Architektur

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Architektur im goldenen Viertel

Häuser, Plätze, Cafés

Diese postromantischen Häuschen mit ihren vorgelagerten Gärten sind einer der ruhigsten Wohnorte, die man sich in der Stadtmitte vorstellen kann, und wurden bis 1930 von wohlhabenden Barcelonesen bewohnt. Vom anderen Ende der Passage gelangen wir, immer bergauf, über »Roger de Lluria« und dann auf »Aragó« nach rechts zu der von ihrem ursprünglichen Standort hierhin verpflanzten gotischen »Concepció«-Kirche, die älteste Barcelonas dieses Stils, mit sehenswertem Kreuzgang aus dem 14. Jh. Einen Block weiter in Richtung Frankreich, also gegen den Verkehr, liegt der schöne »Mercat de la Concepció« mit seiner Eisenstruktur aus dem letzten Jahrhundert. Wenn wir ihn durchqueren, stoßen wir auf der entgegengesetzten Seite, am »carrer Valéncia«, auf einen farbenfrohen und auch zur »Concepció« gehörenden kleinen Blumenmarkt. An der Ecke »Valéncia«/»Bruc« schließlich die städtische Musikhochschule, die auch ein Musikmuseum beherbergt.

Einen Block weiter, in dieselbe Richtung und dann bergauf, erreichen wir an einer Straßenkreuzung drei wichtige Jugendstilhäuser. Die »Casa Montaner«, bei »Mallorca«/»Roger de Lluria«, hat eine auffällige, mit vielfarbiger Keramik verzierte, Fassade und kann montags bis freitags zwischen 9 und 13 h besichtigt werden. Etwas weiter in Richtung Frankreich, auf demselben »carrer Mallorca«, erblickt man die »Casa Thomas«. Dieses neugotische Gebäude des Architekten Doménech i Muntaner ist heute Sitz einer Möbeldesignfirma und ebenfalls zu besichtigen.

Von hier gehen wir wieder zurück auf »Lluria« und dann bergauf bis zur »Diagonal«. Auf der entgegengesetzten Seite dieser Allee fällt etwas weiter rechts ein schloßartiges großes Gebäude auf, das einen ganzen »Eixample«-Block einnimmt. Es handelt sich um die neugotische, im Volksmund »Casa de les Punxes«, das »Spitzenhaus«, genannte »Casa Terrades«. Dieser an nordeuropäische Architektur erinnernde Häuserblock stammt vom Jugendstil-Architekten Puig i Cadafalch und besitzt noch die Merkmale der ersten Phase des katalanischen Jugendstils. Von hier gehen wir jetzt die »Diagonal« aufwärts bis zum »Passeig de Gràcia«, wo wir zwei Blocks weiter unten der beeindruckenden »Casa Milá« oder »Pedrera« begegnen. Dieses ist das letzte von Gaudí erbaute Wohnhaus, und zusammen mit der »Sagrada Familia« sein Meisterwerk. Hier erreichte der genialste spanische Architekt aller Zeiten den Gipfel seines Könnens und schuf mit diesem »Kunstwerk« quasi eine bewohnbare abstrakte Skulptur. Die gewellte Fassade mit extravaganten Eisenverzierungen, die organischen Formen der Innen- und Außenwände – ermöglicht durch neue, die Wände entlastenden Trägerstrukturen wie in heutigen Wolkenkratzern üblich – die bizarre Dachlandschaft, die unregelmäßigen Innenhöfe und die bis in Einzelheiten spürbare, übersprudelnde Kreativität verleihen diesem Gebäude den höchsten Ausdruck des barcelonesischen »Modernisme«.

Kunst der Unregelmäßigkeit

Die »Pedrera«, oder »Steinbruch«, wie die »Casa Milá« aufgrund ihrer unregelmäßigen Formen von den findigen Barcelonesen schnell getauft wurde, kann täglich – außer sonntags, montags, freitags und feiertags – von 10-13 h besucht werden. Es lohnt sich, an einer dieser stündlich stattfindenden Führungen (in verschiedenen Sprachen) teilzunehmen, da sie Gelegenheit bieten, das noch verrücktere Innere und die bizarre Dachlandschaft zu besichtigen.

