Vorstellungen
Ungeahnte Kenntnisse
Aufwendige Nähaktion
Eine weiße Missi kann nähen
Ich hatte mich einigermaßen gemütlich in meinem Alltagsleben eingerichtet, als dem abrupt ein Ende gesetzt wurde. An einem Vormittag kam eine Abordnung von Frauen der Station zu mir und fragte mich ultimativ, wann ich denn endlich mit Nähstunden beginnen wolle. Ja, aber ich kann doch gar nicht nähen meinte ich verblüfft, wurde aber eines Besseren belehrt: Du bist eine weiße Missis, also kannst Du natürlich nähen! Ich war dermaßen fassungslos, dass ich dem nichts entgegensetzte. Diesen Nachmittag habe ich nicht mit den Mamas verbracht, ich war viel zu beschäftigt, zu grübeln, wie ausgerechnet ich die an mich gestellten Erwartungen erfüllen sollte. Klar, da standen in dem einen Schulgebäude all diese Nähmaschinen, die mit einer Handkurbel zu bedienen waren ich hatte sie bisher leicht belustigt zur Kenntnis genommen, aber nie mit einer mir anzutragenden Aufgabe verbunden.
Beim Mittagessen hatte ich Michael vom Besuch der Delegation berichtet, und auch er war ratlos, wie ich mich verhalten solle. Endlich, am Abend hatte ich die zündende Idee. Ich plante sowieso, an einem der nächsten Tage mit Amos nach Madang zu fliegen, um vor der zu erwartenden Regenzeit noch einmal Einkäufe zu tätigen. Da hatte ich doch im Lutheran Supply House die Schnittmuster gesehen, die Schritt für Schritt erklärten, wie ein Rock oder ein Kleid zu nähen war. Und eine meri blaus, eine der Blusen der einheimischen Frauen, hatte ich unter Tante Bertas Anleitung damals in Lae doch auch schon genäht. So wollte ich es machen und mit diesem Vorhaben konnte ich mich langsam wieder beruhigen. Zwei Tage später flog ich mit Amos nach Madang, fand tatsächlich die erwarteten Schnittmuster und kaufte gleich noch eine Nähmaschine mit Fußpedal dazu. Wieder zu Hause in Begesin machte ich mich eifrig daran, anhand der Step by Step-Schnittmuster das Nähen zu üben. Ich habe in der Zukunft viele schöne Dinge genäht, sogar Bermudashorts mit Taschen, und ich habe ein Schnittmuster für einen Sechsbahnenrock entworfen. Nun war ich erst einmal dabei, selbst mit Nadel und Faden umgehen zu lernen. Ich brauchte Tage, bis ich mich so weit sicherfühlte, aber dann gab ich Mama Butut Bescheid, dass es losgehen könne mit den Nähstunden. Oft, wenn ich später mit den Frauen zusammensaß und wir nähten und dabei plauderten, habe ich an Tante Berta gedacht, die mich die Grundkenntnisse der Nähkunst gelehrt hatte und war heilfroh darüber.
Eines Morgens fiel mir in der Küche auf, dass der Kühlschrank stinkend vor sich hin rußte. Und dieser merkwürdige Geruch, der da auf einmal in der Luft lag
Schon beim Öffnen der Tür ahnte ich nichts Gutes, was sich als richtig erwies. Aus dem Gefrierfach tropfte eine stinkende Brühe auf die darunter liegenden Lebensmittel. Der Kühlschrank kühlte nicht mehr, es schien sogar Hitze von ihm auszugehen! Ich rief nach Michael, der draußen mit den wokbois dabei war, das gemähte Gras zusammenzurechen. Er schaute sich die Sache an und meinte: Mir scheint, da haben wir ein ernstes Problem! Das hatten wir. Meine gestern eingetroffene Dauerbestellung war bereits verdorben, nun mussten wir also zusehen, wie wir uns ernähren konnten. Den ganzen Nachmittag versuchte Michael, den Kühlschrank zu reparieren vergeblich. Er hatte Teile ausgewechselt, hatte einen neuen Docht für das Kerosin eingebaut, aber entscheidende Ersatzteile fehlten. Am Abend setzte er sich frustriert an das Funkgerät und bestellte einen Mechaniker. Es dauerte sechs Tage, bis ein Mechaniker mit Ersatzteilen anrücken konnte. In diesen sechs Tagen lernten wir, was es bedeutet, in den Tropen ohne Kühlschrank zu existieren. Von da an haben wir diesen Kühlschrank als kleine Kostbarkeit empfunden.
Der store, der Stationsladen, war ein Treffpunkt für die Stations- und Dorfleute. Für Michael war er ein Ort, an dem er unbefangen mit den Dorfleuten in Kontakt treten konnte. Die Leute saßen vor dem store, Betelnüsse wurden gekaut, und oft war kreischendes Lachen von dort zu vernehmen. Die Waren wurden in zweiwöchentlichem Abstand von einem Flugzeug eingeflogen, das dann auch unsere standing order sowie die Post mitbrachte. Kurz nach Ankunft eines Flugzeugs versammelten sich gewöhnlich die Dorfleute, um die gebrachten Waren in Augenschein zu nehmen. Die Bestellung für den store stellte Michael mit Butut und Aisaip zusammen. Einmal hatten sie bei einer ihrer Zusammenstellungen besonders viel Spaß, ich hörte sie brüllend lachen! Belustigt dachte ich, na ja, da sind wieder mal die Jungs dabei, in ihrer Männerwelt aufzugehen. Weiter dachte ich nicht nach. Nach der Landung des nächsten Flugzeugs entlohnte ich wie gewohnt die Lastträger und war wie immer begierig auf die Post. Beim flüchtigen Durchsehen des Postsackes hatte ich einen dicken Brief in der gestochenen Handschrift meiner Mutter entdeckt; dessen Inhalt gedachte ich mir baldmöglichst einzuverleiben. Auf dem Weg zu unserem Haus hörte ich Gekreisch und Tumult aus der Ecke des stores kommen. Ich kehrte um, da ich unbedingt erfahren wollte, was da wohl los war. Pastor Aisaip stand da, mit leuchtenden Augen einen Gegenstand hochhaltend. Einen BH, einen Büstenhalter, hielt er in der Hand, wie ich beim Näherkommen erkannte. Er schwenkte ihn in der hochgehaltenen Hand und rief: Ihr Frauen, zäunt eure Brüste ein! Lasst sie nicht nutzlos rumhängen, sie wollen einen Zaun! Immer wieder ließ er seine Aufforderung ertönen, das kreischende Antwortgelächter schien ihn anzuspornen, er wurde immer lauter! Tief aus meinem Inneren stieg ein glucksendes Lachen auf das also hatte das brüllende Gelächter der Jungs ausgelöst. Ja, und am Abend erzählte mir Michael, dass die BHs reißenden Absatz gefunden hätten.