Schule
Fast ein Appendix
Deutsche Schule in Quito
Unterwegs zur Schule
Appendixe sind primär dumme Fremdworte, dazu mit x, nicht schön, und kündigen von Epilogen - noch so´n Fremdwort, letztlich soll eben letztlich (!) an den Schluss etwas angehängt werden, meistens an wissenschaftliche Facharbeiten, irgendwelche Tabellen oder Statistiken.
Da wir noch gar nicht am Ende sind, aber fast, letztlich (das Wort für heute) nur ein halbes Appendix, und doch trefflich, weil es eine Geschichte behandelt, die schon einige Zeit, Ewigkeiten, Unendlichkeiten, Äonen hinter uns liegt - der Besuch der deutsche Schule in Quito - und nun nachgeschoben wird.
Da dieser Besuch was ganz besonderes war, und so was von besonderer als alle drei Milliarden Werthers Echte, die in dieser Welt gerade im Mund für Karies sorgen, zusammen, bekommt er hier ein Extra-Kapitel, dazu noch mit Fremdwort und ausführlicher Einleitung garniert, was den Schülern dieses "Colegio Alemans" gar nicht gerecht wird, vielleicht ja den Pädagogen ...
Südamerikanische Kinder haben einen Nachteil ...
Wäre falsch gesagt, haben eine Strafe, einen undenkbaren Hammer, mit dem ihre Köpfe eingeschlagen und demoliert werden. Nein, ich meine nicht dieses völlig unnatürliche Still-sitzen-bleiben, auf dem Stuhl gezwängt, sechs Stunden lang, in den Momenten, wo der Körper Bewegung braucht und danach schreit wie Werther nach der Liebsten, nein, das meine ich nicht, ich mein was anderes: Südamerikanische Kinder müssen, bevor sie in die Schule kommen, also eigentlich sind es die Eltern, die da was müssen, etwas nachweisen nämlich, und zwar, dass ihre Kinder christlich - zumindest vom Papier her -sind. Sie müssen die Bibel mit in die Schule bringen, ohne Bibel, ohne Taufschein kommt hier keiner in die Schule, wird hier keiner erzogen, gelehrt und unterstützt.
Ein weiser indianischer Heiler in Bolivien hat mir erzählt, als ich ihn fragte, warum denn, wenn doch das Indianerherz (besonders in Bolivien) immer noch so kräftig schlage, warum dann die ganzen Menschen zumindest augenscheinlich so verwestlicht, so Bild-Zeitung, verloren und leidend sind? In der Prägungsphase, antwortete er, da wennde sechs, sieben, acht Jahre alt bist, und in die Schule kommst, und dir dann Bibel, Patriarchentum und die Wichtigkeit der Militärgewalt vorexerziert werden, da kannste nicht anders, da wirste nicht anders, und da brauchste Zeit und Kraft, um das abzuschütteln, und sehen kannste das von außen vielleicht gar nie mehr ...
Bibel und Bomben, Bonbons und Betrug, hin oder her, ab in die Schule! Halt, vorher noch die Frage, in welche. Die deutsche Schule beispielsweise können sich nu wirklich nicht alle leisten, kostet schlappe 300 Dollar Schulgeld im Monat. Was das für 1-Dollar-Haarschnitts und 1-Dollar-für-40 Bananen-Ecuadorianer bedeutet, kann sich ja mittlerweile jeder an den eigenen Haaren abzopfen. Gibt aber sogar Schulen, die verlangen 4000 !!! Dollar im Monat. Weiß nicht genau, welche weißen Nazi-Aristokratie-Potentate dahinter stecken, aber sie gibt es jedenfalls. Und dann gibt´s natürlich noch die 0-Dollar-Schulen, nennen wir sie doch Oma-Deutsch einfach mal Volksschulen, verlangen eben nur die Bibel und alle zwei Wochen werden die Haare vom Schulfriseur auf richtig kurz getrimmt, damit der zarte Schopf auch schon mit sieben Jahren unter die Militärkappe passt. Und dann lade dir doch noch mal dieses ach so wichtige und Mensch wie berühmte Weltfoto von dem sterbenden Kind im Vietnamkrieg runter ...
Also raus aus Quito, 45 Minuten Busfahrt, vorbei an Armensiedlungen, die sich, je näher wir kommen, in Robinson-Club-ähnliche Anlagen der kleinen Oberschicht verwandeln, mit mehr als einem Hund auf dem Dach, Waffenmenschen am Eingangstor und Garten mit Agaven, fein platziert, und Blumen, die lila blühen, obwohl sie lieber weinen wollen.
Auch das Schulgelände für die drei spanisch sprechenden und den einen deutsch sprechenden Zweig (über 1000 Kiddies, weil Grundschule inklusive), groß, hübsch, mit klasse Sportplatz (ich erinner mich, dort sah ich meine ersten, frei lebenden südamerikanischen Säuger, treudoofe Kühe, es sollten so viele weitere kommen, doch die ersten vergess ich nicht, Muh), und irgendwie echt modern, schick, mit Sekretärin, Lehrerzimmer mit Kaffeetassen und Ledertaschen, also genau so wie an deutschen Pennälerplätzen.