Auskunft zu den verschiedensprachigen Führungen unter T. 215 33 98. Eine weitere Möglichkeit, das Innere mit seinen nie geradlinigen Wänden und unregelmäßigen Decken zu bewundern, bietet der im ersten Geschoß untergebrachte Austellungssaal der »Fundació Caixa de Catalunya« – siehe »Ausstellungssäle und Kulturzentren«. Nach diesem Meisterwerk könnten die nächsten Stationen unseres Rundgangs vielleicht etwas verblassen, doch auf unserem Programm stehen uns noch einige überraschende architektonische Höhepunkte bevor.

Einen Block unter der »Pedrera« biegen wir über »Mallorca« rechts ein und führen unseren Spaziergang auf der angenehmen Promenade der »Rambla Catalunya« fort. An der zweiten Ecke müssen wir auf der Bergseite der breiten Straße »Aragó« dann wieder nach links, um die, durch die auffällige Stahlrohrskulptur »Wolke und Stuhl« gekrönte, »Fundació Tápies« zu erreichen. In diesem, 1880 als erstes Jugendstilgebäude von Doménech i Muntaner erbauten, schönen alten Verlagshaus aus Ziegelsteinen und Eisen sind die Werke des wichtigsten lebenden katalanischen Künstlers Antoni Tápies untergebracht und als Dauerausstellung zu sehen.

Von hier aus zurück zum »Passeig de Gràcia«. Der seinerzeit umstrittene, heute vielleicht wertvollste, Häuserblock der Stadt ist der berühmte »Manzana de la Discordia«, Block der Zwietracht, im Volksmund so geheißen wegen seines Stilgemisches. Die Häusergruppe liegt zwischen »Aragó« und »Consell de Cent«, rund 300 Meter unter der »Pedrera«. Hier stehen Wand an Wand drei Meisterwerke der Jugendstilarchitektur. Das eigenartige Märchenhaus »Casa Batlló« (1904) mit seinem, einem Drachenrücken nachempfundenden Mosaikdach und den schädel- oder maskenförmigen Balkonen – es gibt verschiedene Interpretationen – ist eine Verkörperung der altkatalanischen »St. Jordi«-Sage. Es gilt als eine der ausgefallensten Schöpfungen Gaudís, der für dieses Haus, von der extravaganten Fassade bis zum originellen Mobiliar, alles persönlich entwarf.

Unmittelbar daneben Puig i Cadafalchs »Casa Amatller« (1900) mit seiner nordeuropäisch wirkenden Neugotik-Fassade und der spitz zulaufenden Front. Die nächsten beiden Häuser des zweitrangigen Lieblingsarchitekten der reichen barcelonesischen Oberschicht der Jahrhundertwende, Lluis Sagnier, im Ludwig XVI.-Stil heben sich nicht von den üblichen Gebäuden des »Passeig de Grácia« ab. Dagegen ist die an der Ecke zu »Consell de Cent« stehende »Casa Lleó i Morera« eines der besterhaltenen und reichstverzierten Jugendstilhäuser der ganzen Stadt.

Hier äußert sich die für den Jugendstil typische Zusammenarbeit verschiedener Handwerke in einem detailreichen, eindrucksvollen Ganzen. Die Architektur ergänzt im Inneren dieses Hauses reiche Holzschnitzereien und -täfelungen, farbenreichen Glasarbeiten, Mosaikverzierungen mit Relief und auf den äußeren Rahmen abgestimmte Möbel. Eingang und Treppenhaus allein sind schon beeindruckend, aber man sollte sich mal in den prunktvoll ausgestatteten Räumen der städtischen Fremdenverkehrsbehörde im ersten Stock umsehen. Gruppenführungen können unter T. 215 44 77 vereinbart werden. An dieser Ecke kehren wir über »Consell de Cent« zur »Rambla Catalunya« zurück und spazieren diese Promenade bis zum »Café Zürich« hinunter, Ausgangs- und Endpunkt unseres Rundgangs.