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Hafen, Aquarium und Strände

Sardinien in Sichtweite

Bonifacio: Pflichtbesuche

Es wäre schade, sich nicht ausreichend Zeit für die Erkundung Bonifacios zu nehmen. Um dem Strom der Touristen zuvorzukommen, ziehen wir schon im Frühtau zu Berge. In der Abenddämmerung wird es auch wieder ruhiger, weil die Durchschnittsbesucher dann in ihre auswärtigen Quartiere verschwinden. Den sagenhaften Sonnenuntergang muß man einfach erlebt haben! Nicht zu vergessen die Schiffsausflüge, die zwar durch und durch touristisch sind, aber die einzige Möglichkeit darstellen, die Felsklippen zu erkunden. Jedenfalls gewinnt man so ein klareres Bild von der einmaligen Geographie des Ortes.

Marina

Der Hafen umfaßt beinahe die gesamte Unterstadt Bonifacios. Im hinteren Teil der Hafenzufahrt liegen die Jachten vor Anker. Man kommt sich vor wie in Saint-Tropez: Lokale, Straßencafés, Andenkläden mit allem möglichen und unmöglichem Ramsch, Eiscafés, Palmen usw. Hinter dem ersten Kai stoßen wir jedoch auf den kleinen Fischerhafen, der uns mit seinen bunten Fischerbooten und den aufgehängten Netzen viel besser gefällt. Schöner Blick auf die Stadtwälle der Oberstadt. Am Ende des Kais dümpelt bisweilen eine stattliche Hochseejacht.

  • Aquarium von Bonifacio: 71, quai Comparetti. Publikumsverkehr von Ostern bis Ende Oktober täglich von 10h bis Mitternacht (außerhalb der Urlaubszeit bis 20h). Kostet Eintritt. Mitten in den Felsen befindet sich eine kleine Grotte, in der zehn Aquarien uns die bunte Fülle der örtlichen Meeresfauna vor Augen führen: Mérou, Sar, Hummer, Languste, Seestern, Hornkoralle, riesige Muränen, aber auch fliegende Krabben (!), Meeresorangen, Seenelkenwurm, Meerfedern, Petarden, Heuschreckenkrebse und Meerjunker.

    Oberstadt (Haute-Ville)

    Bonifacios oberer Stadtteil ist von malerischer Schönheit. Zwischen den hohen, schmalen Hauswänden dringt kaum ein Sonnenstrahl durch. So eng stehen die Häuser beieinander, dass man sich von Balkon zu Balkon die Hände reichen kann. Die Rue des Deux-Empereurs (Zwei-Kaiser-Straße) heißt so, weil Kaiser Karl V. und Napoleon einst in dieser Straße rasteten (die Häuser stehen 250 m auseinander). Karl befand sich auf dem Heimweg von einem Feldzug in heutigen Algerien (1541), als ihn ein Sturm im Naturhafen von Bonifacio Schutz suchen ließ und so im damaligen Stadtpalais des Grafen Filippo Cattaciolo nächtigte, und Napoleon befehligte als junger Offizier einige Monate lang die Besatzung der Festung (1793).

    In der Luft liegt etwas Orientalisches: der Bogen eines Arkadenfensters, die Loggia in der Kirche Saint-Marie-Majeure aus dem 13. Jh., die düsteren, verschachtelten Passagen, das unsichtbare Leben hinter den Fensterläden ... Am aufregendsten ist das alles am frühen Morgen, bevor die Touristen einfallen. Das ist dann der ideale Zeitpunkt, um den Lebensrhythmus der Stadt zu erspüren und aufzunehmen. Für den Aufstieg zum Belvédère belohnt uns ein unvergleichliches Panorama: die gefältelte Küstenlinie, die enormen Kalksteinabbrüche und Sardinien, das an stürmischen Tagen zum Greifen nah erscheint ...

