Nachtleben

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Weiße Nächte in Barcelona

Barcelona ist nicht zuletzt für sein reges Nachtleben bekannt. Da das lateinische Temperament der Barcelonesen nach Kommunikation und gemeinschaftlicher Vergnügung strebt und das milde Klima dazu einlädt, wird hier lieber auf der Straße, also in öffentlichen Lokalen, als zu Hause gefeiert. Daher das quirlige Treiben zu nächtlicher Stunde. Besucher lassen sich schnell anstecken und in den Sog dieser faszinierenden und berauschenden Welt ziehen, obwohl das alles während der »transición«, in den jungen Jahren der Demokratie, noch viel ausgeprägter und spektakulärer war als heute. Damals, z.Z. des rasanten Wirtschaftsaufschwungs und der kreativen Explosion der Jugendkultur oder Gegenkultur, wie es damals hieß, entstand die »movida«, was soviel wie Szene oder Geschehen bedeutet, und es verging keine Nacht, ohne dass eine neue Ausstellung, ein neues Lokal eröffnet wurden und ohne dass eine Modenschau, ein Konzert oder irgendeine Performance stattfand. Die lange gefesselte Kreativität einer oder zweier Generationen brach sich Bahn, und die Stadt feierte Tag und Nacht ihr Erwachen aus dem kulturellen Dornröschenschlaf der Diktatur. Wer damals nach Barcelona kam, mochte seinen Augen kaum trauen: es war eine Stadt im Umbruch, was sich besonders im Bereich der Kultur und im Nachtleben bemerkbar machte.

Für jeden Geschmack

Heute hat sich die Aufregung gelegt. Alles ist professioneller, durchplanter, und das Angebot hat sich erweitert und spezialisiert. Es gibt für jeden Geschmack, jeden Geldbeutel und jedes Alter das Richtige, denn die Nacht gehört nicht nur den Jugendlichen. Andere Dienstleistungen mögen in dieser Stadt fehlen, Bars und Nachtlokale gibt´s aber dafür im Überfluß.

Die »movida« begann in den Siebzigern in der Altstadt, um die »Plaça Reial« und die »Ramblas«, griff dann auf das »Ribera«-Viertel über und verlagerte sich zu Beginn der Achtziger, zur Zeit der Designer-Lokale, auf die »Zona Alta«, die oberhalb der »Diagonal« gelegenen vornehmeren Viertel, und heute ... heute wuchert sie überall gleichzeitig, wobei ein gewisser Typ von Lokalen jede Zone kennzeichnet und ein bestimmtes Publikum anzieht. Deshalb sollte man immer wissen, was genau man sucht. In der Altstadt vermischt sich so ziemlich alles, obschon hier keine Edelschickeria zu erwarten ist, sondern eher die flippige internationale Stadtbohème.

»Gràcia« ist eher alternativ geprägt, und hier findet man von lauten Musikbars für die jüngsten Jahrgänge bis zu ruhigeren Terrassencafés oder Szenekneipen so ziemlich alles. In der Gegend um »Diagonal«, »Pl. Francesc Maciá« und »Mariá Cubí« trifft sich ein modebewußtes, dem Zeitgeist hinterherlaufendes Publikum. Der letzte Abschnitt der »Diagonal«, von diesem Platz bis nach »Maria Cristina« hinauf, ebenso wie der »Tibidabo«, sind Reviere der »Schönen und Mächtigen«, also der lokalen Schickeria und auch des Jet-Sets, während der »Paral.lel« Mittelpunkt des »ambiente canalla«, einer gaunerhafteren Umgebung mit viel Lokalkolorit ist. Die letzterschlossene Vergnügungszone ist die Gegend zwischen »Consell de Cent«, »Villaroel«, »Valéncia« und »Balmes«, ein großes, als Mittelding zwischen Altstadt und Schickeria-Vierteln geltendes Rechteck, in dem sich viele neue extravagante Lokale eingenistet haben, die ein exzentrisches Publikum aus zwei Generationen anlocken.

Der letzte Schrei in Bezug auf Nachtlokale ist aber der jüngst hinzugekommene »Port Olímpic«, neuer Schickeria-Treff. Hier haben die erfolgreichsten Unternehmer der barcelonesischen Nacht Niederlassungen ihrer Lokale eröffnet und wieder einmal einen vollen Treffer gelandet.

Die Nacht fängt am…Morgen an

Wer einen nächtlichen Streifzug plant, sollte auch Gewohnheiten und Regeln kennen. Die Nacht beginnt hier üblicherweise erst spät und nicht mit Einbruch der Dunkelheit. Erst nach dem spanischen Abendessen, so gegen 23.30 h, trifft man sich normalerweise in einem Café oder auf einer Terrasse, wo ruhig zu einem Kaffee geplaudert und der weitere Verlauf der Nacht geplant wird. Danach geht´s in eine oder in eine Reihe von Bars oder Kneipen, wo es mit lauter Musik schon etwas animierter zugeht. Wenn diese gegen 2.30-3 h schließen, begibt man sich erst in die Diskotheken oder »Clubs«, vorausgesetzt, man besitzt noch die nötige Kraft. Von hier geht´s dann normalerweise so um 5 oder 6 h, nach einem Frühstück in einer der die ganze Nacht über geöffneten Bäckereien oder Bars, ins Bett.

Für diejenigen, die beim Morgengrauen erst richtig munter werden, öffnen dann um 6.30 h die »After-Hours«-Lokale, wo eine nimmermüde Menschenmenge bis zum Mittag weitertanzt. So lange Nächte verbringt heute nur noch das verrückte und aufgedrehte Jugendpublikum der »Club«-Szene, obgleich vor nicht allzulanger Zeit noch viele Spanier auf diese Weise durchfeierten.

Ein derartiger Streifzug kann teuer werden, denn die Preise entsprechen den mitteleuropäischen. Vorsicht in Discos oder »Clubs«, denn dort wird erst richtig zugeschlagen. Dazu ist anzumerken, dass bei Mixgetränken oder Longdrinks freigibig mit Alkohol umgegangen und dieser nicht in den von daheim gewohnten geizigen Fingerhutmengen kredenzt wird.

Alles hat seinen Platz in der barcelonesischen Nacht: ruhige Cafés, exotische Restaurants, pikante Music Hall-Shows, Sektbars, Schickeria-Treffs, hochgestylte Designer-Bars, reinrassige Flamenco-Lokale, extravagante Alternativbars, Salsa-Discos, ekstatische »Techno«-Tanztempel, Liveauftritte, erholsame Jazzkeller, ohrenbetäubende Rockerkneipen und gemütliche Terrassen.