Sprache
Verschwinden der traditionellen Sprache
Heranbilden der Siedlungen
Deutsche Wertvorstellungen vermitteln
Auch in Begesin wurde die Liturgie im Gottesdienst in Graged gepflegt und zumindest Michael wurde in dieser Sprache immer besser, während ich stur dabei blieb, dass Tok Pisin die schönere Sprache sei. Allerdings freundete ich mich mit dieser Liturgie so an, dass sie für mich ein fester Sonntagsbestandteil wurde. Noch als wir viel später in Deutschland an einem Sonntagmorgen im Badezimmer vor dem Spiegel standen, haben wir miteinander die Melodien dieser Liturgie gesummt und auch der Wortlaut war uns noch lange geläufig.
Während wir in Begesin lebten, gab es in Tok Pisin noch Wörter, die offensichtlich aus der deutschen Kolonialzeit stammten. Michael erzählte mir von den wokbois, dass ihnen Wörter wie hamma, maisel und subka geläufig seien, also Hammer, Meißel und Schubkarre. Kürzlich habe ich meiner Tochter Janna gegenüber, die gerade dabei ist, ihre Dissertation über Die zunehmende Anglisierung von Tok Pisin zu schreiben, die Vielfalt angesprochen, die für mich Tok Pisin zu bieten hat. Sie meinte nur trocken: Sei froh, dass du nicht mitkriegst, wie sich die Sprache verändert hat. Von der ursprünglichen Sprache, die uns so viel Freude bereitet hat, ist nicht mehr viel übrig. Das hat mich mit Bedauern an meine damalige Begeisterung erinnert über eine Wegbeschreibung, die ich für ein Charakteristikum der Sprache Tok Pisin hielt. Aisaip hatte mir den Weg zum Dorf Begesin beschrieben: long as bilong kumurere yu mas tainim long han sut, am Fuß des Eukalyptusbaumes musst du nach rechts einbiegen das fand ich köstlich und musste es mir immer wieder von allen Seiten durch den Kopf gehen lassen. As ist ein Wort mit Mehrfachbedeutung, es steht für Fuß (eines Baumes), aber auch für Grund (einer Sache, einer Handhabung), für Begründung, und auch für Hintern. Kumurere, Eukalyptusbaum wie hätte ein Weißer, der mit der Natur in Niugini nicht vertraut war, wissen sollen, welcher Baum gemeint war? Han sut, die Hand, die schießt, bedeutet natürlich rechts, du musst nach rechts abbiegen. Nein, ich möchte lieber nicht wissen, wie sich die geliebte Sprache in ein verniedlichtes und verenglischtes Etwas vermischt hat.
Die Gottesdienste in Begesin wurden in einem der Schulhäuser abgehalten. Eine Stunde vor Beginn riefen die garamuts, die Baumtrommeln, in einem bestimmten Rhythmus, nach einer halben Stunde in einem anderen, und zum Beginn des Gottesdienstes riefen sie heftig kommt! Die Stationsleute hielten abwechselnd die Predigt und keiner nahm offenbar für sich in Anspruch, der Weisheit letzten Schluss gezogen zu haben. Eine Predigt wurde eher verstanden wie ein gemeinsames Nachdenken über einen Bibeltext. War ein Prediger mit seiner Auslegung fertig, konnte es durchaus vorkommen, dass ein oder zwei andere nach vorne schritten, um ihr Verständnis des Textes hinzuzufügen. Das löste keinerlei Erstaunen aus, es wurde gelassen angenommen wie so Vieles. Zum Gottesdienst kamen alle immer ganz sonntäglich gekleidet, die Kinder gehörten selbstverständlich dazu. Schweine und gelbe Hunde gingen ein und aus, wobei die Hunde eher verjagt wurden als die Schweine. Wenn ein Kleinkind einmal zu sehr störte, konnte es durchaus vorkommen, dass der Prediger ein lautes Givim em susu, Gib ihm die Brust! ertönen ließ.
Die Trockenzeit dauerte lange an in diesem Jahr und unser Regenwasser in den Wassertanks neben dem Haus wurde bedenklich knapp, so dass ich neben der Toilette einen Eimer mit Wasser aufstellte, damit nicht nach jedem Toilettengang ein ganzer Spülkasten geleert wurde. Abends brachten wir Amos abwechselnd oder gemeinsam zu Bett und erzählten ihm ein deutsches Märchen. Wir hatten uns vorgenommen, dass er nicht nur in der Niugini-Kultur heimisch werden, sondern auch etwas von unseren deutschen Vorstellungen in sich aufnehmen sollte. Heute war ich an der Reihe, Amos Rotkäppchen und der Wolf zu erzählen, wobei Michael dasselbe am Vorabend getan hatte. Wir hatten uns zu Dritt auf Amos` Bett zurechtgekuschelt und ich erzählte. Als ich bei und die Wackersteine rumpelten in seinem Bauch angelangt war, fuhr ein hellwacher Amos, von dem wir geglaubt hatten, er sei am Einschlafen, hoch und empörte sich: Rumpelte und pumpelte in seinem Bauch, heißt das! Im Wohnzimmer setzten wir uns danach zusammen und überlegten, wie mit der Wasserknappheit umzugehen war. Das noch vorhandene Wasser mussten wir auf jeden Fall zum Kochen nutzen. Wäsche waschen konnte ich auch mit den Stationsfrauen im Ujapan. Uns selbst könnten wir eigentlich auch im Ujapan waschen, fanden wir auf einmal. Vielleicht könnte das sogar eine Bereicherung unseres bisherigen Lebens bedeuten?