Deutschland

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Ach, schon da?

Ein bockiger Sohn

Gedanken und Erinnerungen vermischen sich

Weder an den Flug nach Deutschland, noch an die Ankunft in Frankfurt habe ich lebendige Erinnerungen in meinem Gedächtnis gespeichert. Irgendwann waren wir da, aber meine Gedanken befanden sich noch in der Verarbeitung des hinter mir Liegenden. Es gibt Erinnerungsfetzen, die mir sagen, dass wir wohl einige Zeit bei meinen Eltern verbracht haben.


Im Gespräch mit meiner Mutter kehren Erinnerungen wieder. Ich trage Amos bei unserer Ankunft auf dem Arm, meine Eltern und mein eigens aus Hamburg angereister Bruder fallen mir um den Hals. Auf Michael stürzt in Tränen aufgelöst seine Schwester zu. Warum, frage ich mich heute, tat sie das? Amos, der noch nie in seinem Leben so viele weiße Menschen zusammen erlebt hat, verkriecht sich hinter meinem Rücken.


In meiner Erinnerung sieht das anders aus: wir kommen an, ich weiß, dass meine Eltern uns erwartet haben, ich mich gerettet gefühlt habe. Filmriss. Amos wispert auf der Fahrt von Frankfurt nach Erlenbach, auf meinen Schoß gekauert: „Mama, planti tumas waitskin!, Mama, zu viele Weiße!“ Erinnerung und Erzählung – alles vermischt sich. Sehr schnell muss Amos durch Kontakte mit deutschen Kindern beschlossen haben, nicht mehr Tok Pisin zu sprechen, vielmehr, die Sprache gar nicht zu verstehen. Wenn der Nachbar meiner Eltern, besagter Pfarrer, durch dessen Intervention wir frühzeitig zurückkehren konnten, vorbei schaute und den üblichen Niugini-Gruß abinun, guten Nachmittag, aussprach, tat Amos bald so, als würde er nicht verstehen. Sprach ihn der Nachbar auf Tok Pisin als pren bilong mi, mein Freund, an, rief er empört: „Ich bin nicht dein Freund!“. Kurz später meinte er zu uns: „Da kommt schon wieder der abinun daher“.

Einmal sagte ich abends in Tok Pisin „Zeit für dich, schlafen zu gehen!“ zu ihm. Empört kam als Antwort auf Deutsch: „Aber ich bin noch gar nicht müde – und ich verstehe gar nicht, was du sagst!“ Ich erinnere mich, dass wir von der Mission eine möblierte Wohnung gestellt bekamen, ähnlich der vor unserer Ausreise. Wie wir darin gewohnt haben, weiß ich nur noch durch Erinnerungen an unser Söhnchen. Ich habe, so glaube ich heute, unter einem regelrechten Kulturschock gestanden. Die übergroße, mich nicht mehr täglich erdrückende Verantwortung der Krankenversorgung – ich konnte sie gedanklich gar nicht so schnell loslassen, wie sie tatsächlich passé war. Abends einzuschlafen, ohne mich zu fragen, was ich wohl heute falsch gemacht haben könnte – wie unverdiente Gnade schien mir das. Einen warmen deutschen Sommer erleben zu dürfen, von sanften Farben nach der ewig üppigen Blütenpracht umgeben zu sein, das waren Geschenke, die ich staunend erlebte. Ich kaufte Brot, und verzehrte es beseligt in dem Bewusstsein, es nicht selbst gebacken zu haben. Ich drehte den Wasserhahn auf und ließ das Wasser laufen – eine innere Stimme warnte mich, ich müsse sparsam mit dieser Kostbarkeit umgehen – das Wasser lief noch immer aus dem Hahn. Es war, als entdeckten meine Sinne das Leben aufs Neue.

Neuanfang