  • Col Saint-Roch: Zugang vom Hafen aus über die Montée Rastello. Dieser Aussichtspunkt befindet sich links neben der Montée Saint-Roch, die zu einem Tor der Oberstadt führt. Die gleichnamige Kapelle erinnert an den letzten Pesttoten 1528. Toller Rundblick auf die Klippen einer- und die Stadtwälle andererseits. In der Tiefe erblicken wir das türkisblaue Meer und den kleinen Kieselstrand, zu dem ein Pfad hinabführt. Einen besonderen Anblick bieten die hart an die Steilküste gebauten Behausungen. Das Haus ganz links mit dem Kolonadenbalkon gehört übrigens der hier gebürtigen Schauspielerin Marie-José Nat.
  • Genueser Tor: über die Montée (Aufstieg) Saint-Roch zu erreichen. Mächtiges Tor mit Zugbrücke aus dem 16. Jh, das bis ins 19. Jh. den einzigen Zugang zur Stadt gewährte und deren Schlösser und Riegel der Gouverneur höchstselbst allabendlich überprüfte.
  • Bastion der Standarte (Bastion de l´étendard): wenn man aus der Passage tritt, rechts. Die Befestigungsanlage entstand gegen Ende des 15. Jhs zur Sicherung des Genueser Tors, damals der einzige Zugang zur Oberstadt. Während der Saison zu besichtigen. Die Eintrittskarte berechtigt auch zum Betreten der Gedenkstätte, der »Treppe des Königs von Aragon« (Escalier du Roi d´Aragon) und des Jardin des Vestiges.
  • Gedenkstätte in der Bastei (Mémorial du Bastion): in der Bastei. In den historischen Räumen sind gegen ein Eintrittsgeld nachgestellte Szenen aus der heimischen Geschichte zu sehen: ein genuesischer Wachtrupp aus dem 17. Jh., der Besuch Karls V. im Jahr 1541, das Scheitern von Napoleons Mini-Staatsstreich und der Schiffbruch der »Sémillante« im 19. Jh.

    Hier ist auch in einem kahlen Raum ein wurmstichiger Tisch, der Schreibtisch eines gewissen Artilleriehauptmanns Buonaparte zu sehen, der im März 1793 auf der Zitadelle von Bonifacio an einer bitteren Entäuschung würgte. Ende Februar war das korsische Freiwilligenbataillon auf der sardischen Klippe Santo Stefano gelandet, und mit den dort verlassenen piemontesischen Kanonen beschoß nun der republikanisch gesonnene Hauptmann, mit Militärschulkenntnis, die Grenzfestung La Maddalena des Piemontenserkönigs, bis ein »Zwischenfall« (Sabotage, Meuterei?) die Sardinienexpedition zum Rückzug zwang, und der Capitaine zusehen mußte, wie seine ersten Beutekanonen ins Meer geworfen wurden. Der verdächtige Zwischenfall war für die Brüder Buonaparte Anlaß zum endgültigen Bruch mit Pasquale Paoli.

  • Jardin des Vestiges (Ruinengarten): von der Bastei wieder vor dem Genueser Tor vorbeilaufen und die Rue du Portone einschlagen. Eintrittspflichtig. Längst blüht neues Leben auf den mittelalterlichen Mauerruinen aus dem 13. Jh.
  • Marktplatz: am Ende der Rue du Portone. Prominenter Aussichtspunkt mit Blick auf die Steilküste und das Meer. Das bizarre Felseninselchen heißt sinnigerweise »Staubkorn« (Grain de sable). Vom kleinen Lombarden-Turm aus blicken wir unmittelbar auf die kristallklaren Wasser des Traumstrands von Sotta-Rocca. Sobald die Touristen das Feld räumen, nehmen die Einheimischen ihr gewohntes Boule-Spiel wieder auf.
  • Sainte-Marie-Majeure: Kirche an der Place du Chanoine. Von der Rue Piazza Doria an ausgeschildert. Der weiße Stein des prächtigen Glockenturms aus dem 14. Jh. ist unverkennbar. Neben dem reich verzierten Glockenturm fallen uns die Fenster mit ihren skulptierten Kapitellen auf. Die Strebebögen der Kirchenmauern stützen sich auf die Nachbarhäuser. Aber dahinter steckt noch ein verborgener Sinn: die Schwibbögen tragen oben Rinnen und leiteten das Wasser von den Häusern zu Bonifacios größter Zisterne von 650 Kubikmetern Fassungsvermögen unter die Loggia der Kirche. Sainte-Marie-Majeure gilt als ältestes Bauwerk in Bonifacio; die Pisaner errichteten es im 12. Jh. Der Komplex wurde mehrfach umgebaut und vor zehn Jahren fachmännisch restauriert. Der sehenswerte, hallenartige Vorbau, Versammlungsort der »Alten«, heißt Loggia. Reiche Innenausstattung mit zahlreichen Marienbildern, beschädigten Deckengemälden und einem schönen Altar. Das halbkreisförmige Gewölbe über dem Chor stellt den Himmel dar. Auch das italienische Renaissance-Tabernakel ist kunstgeschichtlich wertvoll.
  • Haus der Podestats: der Kirche gegenüber. Leuchtend weiße Steinfassade mit Friesschmuck und in Stein gehauenen Wappen. Podestàs nannten sich die genuesischen Statthalter, denen die Verwahrung des Stadtschlüssels oblag.
  • Zentrum für religiöse Kunst (Centre d´Art sacré): im Palazzo publico, dem alten Rathaus rechts vom Kirchenausgang. Alte Fassade und Gewölbe aus dem 13. Jh. Nur im Juli, August und September zu besichtigen. Zu sehen ist der Kirchenschatz aller Stadtkirchen.
  • Saint-Jean-Baptiste: rue Saint-Jean-Baptiste, kurz vor der Place Bonaparte. Kleines, putziges Kirchlein; im Inneren ein Bildstock mit ergreifenden Gesichtern, der während der Prozessionen auf einem Gerüst durch die Straßen getragen wird.
  • Treppe des Königs von Aragon (Escalier du Roi d´Aragon): Zugang über die Rue des Pachas. Theoretisch nur im Juli und August geöffnet (was sich von heute auf morgen ändern kann; sich erkundigen). Eintrittspflichtig. Die in die Kalkfelsen gehauene Treppe, die bis zum Meer hinabführt, ist eine der Hauptsehenswürdigkeiten Bonifacios. Der Legende zufolge soll sie, wie ausgeführt, das Werk einer einzigen Nacht sein. Während der Belagerung von 1420 sollen die Mannen des Königs auf diese Weise versucht haben, in die Stadt einzudringen.

