Neuanfang
Ein neues Leben beginnt
Energischer kleiner junger Mann
Die kleine Tochter ist ein lebensfreudiges Kind
All diese Erinnerungen hangeln sich an Erlebnissen mit Amos entlang, anders ist es wohl nicht möglich, Erlebtes abzurufen. Er lernte das Fahrradfahren; wie stets in seiner energischen Art stürzte er sich in diese Erfahrung. Herunterfallen, wieder Aufsteigen, noch mal und noch mal, bis er es konnte. Dann wollte er das richtige R sprechen lernen, er übte und übte nach einigen Tagen stürzte er glücklich in meine Arme: Wenn der Papa heimkommt, dann sage ich zu ihm grrrüß dich, sollst mal sehen, wie er sich da fleut!
Noch heute habe ich Vorräte im Haus, das Planen, Vorsorgetreffen, hat mich nie wieder verlassen. Alles, bis hin zu Klopapier, muss ich vorrätig haben, die Befürchtung, das Flugzeug könne aus irgendwelchen Gründen nicht landen, hat sich tief eingegraben. Wir lebten acht Jahre in Deutschland, unsere Tochter Janna kam vier Monate nach unserer Ankunft zur Welt, und wir wurden zu einer ganz normalen deutschen Familie. Michael bekam eine Pfarrstelle in einem Dorf in Mittelfranken, zu einer Zeit, als der Begriff Pfarrfrau noch so etwas wie ein Berufsbild bedeutete.
Ich engagierte mich in der Kirchengemeinde, leitete einen Frauenkreis, einen Altenclub, den Kindergottesdiensthelferkreis, half im Kindergarten aus. Wir schlossen Freundschaften mit Gleichaltrigen im Dorf, besuchten Selbsterfahrungsgruppen, ich lebte im Pfarrgarten meine alternativen Seiten aus wie es eben in den 1970/80er Jahren so üblich war. Im Dorf wurde die Kneipe von einer Kommune übernommen, und es entstanden mit den gleichaltrigen, außergewöhnlichen Menschen Freundschaften, die lange hielten. Ich gründete einen Kirchenchor, begann mit einer Gruppe von Menschen, die größtenteils keine Noten lesen konnten, zu singen wir wurden zu einer verschworenen Gemeinschaft. Wir übten einfache, vierstimmige Sätze ein und bereicherten das Dorfleben, indem wir bei Altengeburtstagen und Gottesdiensten sangen. Noch heute bestehen Freundschaften aus dieser lebendigen Zeit.
Im Nachbardorf lebten Marina und Gunnar, mit denen wir damals in Aseki Sprache neu erfunden hatten. Für unsere Kinder, insgesamt sechs, war es egal, wo sie sich gerade aufhielten oder wo sie schliefen alle waren in beiden Haushalten zu Hause. Ritualhaft machten wir zusammen, wann immer möglich, in unseren Gärten Feuer, saßen im Kreis darum, erinnerten uns an die Feuer, die wir in Niugini gemeinsam erlebt hatten. Michael baute in einem ehemaligen Waschhaus im Pfarrgarten einen offenen Kamin ein und wir saßen viele Abende vor der flackernden Flamme, erzählten einander und unseren Kindern Geschichten, vertraut, verträumt, fröhlich, sinnlich. Feuer, das war etwas, das uns immer wieder an die Zeit in Niugini erinnerte.
Ich nahm mit Gunnar wieder das Geigespielen auf. Vor der Ausreis nach Niugini hatte man mir abgeraten, meine Geige mitzunehmen, da die Stahlsaiten in der Feuchthitze nur rosten und der Leim des Holzkörpers sich auflösen würden. Obwohl ich völlig außer Übung war, begann ich mit Gunnar als Lehrer, zusammen Hausmusik zu machen, was uns viel Freude bereitete. Später entwickelten wir ein Bratkartoffelverhältnis zueinander. Er, ein waschechter Norddeutscher, machte die besten Bratkartoffeln, die es nur geben konnte nachdem wir unsere gemeinsame Begeisterung entdeckt hatten, rief er mich schon bei den Vorbereitungen an, und ich machte mich, wenn möglich, mit unseren Kindern auf den Weg ins Nachbardorf.
Janna, unser wunderbarerweise doch noch geborenes Kind, wuchs in dieser Dorfidylle zum körperfreundlichsten Kind heran, das ich mir denken kann. Getauft wurde sie natürlich von Ulrich, denn die Tatsache, dass es sie überhaupt gab, hatten wir ihm und insbesondere seiner Frau zu verdanken. Immer wieder, wenn ich sie bewusst anschaute, stieg eine tiefe, staunende Freude in mir auf und sie wurde zu meinem Herzenskind. In ihr Bettchen legen durfte ich sie tagsüber erst, wenn sie sich dem Schlaf völlig ergeben hatte, am Abend wollte sie in den Schlaf gesungen werden. Ich ließ das Singen der Abendlieder immer in Summen übergehen, aber wehe, ich hörte zu früh auf! Ein empörtes Aufmucken, und ich durfte wieder mit Singen beginnen.