Floplights
Résumé vorm Abflug
What´s Flop?
Frisch gepresst: Platz 20 bis Eins
Aufbruchsstimmung, Heimkehrzeit, Vorhang nun auf für alte Revuen - es folgen die Floplights, die dümmsten, ärgerlichsten und schwer verdaulichsten Abturner, wie so oft subjektiv, subversiv und süffig:
Flop 20: Wählen?
In Ecuador muss jeder (!) Mensch wählen, außer den Analphabeten, die dürfen es sich aussuchen. Walfreiheit?
Flop 19: Euroscheine
Kann mich nach 100 Tagen beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wie Euroscheine aussehen, Farbe, Bilder, alles weggeflutscht. Die alten D-Mark-Bomben mit blauem Cool-Käppi und Affen-Tausender im Schlaf dagegen runterbetbar, Hauptstadt gerne noch in Bonn am Rhein. Instinktive Millenium-Magenverstimmung oder platonische Geldunnot?
Flop 18: Die Alpen
Nein, nicht die Alpen an sich, nur die Tatsache, dass sich dieses Gebirge im Zuge geologischer Verschiebungen in den letzten 1000 Jahren schlappe 25 Zentimeter (!) Richtung München bewegt hat. Ist mir so bei Anden-Geologie-Grundsätzlichkeiten unters Messer gefallen und eine völlig nichtige Bemerkung.
Flop 17: Überbevölkerung
Eine der Lieblings-Platitüden über unterentwickelte Länder wie Bolivien oder Peru ist die der Überbevölkerung. Die treiben´s wie die Hasen und machen sonst eh nur Siesta. Bolivien ist ungefähr dreimal so groß wie Deutschland und England zusammen und hat im Gegensatz zu deren 140 Millionen 9 Millionen Einwohner. In Belgien wohnen auf einer zwanzigmal so kleinen Fläche mehr als 10!
Also doch nicht wie die Hasen, mümmelt Matjes Möhre mampfend ...
Flop 16: Präsidentenrekord
Bolivien hält den traurigen Rekord für die unstabilsten politischen Systeme. Zwischen 1826 und 1976 verbrauchte das Land sage und schreibe 183 Präsidenten! Machs besser, Evo!
Flop 15: Der reiche Berg
Potosis reicher Silber-Zinn-Hügel auf 5000 Metern hat bereits nach zwei Stunden gereicht. Staub, Lunge und Augen kaputt, auf Knien robben, dreckig, dunkel, hilflose Fronarbeit. Dass da heute immer noch Kinder und Jugendliche arbeiten, jeden Tag ein Arbeiter an den Folgen stirbt und der Großteil der Mineralien für umme gen Westen wandert ist reichlich heftig.
Flop 14: Inkasitten
Muss ja nicht immer der Eindruck entstehen, dass antike Kulturen per se immer besser und heiliger sind als westliche Pershings. Die alten Inkakönige, zumindest einige von ihnen, waren so selbstverliebt, dass ihre Kleidung hauptsächlich aus Gold und Brokat bestand und jeden Tag (!), nachdem der Herrscher die Stoffe getragen hatte, verbrannt wurden. Was ebenfalls in die Kategorie "gehört sich doch nicht" fällt, ist der Akt, den besiegten Feind öffentlich auf der Bühne zu köpfen, um anschließend aus dem frisch enthäuteten Schädelhaupt Maisbier zu trinken.
Flop 13: Flip Flops
Besagt ja bereits der Name. In den südlichen Gefilden (Chile, Argentinien, Uruguay) - und nicht nur da - ausschließliche Wahl bei Sommerfußbekleidung. Ich mag die Dinger nicht, latschen und flatschen so über den Asphalt und hören sich so an, als würde jeden Moment nen Rotkehlchen zertreten. Außerdem: Orthopädisch unsinnig wegen fehlendem Abrollverhalten. So!