    Prosper Mérimée vertritt in seinen Erinnerungen hingegen die Ansicht, die Treppe sei viel älter und habe Zugang zu einem Brunnen gewährt. Das kommt uns auch plausibler vor. Unseren mutigen Lesern bleibt es überlassen, einige der 187 Stufen hinabzusteigen. Zum Strand von Sotta-Rocca am Fuß des Col Saint-Roch gelangt man auch, wenn man den Fuß der Felsklippe entlang marschiert. Anschließend heißt es aber Stufen steigen, bis einem die Zunge heraushängt ...

    Andere Möglichkeit: der Klippe weiter bis zum kleinen Strand weiter unten folgen. In der Grotte rechts finden wir eine weitere Treppe, die uns über 250 Stufen ebenfalls durch die Felswand geleitet und in einem Turm der Oberstadt endet – aus dem es dummerweise aber kein Entrinnen gibt! Also kehrt marsch und einen erneuten Aufstieg über die »Treppen des Königs« oder den Col Saint-Roch unternehmen: viel Vergnügen! Alle Faulen dagegen nutzen eine viel bequemere Methode zur Inaugenscheinnahme der Königstreppe: per Schiffsausflug nämlich.

  • Kirche Saint-Dominique: immer noch auf der Felsklippe, aber abseits der Altstadt, hinter dem Verkehrsamt. Die Kirche, errichtet von 1270 bis 1343, zählt zu den seltenen gotischen Kirchen auf Korsika. Schöner achteckiger, katalanischer und zinnengekrönter Glockenturm. Im Inneren besonders reiches Mobiliar mit einem marmornen Hauptaltar und Ikonen aus dem 18. Jh., zahlreichen alten Gemälden und prächtigen Skulpturengruppen, die bei Prozessionen mitgeführt werden. Ihre Ursprünge gehen auf den Templerorden zurück, den Anfang des 12. Jhs im Heiligen Land gegründeten Bund französischer Ritter.
  • Matrosenfriedhof (Cimetière marin): nimmt auf der Westspitze des Felsens ein karges, kleines Plateau namens le Bosco ein. Der Weg dorthin führt an der heute aufgelassenen Kaserne der Fremdenlegion vorbei. Eine Umfassungsmauer umgibt die Totenstadt des Friedhofs, dessen weiße Gräber der aufgehenden Sonne entgegenblicken. Korsen pflegen eine eher familiäre Beziehung zum Tod, wovon die zahlreichen, weißen Totenkapellen mit den Familiennamen zeugen. Eine kleine Stadt für sich. Diskretion bitte!