Letzter Atemzug
Viel Rauch um nichts
Gutes altes Geo
Rauchen lässig oder verpönt?
Was ich noch zu sagen hätte, geht über eine Zigarette, den blauen, heiligen Tabakdunst, der auch in Südamerika seine Friedenszeichen hinterlässt und Nerven manipuliert. Völlig ungewöhnlich für anscheinend unterentwickelte Länder, die ja normalerweise paffen wie die Affen, und wieder einmal typisch für diese verrückten, verqueren andinen Länder wie Bolivien, Ecuador und Peru, rauche dort sehr wenige Menschen, Genussraucher am Abend und nach der Liebe, solche einfache Art von Qualmern also, die höchst selten ganze Schachteln, sondern höchstens eine einzelne direkt am Bauchstandverkäufer erwerben.
Hier in Argentinien und Chile nehmen die Raucher und deren Inhalation dagegen den üblichen Stellenwert ein wie in südeuropäischen Ländern auch, beständig, bei jeder Tätigkeit die Fluppe im Mundwinkel, die tägliche Hektik regulierend, den Kaffee im Schlepptau ....
Und genau wie in Europa, wir haben es ja schon an Zigarettenmotiven der bizarren Art in Chile gesehen, macht hier die Anti-Raucher-Mafia mächtig Pompatz, prohibido fumar, Alfons Wrongl ohne Larynx, etc., Regeln bestimmen das bürokratische Leben, hinein bis ins eigene Schlafzimmer.
Dabei ist es seltsam, und man kommt sogar ins Staunen, wenn man als Reisender in einem Hostel janz zufällich auf ein Geo-Magazin aus dem Jahre 1980 trifft. Genau, Geo, die Illustrierte für Arte-Gucker und Gallileo-Intellektuelle, dass dazu nu wirklich die tollsten (Wahnsinn, guck dir das hier an) Fotos der Welt macht und dazu überflüssige und scheinbar wirklichkeitskonstruierende Berichte schreibt. Nun, diese Geo aus dem Jahre 1980 unterscheidet sich von der aus dem Jahr 2008 dahingegen überhaupt nicht, als dass circa 30 der 90 Seiten großfarbige, pfiffig aufgemachte Werbeanzeigen sind. Der Inhalt allerdings aus dem Jahre 1980 ist konträr, geradezu subversiv und daher höchst interessant. Von den 30 Anzeigen sind 1980 15 für Alkoholika und 15 für Zigaretten geschaltet. Tja, so einfach ist die Rechnung, wer das nicht glaubt und für übertrieben hält, besorgt sich ne Geo und stellt fest, dass da zu Beginn der 80er nur Alk- und Tabakwerbung drin gesteckt hat. Und was für welche: Die R1-sitzende Frau mit Promenaden-Mischung, Sonnenschirm und der gestelzten R1 in der Rechten. Mensch, das nenn ich Freiheit und den leichten Genuss (Käse, Chips light, etc.) den gab´s ja damals schon, nur ganz woanders.
Und was seitdem passiert ist, mit der R1-Frau, dem leichten Genuss und der heiligen Pflanze Tabak ist sonderbar, seltsam und erinnert ein bisschen an das Handy und das Internet mit umgekehrten Vorzeichen.
Geo selbst trug in den 90er Jahren erheblichen Anteil daran, dass in 80 % der bundesdeutschen Haushalte, in denen rauchen Jahrzehnte lang so gewöhnlich war wie Edgar-Wallace-Filme, plötzlich obsolet wurde, selbst Tabakfreunde rauchen ja heute "im Schlafzimmer" auf gar keinen Fall.
Das ist weder ärgerlich noch schlimm, denn ob nun als Gegner oder unbewusster Konsument, die Kraft der Pflanzen, die allen Drogen und Medikamenten zu Teil wird, ist anscheinend sowieso nicht sichtbar und nutzbar und somit für Geo und den Rest der Wissenschaft auch nicht wahrnehmbar. Uns geht es nicht um Pro- oder Antiraucher-Debatten, sondern um die bloße Feststellung wie schnell, wie einfach, gesellschaftliche Veränderungen eintreten können, wie Wahrheiten, die immer nur Scheinwahrheiten sind, produziert werden und wie kritiklos diese geschluckt werden, wie Menschen heute wirklich meinen, sie äßen Oligofructose, Carnitin und linksdrehende Milchsäuren. (Lieber mal die Augen im Uhrzeigersinn nach links drehen, aber das ist ne andere Sache ...)
Handys waren in den 90er Jahren versnobt, heute unbedingt lebenswichtig "vor allen Dingen, wenn mal was passiert", in den 30er Jahren gab es Flugzeuge, Fernseher, Aufklärung, Psychologie, Frauenrechte und die Sklaven waren scheinbar ganz weit weg. Politische Bildung war hoch im Kurs, die Kunstszene schuf Werke, die heute noch zum Staunen anregen, Tomas Mann und Hermann Hesse schrieben Bücher, die gierig konsumiert wurden. Trotzdem schaffte ein österreichischer Gnom es, 60 Millionen Lemminge zu Vergasern zu machen, einfach so, nicht über Nacht, aber über ein paar Jahre, so schnell kann´s gehen, eben noch schick mit der R1 und dem weißen Pudel am Campingtisch, jetzt schon entsetztes "Wie!? Du rauchst!?".