Flop 12: Mate Tee
Wieder in die drei Südländer und zu deren Lieblingsdroge Mate Tee. Oder anders gefragt, was brauchste, wenn du Kokakauer bist? Nen kleinen Beutel mit den Blättern und der Asche, leicht am Körper tragbar. Zigarettenraucher haben schlicht und einfach ihr Päckchen und Feuerzeug in der Tasche, der Sternensüchtige braucht nur die oberflächlichen Halsmuskeln und die Befriedigung kommt vom Himmel. Nun, so ein Mate-Tee-Trinker braucht erstmal ne bauschige Kalebasse aus Holz, wo das Mate-Kraut drin schwimmt und ne Thermoskanne, aus der er alle drei Minuten neues heißes Wasser reingießt, um das dann mit nem Filterstrohhalm aus Messing rauszusaugen. Mag zwar gut schmecken, aber was ist das denn für ein umständliches Gehabe?! Vor allen Dingen in Uruguay rennt wirklich jeder Zweite mit ner Thermoskanne und der Kalebasse durch die Gegend. Die gehen damit spazieren, an den Strand, Radfahren, immer schön die Thermoskanne unterm Arm. Und: Wie habt ihr das eigentlich in der Zeit vor der Thermoskanne gemacht?
Flop 11: Valdivia-Kultur
Bis vor kurzem noch die angeblich älteste Kultur Südamerikas, die Anthropologen und Historiker finden aber täglich was Neues, allerdings tatsächlich Neues und nichts wirklich Altes. Tihuanacu, 18.000 Jahre alt, was ist damit? Die ganze Wissenschaft mit ihrem Eurozentrismus über Bord werfen? Wär längst mal fällig ...
Flop 10: Hühnerfüße
Mag ja gern mal was Neues mögen, aber die Hühnerfüße in Chiclayo, Peru, gehörten definitiv nicht dazu. Steht da einfach so nen Fuß in meiner Suppe. Tss, das Auge isst doch auch mit, gacka.
Flop 9: Leidenskultur
Vor allen Dingen in Mittelamerika findbar, aber selbstredend im katholischen Süden genauso. Die Jenseitsversicherung des Papstes zieht immer noch, Leiden, Selbstgeißelung und persönliche Strenge als Zeichen der religiösen Wahrheit, Kreuze schleppen und sich selbst auspeitschen, Aua. Muss letztlich jeder selbst wissen, aber wird hier nicht offensichtlicher als sonstwo, dass es theoretisch bessere Alternativen gäbe?
Flop 8: Continental Breakfast
Allein das Wort reizt mich zum sofortigen Ausspucken des Frühstücks. Welcher Kontinent zum Himmel ist damit gemeint? Und was soll der Spruch, wenn letztlich doch immer nur Brot mit Marmelade und Butter dabei rauskommt? Klares Veto für Haferflocken, Obst und große Buffets!
Flop 7: Abgründe
Müssen ja nicht direkt Hühnerfüße in der Suppe sein, aber die Tatsache, dass du hier dem geschlachteten Tier, dem dreckigen Mülldasein des Homo Sapiens, seinem Unrat, seiner abgrundtiefen Zerstörungswut und Raubtiersucht am nächsten kommst, hat Kraft. Floppig dagegen und fraglich, was der Westmensch mit seinem Ekel, seiner Ehre und seinem Ursprung gemacht hat.
Flop 6: Wintermärchen
Was wurde in den letzten Tagen nicht alles vom deutschen Winter geschwärmt. Kirschblüten, Buchsbaum-Feinheiten und magische Wälder, Hermoso! Je näher wir dem Schwarzwald kommen, umso enger wird´s, um so klarer erscheint die tatsächliche Kälte, die man sich in der Vorstellung immer nur unter dicker Jacke und Strahlehimmel warmredet. März ist nicht nur meteorologisch Winterzeit, es fröstelt gut und gerne, schneit bisweilen auch, und 20 Grad sind so selten wie Vögel im Aquarium. In der letzten argentinischen Woche musste zwangsweise jede Nacht fast nackt verbracht werden, hitzeheiß hier, trotz Ventilator, den´s in jedem Zimmer gibt. Wenn ich mir recht entsinne, gab´s im deutschen Sommer 2007 nicht eine Nacht zum Richtig-Ausziehen. Ach Dschörmäny ...
