähte zum Ranken. Damals erinnerten mich die Blüten paradoxerweise an Edelweiß.
Wenn ich heute in einem Supermarkt grüne Limonen sehe, erinnere ich mich, wie ich beim Kochen oft die Kinder gebeten habe, mir eben eine muli, eine Limone, für das Salatdressing vom Baum neben dem Haus zu holen. Oder Papayas was sind das doch für mickerige Dinger, die man hier aus Israel oder Südamerika kaufen kann, geht mir oft durch den Kopf. In Amron hatten wir mehrere Papayabäume um das Haus herum. Ich erinnere lebhaft, welches Wettrennen mit den fliegenden Hunden wir immer um die großen Früchte hatten. Manchmal schnitten wir eine reife Frucht von einem der Bäume ab und entdeckten dann die Bisse der kleinen, spitzen Zähne der Säuger, die uns wieder einmal zuvor gekommen waren und die Papaya längst ausgesaugt hatten. Nachts hörte ich oft, im Bett liegend, das heftige Flügelschlagen der blak bokis, der fliegenden Hunde, wenn gerade wieder eine der Früchte ausgesaugt wurde, und dachte erbost: "Da kommt uns wieder so ein Miststück zuvor".