Kathedrale
Die Kathedrale Barcelonas
Lebendige Kultstätte
Pilgern wir den »carrer dels Comtes«, die Seitengasse der Kathedrale weiter, so gelangen wir an einen schönen kleinen Platz, von dem aus man das seltsame »Marés«-Museum betritt. Im Vorhof des Museums befindet sich nur von Mai bis September ein nettes Café, wo man sich ein Weilchen inmitten dieser beeindruckenden, gotischen Szenerie ausruhen und sich bei einer Tasse Kaffee und etwas Gebäck stärken kann. Anschließend steht der Höhepunkt unseres kulturellen Rundgangs auf der Tagesordnung: die Kathedrale, die wir durch die »Porta de Sant Iu« betreten, das alte Seitentor des Querschiffes, an dem dieser gewaltige Bau begonnen wurde. Nicht mit derselben Himmelsausrichtung, aber ungefähr am selben Standort wurden hier, jeweils auf den Resten der vorangehenden, verschiedene Kirchen erbaut. Zuerst die Basilika aus dem 5. oder 6. Jh., dann, als diese von den Mauren im späten 10. Jh. zerstört wurde, die romanische Kathedrale im 11. Jh. und schließlich der gotische Prachtbau, im 12. Jh. begonnen, an dem über 200 Jahre lang gearbeitet wurde.
Die Kathedrale setzt sich aus drei Schiffen zusammen, die auf geschickte Weise das Licht filtern, so dass das Innere in ein gelungenes, die kirchlichen Rituale förderndes, Zwielicht getaucht ist. Unterm Altar die gewölbeüberdeckte Krypta der »Santa Eulalia«, einstige Schutzpatronin der Stadt heute von »Sta. Mercé« abgelöst. Auf der rechten Seite des Presbyteriums die steinernen Gräber der Gründer des romanischen Tempels. Eines der wertvollsten Stücke der Kathedrale ist der kunstvoll geschnitzte Chor mit seinen Holzreihen. Hier tagte 1519 der Orden vom Goldenen Vlies und unter der Leitung Karls V. versammelten sich in diesem Chor Heinrich III. von England, Franz I. von Frankreich, Manuel I. von Portugal, Ludwig von Ungarn und Kaiser Maximilian I.
Verhalten aufgepaßt!
Man sollte sich beim Besuch dieses Gotteshauses vergegenwärtigen, dass es sich hier um kein Museum oder eine Touristenattraktion, sondern um eine lebendige Kultstätte handelt, deren Besichtigung Fremden nur aus Gefälligkeit der Gläubigen gestattet wird. Deshalb sollten Besucher sich still und so unauffällig wie möglich verhalten. Blitzlichter, Videokameras, tief ausgeschnittene Tops und T-Shirts sowie extrem kurze Shorts sind also unangebracht. Hier werden noch Gottesdienste gefeiert, und für die Gläubigen ist dies ein heiliger Ort. Und wenn man sich schon für religiöse Architektur interessiert, so sollte man doch wenigstens auch die Glaubensgemeinschaft achten, oder? Übrigens: gesungene Gottesdienste mit Orgelbegleitung finden hier auch gelegentlich statt.
Verlassen wir die Kathedrale durch ihr Haupttor, so befinden wir uns wieder an unserem Ausgangspunkt. Von hier werden wir noch nach einem kurzen Abstecher die Reste der römischen Stadtmauer in Augenschein nehmen können. Im Umkreis der Kathedrale hatten im Mittelalter die Könige, Fürsten, Bischöfe und kirchlichen Prälaten ihren Wohnsitz. Einige dieser Paläste haben wir schon bewundert, der »carrer dels Comtes« z.B. verläuft zwischen der Kathedrale und einigen dieser Zivilbauten. Jetzt werden wir sie aber von außen betrachten können. Wenn wir auf dem »Pla de la Seu«, also vor der Kathedrale, stehen und auf ihre Fassade blicken, erheben sich rechts der schon erwähnte Diakonenwohnsitz und links die »Casa de la Pia Almoina«, ein gotisches Gebäude aus dem 15. Jh., das ein 1009 gegründetes Armenkapitel beherbergte, dessen Aufgabe es war, jeden Tag hundert Besitzlose zu ernähren.
Jetzt gehen wir die kleine Rampe zwischen diesem Haus und dem »Marés«-Museum hinunter und gelangen auf den »carrer de la Tapinería«, die mittelalterliche Schuhmachergasse. Dieser folgen wir entlang der römischen Mauer und ihren Türmen abwärts. So erreichen wir den Platz »Berenguer el Gran«, von dem wir auf die befestigte Außenseite des »Palau Reial Major«, des königlichen Palastes, auf der vorher besichtigten »Plaça del Rei« blicken. Von den sieben Türmen der Mauer sind drei bis heute in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten geblieben. Auf dem Platz können wir ausruhen, während wir die Mauern betrachten, oder wir gönnen uns eine wohlverdiente Pause auf der Terrasse des unmittelbar am Platz gelegenen »Café La Gloria«, denn dies ist der Endpunkt dieses langen Rundgangs durch das römische und gotische Barcelona.