Respekt

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Klatsch und Tratsch

Probleme mit der Arbeitserlaubnis

Eine immer freundliche Behandlung

Auf unseren Fahrten zur Arbeit trat sie immer den neuesten Klatsch aus der Arbeit und von ihrer Siedlung breit. Vor Wasserbüffel-David bewies sie keinen allzu großen Respekt, denn der hatte ein Verhältnis mit Elizabeth, einer der Arbeiterinnen in der Hühnerfabrik, in deren Büro wir arbeiteten. Elizabeth, so berichtete Margaret, versorgte die anderen Mädchen mit genauen Details über David. Sie beschrieb seinen Körper, der mager wie ein bun kakaruk, ein Hühnerknochen sei, und auch über sein Verhalten beim Verkehr schien sie die Mädchen mit ziemlich genauen Beschreibungen zu unterhalten. Oft schaute ich David nach solchen Schilderungen durch die Glasscheibe, die sein Büro von unserem trennte, an, und dachte: wer hätte das gedacht, dass du einmal einen solchen Trottel aus dir machen würdest?


Eines Tages hielt ich es nicht mehr aus. Wieder hatte mir Margaret im Auto von Elizabeths Geschichten erzählt, die Mädchen in der Hühnerfabrik feixten, wie es schien, mit jeder der saftigen Geschichten mehr, und so meinte ich, David zumindest darüber ins Bild setzen zu müssen. Gleich nach Arbeitsbeginn fragte ich ihn, ob er einen Moment Zeit zu einem Gespräch mit mir habe. Ich erklärte ihm in seinem Büro, wie Elizabeth über ihn redete. Bei meinen Worten sank er geradezu in sich zusammen – durch die Glasscheibe beobachtete Margaret alles voller Schadenfreude. Zum Abschluss bedankte David sich förmlich und höflich, er geleitete mich gentlemanlike zur Tür, und ich machte mich an meine Arbeit. Margaret, die offensichtlich genau wusste, worum es bei dem Gespräch zwischen David und mir gegangen war, genoss im Nachhinein wieder und wieder ihre Beobachtungen: „Sori tru, David“, sagte sie, „yu toktok na het bilong em i go daun, Armer David, Du hast geredet, und sein Kopf senkte sich“. Als es endlich Mittag war, machte ich mich auf den Weg nach Hause.

Auf der Heimfahrt ließ ich mir durch den Kopf gehen, wie geschickt Margaret mich durch ihre Erzählungen dazu gebracht hatte, das Gespräch mit David zu suchen. Immer wieder hatte sie die diskriminierenden Beschreibungen von Elizabeth bei unseren Fahrten zur Arbeit wiederholt, die fast täglich grotesker wurden. Wollte sie mich, die weiße Kollegin, vielleicht loshaben? Hatte sie mich nur manipuliert? Und Davids Reaktion, war sein Dank Ernst gemeint, oder würde er mir nun nicht mehr in die Augen sehen können?


Ich kam zu einer Einbahnbrücke, bei der ich eigentlich Vorfahrt gehabt hätte. Hätte, aber auf der anderen Seite rollte gerade ein Auto langsam auf die Brücke und ganz bedächtig über die ratternden Holzbohlen auf mich zu. Ich kochte innerlich. Da musste ich mir Sorgen machen um meine Stelle, wollte nach Hause, um meine Gedanken loszuwerden, und der Trollo da nahm mir in aller Ruhe die Vorfahrt! Das Auto hielt neben mir, der Fahrer kurbelte, nochmals langsam und bedächtig, die Scheibe herunter, er nahm seine Sonnenbrille ab, schaute mir aufrichtig entschuldigend in die Augen und sagte: „Sori tru!“, „tut mir wirklich Leid!“ Auf der Weiterfahrt lachte ich lauthals; was war ich doch deutsch in meinem Denken, mich über eine Lappalie so aufzuregen, und wie locker hatte der einheimische Fahrer reagiert.


Es dauerte ein paar Wochen, David behandelte mich freundlich wie immer, aber nun gab es unerwartet Probleme mit meiner Arbeitserlaubnis, die Kontrollen durch die Behörden, du verstehst doch, Gabi? Oh ja ich verstand, ich verstand nur zu gut. Einige weitere Wochen brachte David mir die Arbeit nach Hause und holte die Bücher nach meiner Bearbeitung ab. Aber dann funktionierte auch das leider, leider nicht mehr, und ich verstand wieder. Sori tru.


Janna rief eines Tages aus Ukarumpa an, sie habe eine Mitfahrgelegenheit, aber die Hosteleltern durften sie nur mitfahren lassen, wenn wir unsere Erlaubnis gaben. Das taten wir natürlich gern, wollten wir doch unser Töchterchen auch einmal unverhofft bei uns haben. Wie alle Eltern, die ihr Kind eine Zeitlang nicht gesehen haben, staunten wir, wie groß sie in der Zwischenzeit geworden war; eindeutig erkannte ich in meiner Tochter eine angehende junge Frau. In klaren Worten beschrieb sie uns, warum sie gerade einmal Abstand von Ukarumpa brauchte, und wir waren voller Respekt für ihre Entscheidung.