Und dann natürlich mein Neger-Stolz. Bin ich schon schwarz oder noch braun? Ich weiß, in zwei Wochen bin ich wieder so käseweiß wie Ernas Milch und mein Ego schwer enttäuscht. Was letztlich natürlich gut ist, sehr gut sogar.
Flop 5: Mario Firmenich
Hallo Eifel, wieviel Mario Firmeniche gibt´s bei dir? So einige, nehme ich an. In Peru steht Mario Firmenich stellvertretend für die herrschende Weißrasse, die im Verborgenen arbeitet, abkassiert und sonst nicht zu sehen ist. Hab den Namen in ner Zeitung gefunden, als es um großindustrielle Projekte und Politik-Korruption ging, fühlte sich eklig an.
Flop 4: Konquistadoren
Sind Schlächter und Mörder gewesen, fraglos, doch davon gab´s viele auf der Welt. Selten nur die Tatsache, dass die Unterdrückten und Ermordeten diesen anschließend Denkmäler setzten. In jeder chilenische Stadt ne Hernan-Cortez-Straße, Pizarro-Büsten in Peru und wieviele Colon-Plätze es in ganz Südamerika gibt, weiß der Adler da oben allein. Fühlt sich noch ekliger an als Firmenichs Mario.
Flop 3: Bolivianisch-chilenische Grenze
Die Grenze in der Wüste mit 6000er-Vulkan und Blauhimmel ein Riesenspektakel, der kulturell-soziale Bruch allerdings umso großskandalöser. Cold Turkey ist die Bezeichnung für einen Drogen-Hangover, die traurige, schmerzhafte Sucht nach dem scheinbaren Heilmittel. Der Entzug Boliviens und der heiligen Anden hat so wehgetan, weil er so plötzlich, so unvermittelt und so grausam einschneidend kam. Tiere, Tollheiten, Taramtamtam, alles weg, auf einen Schlag, das Ende Südamerikas und die Rückkehr in die Zivilisation. Unerklärbar!
Flop 2: Kinderwagen und Hundeleinen
Gehören abgeschafft, bzw. muss natürlich jeder selbst wissen, aber natürlich sieht es anders aus, siehe Ecuador Peru und so.
Flop 1: Anne Frank
Was es alles gibt! Anne Frank ist natürlich nach wie vor als Einstiegsdroge empfehlenswert, nur werden deren Tagebücher in Peru scheinbar falsch verstanden. Die Klassik-Paperbooks-Reihe in Peru legt im kleingeschriebenen Taschenformat Welt-Literatur-Klassiker für wenig Geld ins Spanische auf, Goethe, Marquez, Tolstoi, alles, was du dir denken kannst, im Mini-Buch. Dazu auf der Vorderseite nen neuen, modernen Druck, mit leidendem Werther in bunt und höchst dramatisch. Geht ja noch, bei Franks Anne eher weniger. Man stelle sich Bibi Blocksberg oder Hanni und Nanni anno 2005 vor. So richtig bunt und kitschig, mit viel rosa und gelb im Bild, schwarze Zöpfe und große Kulleraugen, Schnutemäulchen. So sitzt et Anne dann also an einem großen, geräumigen Schreibtisch (!) in einem hochwandigen (!) Zimmer mit ansehnlichem Mobiliar (!) und schreibt fröhlich in ihr Büchlein. Hinter ihr steht irgendne Freundin (von mir aus Nanni, wenn man so will), mit grünem Langfrasen-Sweatshirt (style!) und blonden Zöpfen, ordentlich roten Pausbacken und guckt der Anne von hinter über die Schulter beim Schreiben zu, und macht dabei son Gesicht wie "Wow, watt schreibste da, ist ja cool!". Abgefahren, und durch das Fenster siehst nen schicken Glaspalast in dem ne richtig schön gezeichnete, auch wieder so herrlich bunte Naziflagge weht. Wenn das mal keine Pferdeabenteuer werden ...
Wiehernde Grüße ...
P.S.: Anne Franks Schriften hab ich vor vielen Jahren von Don Rob, einem portugiseischem Bauern, geschenkt bekommen. Sie sind sehr eindringlich, ehrlich und werden in ihrem historischen Kontext verstanden unmenschlich schmerzhaft. Hier schreit der Archetyp.